URI: 
       # taz.de -- Abschottung der EU-Außengrenze: Tod an Melillas Grenzzaun
       
       > Bei Spaniens nordafrikanischer Exklave Melilla sterben beim Sturm auf die
       > Grenzanlagen mindestens 18 Migranten und zwei marokkanische Gendarmen.
       
   IMG Bild: Kampf um die Überwindung von Melillas Grenzzaun am Freitag
       
       Madrid taz | Das Video zeigt eine unwirkliche Szene: Dutzende Menschen
       liegen am Boden. Erschöpft, manche mit deutlichen Verletzungen, andere
       vermutlich sogar tot, vor einem Posten der Grenze, die Marokko von der
       spanischen Exklave Melilla trennt.
       
       Sie werden umstellt von marokkanischen Gendarmen. Die Erschöpften gehören
       zu den mehr als 1.000 Migranten, meist Schwarzafrikaner, die Freitagfrüh
       versuchten den Grenzzaun zu stürmen. Die [1][Aufnahmen] wurden von der
       Ortsgruppe Nador der Marokkanischen Menschenrechtsvereinigung (AMDH)
       verbreitet.
       
       „Auf diese unmenschliche, gewalttätige Art wurden die Migranten am
       Grenzübergang Nador behandelt. Ihrem Schicksal überlassen, ohne Hilfe,
       stundenlang, was die Zahl der Toten steigen ließ“, heißt es in der
       Erklärung der AMDH zum Video.
       
       Während Spaniens und Marokkos Behörden von 18 Toten sprechen, zählt AMDH
       mindestens 37 tote Migranten. Hinzu kommen zwei tote marokkanische
       Gendarmemen. Hunderte Migranten sollen verletzt worden sein, mindestens 13
       von ihnen schwer.
       
       ## „Köpfe, Hände, Füße“ voller Blut
       
       „Alles war voll Blut – Köpfe, Hände, Füße …“, zitiert die spanische
       Tageszeitung El País einen Anwohner, der den Grenzsturm beobachtet hatte.
       Er spricht von Paniksituationen, verursacht durch den Einsatz der
       marokkanischen Gendarmerie vor der Grenzanlage.
       
       Auch innerhalb des dreifachen Grenzzauns, mit dem sich Spanien von Marokko
       abschirmt, soll es zu Panik gekommen sein. Die Anlage ist eine tödliche
       Falle. Sie besteht aus drei Zäunen, teilweise gekrönt von messerscharfem
       Nato-Draht. Zwischen zwei Reihen ist ein Gewirr aus Stahlseilen, was das
       Erreichen des nächsten Zauns erschwert. Und dann kommt auch noch eine
       Gasse, in der die spanischen Grenzschützer operieren.
       
       Auch diese gingen nicht zimperlich vor. Bilder aus den sozialen Netzwerken
       und von spanischen Medien zeigen, wie die Guardia Civil diejenigen, die es
       auf spanischen Boden geschafft hatten, gewaltsam durch Türen im Zaun
       zurücktreibt.
       
       Solche Pushbacks sind nach internationalem Recht illegal. Denn einmal auf
       spanischem Boden, hat ein Flüchtling eigentlich das Recht, einen Asylantrag
       zu stellen. Auch wer dies nicht tut, darf nicht ohne richterliches
       Verfahren abgeschoben werden.
       
       ## Spaniens Regierungschef Sánchez lobt Marokkos Polizei
       
       Mittlerweile verlangen neun spanische und marokkanische Organisationen rund
       um die AMDH eine Untersuchung. Die Toten und Verletzten seien „ein
       tragisches Symbol für die europäische Politik, den Grenzschutz zu
       externalisieren“, heißt es in einer Erklärung. Auch die linksalternative
       Unidas Podemos (UP), die kleinere der beiden Parteien in der spanischen
       Linksregierung, verlangt Aufklärung.
       
       Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez sieht keinen Bedarf. Trotz
       der erschreckenden Bilder solidarisierte er sich nicht etwa mit den toten
       und verletzten Migranten, sondern mit „den Sicherheitskräften unseres
       Landes“, die „eine außerordentliche Arbeit“ geleistet hätten, um „einen
       gewaltsamen Angriff auf die Integrität unseres Landes, der von
       Menschenhändler-Mafia organisiert wurde“, abzuwehren.
       
       Auch die marokkanische Gendarmerie lobte Sánchez. Sie hätte mit Spaniens
       Sicherheitskräften kooperiert, um den „gewaltsamem Überfall
       zurückzudrängen“.
       
       Sánchez hatte sich erst vor wenigen Wochen mit Marokkos König Mohamed VI.
       getroffen, um eine neue Freundschaft beider Länder zu besiegeln. Das
       Treffen fand nach mehreren „Massenanstürmen“ auf die Grenze statt. Sánchez
       erkannte [2][Marokkos Ansprüche auf die einst spanische Kolonie Westsahara]
       an.
       
       Er versprach sich davon, dass es an den beiden Exklaven Melilla und Ceuta
       nicht mehr zu solchen Szenen wie am vergangenen Freitag komme. Spaniens
       Regierung will diese Woche beim Nato-Gipfel in Madrid die Verteidigung der
       Südflanke des Bündnisses zum Thema machen. Dabei geht es auch um
       „irreguläre Migration.“
       
       26 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/NadorAmdh/status/1540589250143461377%20%20%20
   DIR [2] /Poker-um-Pipelines-aus-Nordafrika/!5840096
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Migration
   DIR Spanien
   DIR GNS
   DIR Marokko
   DIR Grenzzaun
   DIR Ceuta und Melilla
   DIR Schwerpunkt Flucht
   DIR Spanien
   DIR Ceuta und Melilla
   DIR Melilla
   DIR Lesestück Recherche und Reportage
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Flucht nach Europa: Atemberaubender moralischer Verfall
       
       Griechenland praktiziert brutale und illegale Pushbacks gegen
       Migrant:innen. Eine Recherche zeigt: Dafür werden auch Flüchtlinge in
       Dienst genommen.
       
   DIR Flüchtlinge an der Grenze von Melilla getötet: „Heiße Abschiebungen“ am Grenzzaun
       
       Spanien hat die Grenzen seiner nordafrikanischen Exklaven und damit die
       EU-Außengrenze in den letzten 20 Jahren immer stärker abgeschottet.
       
   DIR Grenze zwischen Marokko und Spanien: Erneuter Sprung nach Europa
       
       Wieder versuchen fast 1.000 Menschen nach Europa zu gelangen. Grenzschützer
       halten sie auf, es kommt wie auch in der vergangenen Woche zu Gewalt.
       
   DIR Grenze zwischen Marokko und Spanien: Sprung nach Europa
       
       Etwa 850 Menschen überwinden den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla.
       Manche werden in illegalen Pushbacks sofort zurückgedrängt.
       
   DIR Geflüchtete im spanischen Ceuta: Gestrandet kurz vor Europa
       
       Sabah bereitet Suppe zu und stellt Hosen bereit. Ihr Haus steht
       Geflüchteten offen. Vor Monaten kamen Tausende von ihnen in die spanische
       Exklave Ceuta.