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       # taz.de -- Parlamentswahlen in Frankreich: Ex-Putzkraft wird Abgeordnete
       
       > Die neu gewählte Nationalversammlung Frankreichs ist diverser geworden.
       > Jedoch sinkt der Frauenanteil unter den Abgeordneten um zwei
       > Prozentpunkte.
       
   IMG Bild: Neu im Parlament: Rachel Kéké, die einen erfolgreichen Streik der Putzkräfte in einem Hotel anführte
       
       Paris taz | Bei den [1][Wahlen der Abgeordneten zur französischen
       Nationalversammlung] am Sonntag zeichnete sich nur eine einzige echte
       Mehrheit ab: nämlich der Anteil von 54 Prozent der Stimmberechtigten, die
       aus Protest oder Desinteresse nicht wählen gingen. Zu den Problemen der
       Bildung einer mehrheitsfähigen Regierung gesellt sich darum nunmehr eine
       seit Jahren anhaltende und sich von Wahl zu Wahl verschlimmernde Krise der
       repräsentativen Demokratie hinzu.
       
       Dass das politische Angebot die Nachfrage immer weniger befriedigt, belegt
       auch der hohe Anteil leer abgegebener Wahlzettel (5,5 Prozent der
       abgegebenen Stimmen) sowie der als ungültig erklärten Stimmen (2,15
       Prozent). Das sind 1,7 Millionen Bürger*innen, die auf diese Art ihren
       Unwillen demonstriert haben.
       
       Natürlich behaupten vor allem die Verlierer, dass sie am meisten unter der
       allzu geringen Beteiligung ihrer potenziellen Wählerschaft gelitten hätten.
       Der Wahlunion NUPES von Sozialisten, Grünen und Kommunisten mit der linken
       France insoumise (Unbeugsames Frankreich) von Jean-Luc Mélenchon, die mit
       einem echten Comeback für Frankreichs Linke gemeinsam mit 142 Sitzen die
       stärkste Oppositionskraft darstellt, fehlten vor allem die Stimmen der
       Jungwähler*innen. Ihnen waren die in mehreren Umfragen belegten Sympathien
       für das soziale und ökologische NUPES-Programm vielerorts eben doch keinen
       Gang ins Wahllokal wert. Rund 70 Prozent der 18- bis 35-Jährigen haben die
       Wahlen erneut boykottiert.
       
       Das allein erklärt nicht, dass NUPES bei Weitem keine Mehrheit in der
       Nationalversammlung erobert hat und dass der Initiator dieser Linkseinheit,
       Jean-Luc Mélenchon, nicht Premierminister wird. In Wirklichkeit hatte er
       viel zu hoch gepokert. Dafür kommen dank NUPES einige Neulinge in die
       Nationalversammlung, die besonders erwähnenswert sind: In einem Wahlkreis
       im Val-de-Marne im Osten der Hauptstadt hat Rachel Kéké die Stichwahl gegen
       Macrons Ex-Sportministerin Roxana Maracineanu gewonnen. Mit ihr wird zum
       ersten Mal ein „Zimmermädchen“ im Parlament mitreden. Sie hatte einen
       erfolgreichen Streik der Putzkräfte in der Hotelkette Ibis angeführt. Die
       heute 48-Jährige von der Elfenbeinküste ist Mutter von fünf Kindern und war
       bereits in mehreren sozialen Bewegungen aktiv. 2015 hat sie die
       französische Staatsbürgerschaft erhalten. Kéké möchte diejenigen im
       Parlament vertreten, deren Stimme man dort nie hört. Mit ihr ziehen auch
       andere Berufstätige aus der Arbeiterklasse ins Parlament ein.
       
       ## Der jüngste Abgeordnete in der Geschichte
       
       Der als Vertreter der Unabhängigkeitsbewegung in Französisch-Polynesien
       gewählte Tematai Le Gayic ist mit seinen gerade 21 Jahren der jüngste
       Abgeordnete in der Geschichte der Fünften Republik. Der ebenfalls frisch
       gebackene NUPES-Abgeordnete Louis Boyard ist nur ein paar Monate älter. Er
       war einer der Anführer der Mittelschülerbewegung und bei den
       Gelbwesten-Demonstrationen von einer Polizeigranate verletzt worden. Er ist
       dem Fernsehpublikum aus Talkshows bekannt. Insgesamt ist die neue
       Nationalversammlung diverser geworden. Der Anteil der Frauen unter den
       Abgeordneten ist jedoch im Vergleich zu 2017 von 39 auf 37 Prozent
       gesunken.
       
       20 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-der-Parlamentswahl-in-Frankreich/!5861976
       
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   DIR Rudolf Balmer
       
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