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       # taz.de -- Nato-Einigung mit der Türkei: Zum Preis der KurdInnen
       
       > Finnland und Schweden haben sich den Forderungen des türkischen
       > Präsidenten Erdoğan zumindest auf dem Papier gebeugt. Hehre Werte sind
       > optional.
       
   IMG Bild: Die Unterzeichnung des Memorandums am Dienstag in Madrid
       
       Wochenlang verweigerte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine
       Zustimmung zum Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Nun gab er endlich
       das ersehnte Ja-Wort: Schweden, Finnland und die Türkei [1][unterzeichneten
       ein trilaterales Memorandum über die weitere Zusammenarbeit].
       
       Es liest sich, als habe der unterschreibende türkische Außenminister Mevlüt
       Çavuşoğlu – der im Mai gegenüber armenischen Demonstrierenden den Gruß der
       türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe zeigte – es persönlich diktiert.
       Eines der „Schlüsselelemente“ der Nato sei die „unerschütterliche
       Solidarität und Zusammenarbeit“ im Kampf gegen den Terrorismus, heißt es
       dort. Finnland und Schweden sollen der Türkei künftig „volle Unterstützung
       zur Abwehr von Bedrohungen ihrer nationalen Sicherheit“ gewähren.
       
       Terrorismus und „Bedrohung“ meinen hier die Aktivitäten kurdischer Gruppen
       – wie der PKK- oder der YPG-Milizen –, nicht etwa diejenigen
       türkisch-nationalistischer oder islamistischer. Darauf deuten spätestens
       die konkreten Maßnahmen hin, die zum Ende des Memos aufgeführt werden:
       „Finnland und Schweden werden den Kampf gegen den Terrorismus mit
       Entschlossenheit [und] Entschiedenheit“ aufnehmen. Von der Türkei und ihrem
       Kampf gegen Terrorismus – wie auch immer er geartet sei – ist nicht die
       Rede.
       
       Schweden und Finnland scheinen zumindest theoretisch bereit zu sein,
       [2][sich den Forderungen zu beugen]: Die beiden Länder werden „alle
       erforderlichen Schritte unternehmen, um die innerstaatlichen
       Rechtsvorschriften zu diesem Zweck weiter zu verschärfen“. Gestalten
       Stockholm und Helsinki künftig Anti-Terror-Gesetze, könnte Ankara mit am
       legislativen Tisch sitzen.
       
       ## Erste Anträge sind schon gestellt
       
       Eine weitere Maßnahme: Man werde sich der Auslieferungsanträge der Türkei
       „zügig und gründlich“ annehmen und „bilaterale Abkommen“ dazu schaffen.
       Kaum unterzeichnet, stellte Ankara am Mittwochmorgen bereits einen ersten
       Antrag: 33 „terrorverdächtige“ PKK- und Gülen-Anhänger sollen überstellt
       werden.
       
       Noch muss sich zeigen, wie weit die Vereinbarungen in die Praxis umgesetzt
       werden. Doch was einmal geschrieben – und vor allem unterschrieben – wurde,
       ist in der Welt. Man kann sich darauf berufen und weiteren Druck schaffen.
       
       Mit dem Angriff auf die Ukraine hat Russlands Präsident Putin seine
       Großmachtfantasien enthüllt. Um diese einzuschränken, liefern die
       europäischen und nordamerikanischen Demokratien nun der Türkei die
       KurdInnen aus – zumindest symbolisch. Ein Zeichen dafür, dass Werte – wenn
       es ans Eingemachte geht – letztlich optional sind.
       
       29 Jun 2022
       
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