# taz.de -- Flüchtlinge an der Grenze von Melilla getötet: „Heiße Abschiebungen“ am Grenzzaun
> Spanien hat die Grenzen seiner nordafrikanischen Exklaven und damit die
> EU-Außengrenze in den letzten 20 Jahren immer stärker abgeschottet.
IMG Bild: Migranten klettern am Freitag den Grenzzaun hoch, hinter dem Polizisten auf sie warten
Berlin taz | Bis zu 37 Menschen sollen am Wochenende [1][beim Versuch
getötet worden sein], die Grenze zwischen Marokko und der spanischen
Exklave Melilla zu überwinden. Es ist die bisher höchste Zahl von Toten an
einem Tag an einer Landgrenze zwischen Europa und Afrika.
Noch vor 20 Jahren waren die Exklaven Ceuta und Melilla praktisch
ungehindert zu erreichen. Doch seither hat Spanien sie immer weiter
abgeschottet, seit 2006 in Kooperation mit Marokko. Die Entwicklungshilfe
für den Maghreb-Staat wurde von Spanien und der EU stark aufgestockt.
Marokko bewacht dafür die spanischen Grenzen. Jene, die die Zäune nach
Europa überklettern, darf Spanien postwendend zurückschicken. Marokkos
Militär löst regelmäßig informelle Siedlungen subsaharischer MigrantInnen
vor Ceuta und Melilla auf. Dann werden die Menschen in den Süden des Landes
gefahrten und dort mittellos ausgesetzt.
Immer wieder versuchen Migranten, teilweise mit Decken mit Isolierband um
die Arme gewickelt, den scharfen Klingendraht zu überklettern. Andere
versuchen es mit bloßen Händen und ziehen sich schwerste Schnitte zu.
## Beamte belastet der Anblick im Zaun hängender Migranten
Der von Spanien genutzte Zaundraht ist eigentlich zum Schutz von
Munitionslagern und Atomreaktoren gedacht. Die Gewerkschaft von Polizei und
Grenzschützern erklärte vor einigen Jahren, die Beamten seien „den Anblick
sterbender Menschen leid“, die versuchen, die Grenze zu überqueren.
„Wir sind nicht bereit, noch mehr Subsaharis zu finden, die blutend im
Stacheldraht festhängen“, schrieb die Gewerkschaft. Die Konfrontation mit
vermeidbaren Todesfällen setze die Grenzschützer „unnötigem Stress“ aus.
Mehrfach sollen Sicherheitskräfte auch auf MigrantInnen geschossen haben.
Am 6. Februar 2014 hatten 200 Menschen versucht, die am marokkanischen
Strand von Tarajal ins Meer hinein gebaute Befestigung von Ceuta zu
umschwimmen. Im Wasser wurden sie von der Guardia Civil beschossen.
Mindestens 14 Menschen starben.
Im selben Jahr tauchten erste Videos auf, die marokkanische Paramilitärs
zwischen den mit einigem Abstand errichteten Grenzzäunen zeigten. Auf
spanischem Territorium nahmen sie Flüchtlinge fest und brachten sie zurück
nach Marokko.
## Spaniens Parlament und EU-Gericht legalisieren Pushbacks
Wem es gelang, beide Zäune zu überwinden – auch das zeigten Videos –,
konnte von der Guardia Civil mit Schlagstöcken von den Zäunen
heruntergeprügelt werden. Die Festgenommenen wurden direkt an Marokkos
Militär übergeben, ohne einen Asylantrag stellen zu dürfen. „Heiße
Abschiebung“ heißt das in Spanien. Ein klarer Verstoß gegen das Gebot der
Nicht-Zurückweisung.
2015 aber stimmte Spaniens Parlament für das „Gesetz zum Schutz der
Bürgersicherheit“. Das sollte die Pushbacks legalisieren. Das Argument: Das
Asylrecht sei erst dann anwendbar, wenn die hinter den Zäunen stehende
letzte Polizeilinie erreicht würde.
Dagegen klagten zwei Männer aus Mali und der Elfenbeinküste, die im August
2014 gemeinsam mit 70 Afrikanern versucht hatten, die Zäune zu überwinden.
Als sie den dritten Zaun erreichten, wartete unten Spaniens Polizei. Ohne
Prüfung ihrer Situation wurden die Migranten durch Türen im Zaun nach
Marokko zurückgebracht.
Vor Gericht unterlagen sie: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
entschied 2020, das Verbot der Kollektivausweisung gelte nicht, wenn
Geflüchtete vorhandene legale Einreisewege nicht nutzten.
26 Jun 2022
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## AUTOREN
DIR Christian Jakob
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