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       # taz.de -- Verschleppung von Trinh Xuan Thanh: Neue Verhaftung in Entführungsfall
       
       > Vietnamesische Geheimdienstler sollen 2017 einen Ex-Funktionär aus Berlin
       > verschleppt haben. Nun wurde ein mutmaßlicher Helfer in Prag
       > festgenommen.
       
   IMG Bild: Der entführte vietnamesische Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh 2018 in Hanoi im Gerichtssaal
       
       Berlin taz | Die Generalbundesanwaltschaft hat nach fast fünf Jahren einen
       zweiten Haftbefehl im [1][Entführungsfall Trinh Xuan Thanh] wegen
       geheimdienstlicher Agententätigkeit sowie Beihilfe zur Freiheitsberaubung
       vollstreckt. Der vietnamesische Staatsbürger Anh T. L. war bereits am 15.
       April in Prag aufgrund eines europäischen Haftbefehls der Bundesrepublik
       festgenommen worden und wurde jetzt nach Deutschland ausgeliefert.
       
       Ihm wird vorgeworfen, im Vorfeld der Entführung den ehemaligen
       vietnamesischen Wirtschaftsfunktionär Trinh Xuan Thanh ausgespäht zu haben
       sowie für Entführungstätigkeiten als Fahrer eingesetzt worden zu sein. Es
       handelt sich also eher um Tätigkeiten in einer unteren Ebene der
       geheimdienstlichen Hierarchie. Das Management der Entführung hatte
       mutmaßlich in den Händen des stellvertretenden vietnamesischen
       Geheimdienstchefs Duong Minh Hung gelegen, der damals aus Vietnam angereist
       war sowie in den Händen weiterer Geheimdienstler und Diplomaten.
       
       Am 23. Juli 2017 war der frühere vietnamesische Wirtschaftsfunktionär Trinh
       Xuan Thanh, der elf Monate zuvor nach Berlin geflohen war und hier Asyl
       beantragt hatte, gemeinsam mit seiner Freundin im Berliner Tiergarten
       entführt worden. Trinh Xuan Thanh gehörte dem sogenannten Wirtschaftsflügel
       innerhalb der Kommunistischen Partei Vietnams an, der nach dem Parteitag
       2016 politisch ins Hintertreffen geraten war. Viele Vertreter dieses
       Flügels wurden wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen.
       
       Vietnam wirft Trinh Xuan Thanh Misswirtschaft in mehrstelliger
       Millionenhöhe vor, durch welche dem vietnamesischen Staat hoher Schaden
       entstanden sei. Trinh Xuan Thanh hatte den Vorwurf stets zurückgewiesen und
       behauptete, die Verluste des staatseigenen Unternehmens, dem er
       vorgestanden hatte, seien zustande gekommen, weil er angewiesen worden war,
       verlustreiche Unternehmen aufzukaufen.
       
       ## Vietnam streitet Entführung weiter ab
       
       Vietnam hatte die Auslieferung von Trinh Xuan Thanh beantragt. Dem war die
       Bundesrepublik nicht nachgekommen, weil die Tatvorwürfe Vietnams zu
       unkonkret waren. Vietnam hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den
       Strafrechtsparagrafen zu nennen, gegen den der Beschuldigte verstoßen habe.
       In der Folge soll Vietnam die Strafverfolgung von Trinh Xuan Thanh unter
       Bruch des Völkerrechts und des deutschen Rechts in die eigenen Hände
       genommen haben und ihn in einer über Monate geplanten geheimdienstlichen
       Aktion entführt haben.
       
       Das Entführungsopfer wurde unter Drogen gesetzt und via Brno, Bratislava
       und Moskau nach Vietnam verschleppt. Für den Weg aus dem Schengenraum von
       Bratislava nach Moskau hatte der damalige slowakische Innenminister Robert
       Kalinak laut eigenen Angaben unwissentlich die slowakische
       Regierungsmaschine bereitgestellt. Dort flog auch Vietnams Innenminister To
       Lam mit, der eigens einen Regierungsbesuch in Bratislava vortäuschte, um
       das Entführungsopfer und Mitglieder der Entführungsmannschaft unauffällig
       nach Vietnam zu bringen.
       
       Vietnam leugnet bis heute, dass es überhaupt eine Entführung gab und
       behauptet, der ehemalige Funktionär sei freiwillig nach Vietnam
       zurückgekehrt. Trinh Xuan Thanh wurde 2018 zu zweimal lebenslänglichen
       Haftstrafen verurteilt. Er sitzt noch immer in der Untersuchungshaftanstalt
       unter schwierigsten Bedingungen.
       
       Gegen den jetzt Festgenommenen Anh T. L. läuft seit 2017 ein Haftbefehl.
       Als 2018 das Berliner Kammergericht einen seiner Mitentführer [2][zu einer
       Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilte], wurde
       öffentlich, dass Anh T. L. sich der Strafverfolgung entzogen hatten, indem
       er sich rechtzeitig nach Vietnam abgesetzt hatte. So waren auch der damals
       bereits mit Haftbefehl gesuchte stellvertretende Geheimdienstchef Duong
       Minh Hung sowie der hochrangige vietnamesische Geheimdienstoffizier aus
       Tschechien Dao Q. D. den Behörden entkommen.
       
       Möglicherweise hat sich der nun Festgenommene Anh T. L. fast fünf Jahre
       nach der Tat so sicher gefühlt, dass er freiwillig nach Prag zurückgekehrt
       war, wo er vor der Tat gelebt hatte. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft
       äußerte sich gegenüber der taz nicht zu einem zwischenzeitlichen Aufenthalt
       des Festgenommenen in Vietnam. „Ich bestätige nur, dass die Festnahme in
       Prag erfolgte.“
       
       Anm. d. Red.: Der Text wurde nachträglich gekürzt.
       
       2 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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