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       # taz.de -- G7-Gipfel in Elmau: Protest und Polizei wappnen sich
       
       > Vor dem G7-Gipfel in Elmau warnt Innenministerin Nancy Faeser vor
       > „gewaltbereiten Chaoten“. Der Gegenprotest hofft dagegen auf bunte
       > Demonstrationen.
       
   IMG Bild: Ob mit Pferden oder im Helikopter: Die Polizei wird beim G7-Gipfel omnipräsent sein
       
       Berlin taz | Tausende gegen globale Ungerechtigkeit und Klimakrise – so
       erhoffen es sich Aktivist:innen für den Samstag in München. „Mit einem
       großen, bunten Demonstrationszug durch die Münchner Innenstadt fordern wir
       eine gerechtere G7-Politik“, erklärt am Montag Uwe Hiksch von den
       Naturfreunden, der den Protest angemeldet hat. Unterstützt wird er von
       einem Bündnis aus 15 verschiedenen Gruppen und Verbänden, darunter die
       Globalisierungskritiker:innen von Attac, die kirchlichen
       Hilfswerke Brot für die Welt und Misereor sowie die Umweltgruppen
       Greenpeace und der BUND.
       
       Sie wollen das Vorwort zum [1][G7-Gipfel] sprechen: Am Sonntag treffen sich
       die Staats- oder Regierungschefs der „Gruppe der Sieben“ im Luxushotel
       Schloss Elmau, 100 Kilometer südlich von München – am selben Ort wie schon
       vor sieben Jahren, als Deutschland das letzte Mal G7-Gastgeber war.
       
       Umweltschützer Hiksch hofft auf eine breite Teilnahme am Protest in
       München, auch „mit Kinderwagen oder Rollator“. Der harte Kern der
       verschiedenen Bewegungen wird aber auch die Reise ins kleine Elmau
       antreten. Oder besser: so nah ran an Elmau wie möglich, also ins
       nahegelegene Garmisch-Partenkirchen. Dort richten Protestgruppen ab
       Donnerstag ein Camp unter dem Motto „Stop G7“ aus.
       
       Das Gebiet ist schon jetzt [2][eine Hochsicherheitszone]. Seit Sonntag ist
       ein 16 Kilometer langer Zaun um das Hotel geschlossen, ein Zugang nur noch
       mit Akkreditierung möglich. Bereits seit einer Woche sind auch punktuelle
       [3][Grenzkontrollen] wieder eingeführt, um laut Sicherheitsbehörden
       „potenzielle Gewalttäter“ aufzuspüren. Und in Garmisch-Partenkirchen ist
       bereits aus Containern ein Gefangenenlager mit 150 Plätzen errichtet.
       18.000 Polizeikräfte sollen den Gipfel schützen.
       
       ## Faeser lobt „herausragende“ Vorbereitung der Polizei
       
       Am Montag machte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Bayerns
       Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor Ort ein Bild von der Lage, beide
       besuchten eine Lagebesprechung. Faeser lobte anschließend die
       „herausragende“ Vorbereitung der Polizei, eine „Meisterleistung der
       Sicherheitsarchitektur“.
       
       Am Wochenende wurde es indes bereits heikel. Auf dem linken Onlineportal
       Indymedia tauchten [4][interne Polizeidokumente vom G7-Gipfel 2015] auf –
       Sicherheitsbehörden bestätigten die Authentizität. Wer hinter dem Leak
       steckt, ist bisher unbekannt. Für die Polizei kommt es aber zur Unzeit,
       denn ihre Taktik dürfte diesmal ähnlich wie 2015 sein.
       
       In den Dokumenten wurden vorgesehene Zahlen der Polizeikräfte benannt, auch
       Namen der Einsatzführer samt Handynummern oder Funkkanäle. Aufgeführt
       wurde, wie Sperrzonen vor allem rund um das Tagungshotel mit „lückenloser
       Kontrolle“ gesichert werden sollten. Oder mit welchem Erkennungswort sich
       Zivilkräfte auszuweisen hatten („Zauneidechse“) oder auf einen
       Anschlagsfall reagiert würde („Schneesturm“). Die Polizeikräfte wurden
       angewiesen, kommunikativ und „deeskalativ“ aufzutreten. Denn: Es werde eine
       „nahezu allgegenwärtige Dokumentation polizeilicher Maßnahmen“ durch Medien
       und private Handyvideos geben.
       
       Gewarnt wurde in den Unterlagen dagegen vor dem Gegenprotest. Möglich seien
       Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, Blockaden von Zufahrtswegen,
       Störungen von Veranstaltungen und „gewaltsamen Auseinandersetzungen von
       Demonstranten mit der Polizei“. Gewaltbereite Störer sollten deshalb
       „frühzeitig identifiziert“ und Gewahrsamnahmen für sie geprüft werden.
       Gesucht werden sollte auch nach Erd- und Baumdepots, selbst der Umgang mit
       Protestclowns wurde thematisiert.
       
       Die Schreckensszenarien von 2015 lösten sich am Ende in Luft auf: Die
       Teilnehmerzahlen an den damaligen Protesten blieben überschaubar. Bis auf
       eine kurze Straßenblockade blieb [5][alles im angemeldeten Rahmen].
       
       Herrmann und Faeser reagierten gelassen auf die geleakten Polizeidokumente.
       Der CSU-Mann erklärte, die Polizei werde diesmal sicher vieles ähnlich wie
       2015 machen – „aber auch vieles anders“. Auch Faeser betonte, der Leak habe
       „keinen Einfluss“ auf den aktuellen Einsatz.
       
       ## Nur 50 Protestierer dürfen in Sichtweite des Hotels
       
       Herrmann hatte zuletzt jedoch bereits erneut vor „gewaltbereiten Chaoten“
       beim Gegenprotest gewarnt. Und auch Faeser betonte am Montag, der Gipfel
       müsse gewaltfrei ablaufen. „Das Demonstrationsrecht hat Grenzen“, warnte
       sie. „Bei Gewalt werden wir sehr konsequent einschreiten.“ Eine konkrete
       Gefährdungslage gebe es zwar bisher nicht, aber die Protestmobilisierung in
       der linken Szene steige, so Faeser. „Wir sind auf jedes Szenario
       eingestellt und habe gewaltbereite Chaoten und Linksextremisten im Blick.“
       
       Bisher allerdings sind [6][Krawalle nicht in Sicht], die Mobilisierung zu
       Gegenprotesten bleibt überschaubar. Streit gibt es noch über die
       Demonstrationen rund um das Tagungshotel. Am Sonntag wollen Gipfelgegner
       mit rund 1.000 Teilnehmenden in Garmisch-Partenkirchen protestieren. Tags
       darauf soll ein Sternmarsch zum Hotel führen. Laut dem Stop-G7-Bündnis
       sollen die Aktivist:innen aber nicht bis zum Tagungsort vorgelassen
       werden. Nur eine 50-köpfige Delegation solle für eine halbe Stunde in Hör-
       und Sichtweite protestieren dürfen – und nur nach Vorlage der Personalien
       in Polizeibussen dorthin gelangen.
       
       Das Stop-G7-Bündnis nennt das „eine unglaubliche Beschneidung unserer
       Versammlungsfreiheit“. Man werde „wie Schwerverbrecher:innen in
       Polizeiwägen“ vorgefahren. Dennoch beuge man sich, um Auftritte
       internationaler Redner:innen auf der Kundgebung zu ermöglichen. Der
       zuständige Landkreis äußert sich bisher nicht zu den Protestauflagen, weil
       die Gespräche mit den Veranstalter:innen noch liefen.
       
       Auch das Protestcamp hing lange in der Schwebe, bevor es vergangene Woche
       nach einem dreimonatigen Verfahren für 750 Teilnehmende genehmigt wurde.
       Das Camp gehöre für die Aktivist:innen zur freien Meinungsäußerung
       dazu, sagte Elisabeth Koch (CSU), Bürgermeisterin von
       Garmisch-Partenkirchen. „Das respektieren wir.“
       
       ## Gipfelprotest fokussiert ökologische Fragen
       
       Inhaltlich hat sich der Gipfelprotest in den vergangenen Jahrzehnten
       erweitert. Während es früher vor allem um die sozialen Folgen der
       globalisierten Weltwirtschaft ging, stehen jetzt [7][auch die ökologischen
       Folgen] im Fokus. „Die G7-Staaten haben die historische Verantwortung für
       die Klimakrise“, heißt es im Aufruf von „Stop G7“.
       
       Hauptleidtragende seien aber die Menschen im Globalen Süden, denen bei
       Entscheidungen der G7 „die Stimme geraubt“ werde. Die Aktivist:innen
       fordern einen [8][Schuldentausch]: Die finanziellen Schulden der armen
       Länder gegen die ökologischen Schulden der reichen. Die Konsequenz:
       „Verarmten Ländern müssen ihre Schulden erlassen werden, damit sie ihre
       fossilen Rohstoffe im Boden lassen und ihre Transformation zur
       Nachhaltigkeit finanzieren können“, so der Aufruf.
       
       Auch Fridays for Future Deutschland unterstützt diese Forderung und will
       den Freitags-Klimastreik diese Woche unter dem Motto „Debt for Climate“
       veranstalten, also „Schulden fürs Klima“. „Wer Frieden will, muss schneller
       raus aus fossilen Energien“, meint Greenpeace-Campaignerin Gianna Martini.
       „Daher sollten die G7-Staaten einen festen Zeitplan für den Ausstieg aus
       den Fossilen vorlegen: Bis 2030 raus aus Kohle und Verbrennungsmotoren, bis
       2035 Schluss mit Gas – dies wäre ein starkes Signal für eine krisensichere
       Zukunft.“
       
       Aber auch die für den Gipfelprotest typischen globalisierungskritischen
       Forderungen gibt es noch. „Die G7 setzt auf ein gescheitertes
       Wachstumsmodell, das sie dem Rest der Welt aufzwingen. Die Folge ist
       soziale Spaltung – weltweit“, kritisiert Roland Süß von Attac Deutschland.
       „Um die multiplen Krisen global zu lösen, brauchen wir einen
       Multilateralismus jenseits nationalstaatlicher Logik, der dem Globalen
       Süden entscheidenden Einfluss gibt.“
       
       20 Jun 2022
       
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