URI: 
       # taz.de -- Nach SPD-Parteitag und Wohnungsbündis: Giffeys Glas ist immer halb voll
       
       > Die Regierungschefin von der SPD skizziert in einer Pressekonferenz nach
       > zwei suboptimal verlaufenen Tagen ihre optimistische Grundhaltung.
       
   IMG Bild: Kann trotzdem noch lachen: Regierungschefin Giffey (SPD) im Presseraum des Olympiastadions
       
       Berlin taz | Manche Grundsatzprogramme und Überzeugungen füllen Bände. Bei
       Franziska Giffey reichen acht Worte: „Für mich ist das Glas halb voll –
       immer.“ Berlins Regierende Bürgermeisterin sagt diesen Satz zwei Tage nach
       dem für sie so schlecht verlaufenen [1][Landesparteitag der SPD] und
       weniger als 24 Stunden nach dem gleichfalls suboptimalen Abschluss ihres
       Wohnungsbündnisses. Beim einen wählten sie noch nicht mal 60 Prozent der
       sozialdemokratischen Delegierten erneut zur Landesvorsitzenden, beim
       anderen zogen wesentliche Gruppen nicht mit und ihre eigenen
       Koalitionspartner äußerten sich sehr verhalten.
       
       Giffeys Satz ist die Antwort auf eine Frage in der Pressekonferenz nach der
       Senatssitzung. Die steht ausnahmsweise im Olympiastadion an, wo die
       rot-grün-rote Landesregierung getagt hat – die Regierungschefin will damit
       die [2][Special Olympics] unterstützen, die Wettkämpfe geistig Behinderter.
       Ob sie sich der Einschätzung anschließe, dass das Glas bei ihr halb voll
       sei? Schließlich würden – bei gleichem Pegelstand – die führenden Köpfe von
       Grünen und Linkspartei im Senat, Bettina Jarasch und Klaus Lederer – es als
       halb leer betrachten.
       
       Ihrer Antwort voraus schickt Giffey den Versuch der Vereinnahmung ihrer
       Koalitionspartner, die sich sehr skeptisch zu den Ergebnissen des
       Wohnungsbündnisses geäußert hatten. „Ich teile die Einschätzung, dass das
       nur ein Startpunkt ist“, sagt Giffey – so ähnlich hatte sich Jarasch
       geäußert. Dann aber wird so grundsätzlich: „Wenn ich kein optimistischer
       Mensch wäre, säße ich heute nicht vor Ihnen.“
       
       Das kann man über das Bündnis hinaus auch mit Blick auf ihre Partei
       verstehen. Die SPD hat sie 2020 gerne als Spitzenkandidatin für die
       Abgeordnetenhauswahl genommen, hat ihr dann 2021 eine Ampelkoalition
       versagt und sie nun auch noch mit einem schlechten Wiederwahlergebnis
       düpiert und auf Enteignung festzulegen versucht. Ohne die Hoffnung, dass es
       mal wieder anders werden könnte, scheint das tatsächlich kaum auszuhalten.
       
       Umso mehr, weil zu Wochenbeginn auch noch die [3][Sitzblockaden an
       Autobahnbahnauffahrten] wieder begonnen haben. Innensenatorin Iris Spranger
       (SPD) die – weil auch für Sport und damit die Special Olympics zuständig –
       mit Giffey in der Pressekonferenz gekommen ist, verurteilt die Aktionen und
       bedauert es, dass offenbar noch keines der Verfahren zu früheren Blockaden
       abgeschlossen ist.
       
       Wie also nun weiter? Giffey will erst mal mit Kritik aufräumen, sie sei am
       Montag nach Unterzeichnung des Wohnungsbündnisses Fragen ausgewichen. Sie
       sei vielmehr für alle Fragen offen – am Vortag habe sie schlicht zum
       Meisterschaftsempfang [4][für Alba Berlin] gehen müssen – die Basketballer
       hatten am Wochenende in München zum dritten Mal hintereinander den Titel
       gewonnen. Natürlich könne man von so einem Bündnis „keine Wunder erwarten“,
       es könne auch nicht „zaubern“. „Aber es ist viel, viel mehr, als wir bisher
       hatten“, sagt Giffey.
       
       Dass das Erreichte weder Mieter noch Eigentümer bevorteilt, liest Giffey
       schlicht daran ab, dass sowohl der Mieterverein als auch ein
       Immobilien-Dachverband nicht unterschreiben mochten: Wenn es den einen
       nicht genug, den anderen aber zu weitgehend war, ist das für Giffey „ein
       sicheres Zeichen, dass hier ein Kompromiss gefunden wurde“.
       
       Wie nach jeder Pressekonferenz stehen auch jetzt am Ende ein paar
       Wasserflaschen halb leer herum. Oder sind sie halb voll? Im Allgemeinen ist
       das Auslegungssache – im Falle Giffey ist die Sache klar.
       
       21 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://spd.berlin/landesparteitag/
   DIR [2] https://specialolympics.de/
   DIR [3] https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/sitzblockade
   DIR [4] https://www.albaberlin.de/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
   DIR Franziska Giffey
   DIR Berliner Senat
   DIR SPD Berlin
   DIR Wochenkommentar
   DIR Wohnungspolitik
   DIR SPD Berlin
   DIR SPD Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Berlins Regierende in der Krise: Der Glanz ist dahin
       
       Von wegen strahlende Macherin: Nach einer desolaten Woche muss sich
       Franziska Giffey um ihren Stand in Partei und Koalition sorgen.
       
   DIR Kampf gegen steigende Mieten: Berlin ruft den Bündnisfall aus
       
       Vertreter*innen aus Politik und Immobilienbranche unterzeichnen ein
       Wohnungsbündnis. Der Mieterverein weigert sich, auch Heimstaden fehlt
       bisher.
       
   DIR Parteitag in Berlin: Die SPD bleibt unberechenbar
       
       Die Wahlschlappe der Parteichef*innen Giffey und Saleh stellt die
       Berliner SPD vor ein grundlegendes Problem: Was will sie eigentlich?
       
   DIR Landesparteitag in Berlin: Die SPD brüskiert ihre Führung
       
       Die Delegierten bestätigen Giffey und Saleh, aber keiner der beiden bekommt
       auch nur 60 Prozent. Dabei gab es keine Kontroversen auf dem Parteitag.