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       # taz.de -- Bemüht-lustige Produktverpackungen: Hilfe, mein Essen spricht mit mir
       
       > Wortspiele, knallige Typo und viel Love und Happiness. Der Trend zu
       > originellen Etiketten zieht sich durch alle Warengruppen. Ein
       > Supermarktrundgang.
       
   IMG Bild: Ernsthaft?
       
       Unterwegs [1][im Supermarkt]. Ich bleibe hängen am Satz „Sanddorn, Zitrone
       des Nordens“, eine steile Fruchtthese, aufgestellt von Berlina-Shot, einem
       der vielen Hersteller aus dem Mikrosmoothie-Segment. Deren Produktbetexter
       haben offenbar einen Daffke („Clown des Ostens“) gefrühstückt, denn
       Mundartfetzen pflastern die 60-Milliliter-Gebinde. „Ausjedacht in Berlin“,
       „Keen Bammel, is anjenehm schaaf!“, „Jut schütteln! Und uffdrehn …“. Okee,
       ha’ick vastanden, danke für jarnüscht!
       
       Direkt nebenan im Kühlregal geht der Fun auf den Saftmix-Etiketten weiter.
       Dabei setzt Innocent ganz unschuldig auf Produktnamen wie Blaulenzer,
       Vitaminbündel und Inner Winner. All in Fruits geht aufs Ganze und nennt
       seine Sorten „Wow!“, „Fresh!“, „Jippie!“ und „Boom!“, Yfood schließlich
       schreibt groß „This is Food“ auf seine Milchsmoothies. Sicher ist sicher.
       
       Jede Produktgruppe im Supermarkt hat seine eigenen Designregeln, Farbwelten
       und -codes (rotes Mineralwasser ist Still, grünes ist Medium). Aber
       zusätzlich zieht sich durch alle Regale der Trend zu „originellen“
       Etiketten. Also Wortspielnamen, direkte Ansprache, knallige, gestapelte
       Typo, gern in Pseudohandschrift. Mein Essen spricht mit mir. Muss das sein?
       
       „Magic Dust“ und „Goldene Milch“ stehen im Gewürzregal von Hartkorn. Der
       Brotaufstrich Nabio entblödet sich nicht, seine Sorten „Powerlinse“ und
       „Muckibohne“ zu nennen. Und erst die Tees! Bei Yogi Tea herrscht ein
       Kategorienchaos, das jeden Taxonomen erschaudern lässt. Mal heißen die
       Sorten nach ihren Inhaltsstoffen (Schoko, Sweet Chili, Rooibos), mal nach
       Bewusstseinszuständen (Ruhe, Frauenpower, Klarer Geist, Feel Pure), mal
       nach Zeiten oder Orten (Abend, Grüner Morgen, Himalaya). Direkt darüber
       schreit mich die knallige Produktpalette von Cupper an, mit „Skinni
       Vanilli“, „Zen Balance“ und „Be Happy“.
       
       Glück und Liebe gehen eh immer. Eine andere Marke nennt sich „Ve Happy“ (am
       V erkennen wir: Sie ist [2][vegan]), auf der pflanzlichen Vanillesoße von
       Dr. Oetker steht „loVe it!“, Lindts Sublabel Hello grüßt mit „Nice to Sweet
       You“ in der Sprechblase, und „GLÜCK PASSIERT“ bei den Marmeladen.
       
       Im Weinregal wartet dafür ein Trio des Grauens, präsentiert von einer
       Winzergruppe namens „young poets“: „Fifty shades of GRAUBRGNDR“,
       „Everything happens for a RSLNG“ und „Always sunny SVGNBLNC“. Ich bin
       glücklich, dass ich das dritte Wortspiel gar nicht erst verstehe, und
       gleichzeitig wütend, dass dort ein N fehlt, denn es muss SVGNNBLNC heißen,
       wnnschn, dnnschn. Beim Wein hat das mit den lustigen Namen eine eklige
       Tradition, mit Grausen erinnere ich mich an „Sex ist schön. Sauvignon Blanc
       hab ich öfter“ oder „Das ist kein Wein – das ist wirklich allererste Sahne
       namens Grauburgunder“.
       
       Letzter Stopp Getränkekühlregal. „Oh, Honey. It’s Mint“ verspricht ein
       Bio-Eistee. Und auf den Bottled Cocktails steht einfach nur groß „KRASS“.
       Krass.
       
       19 Jun 2022
       
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