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       # taz.de -- Mehr Anerkennung für trans Menschen: Eigener Name, eigenes Geschlecht
       
       > Familienministerin Paus und Justizminister Buschmann haben Eckpunkte des
       > Selbstbestimmungsgesetzes präsentieren. Nicht nur von Betroffenen kommt
       > Lob.
       
   IMG Bild: Das Selbstbestimmungsgesetz löst das alte Transsexuellengesetz von 1981 ab
       
       Berlin taz | Zufrieden halten Bundesfamilienministerin Lisa Paus und
       Justizminister Marco Buschmann die Eckpunkte des neuen
       Selbstbestimmungsgesetzes vor die Kameras. Der FDP-Politiker erklärt, dass
       es in der Koalition ein „hohes Maß an Übereinstimmung“ gegeben habe und er
       sich über das gute Ergebnis freue. Auch die Grünenministerin betont, dass
       die Gesellschaft „an vielen Stellen schon weiter“ sei als die Gesetze, und
       dass Selbstbestimmung endlich möglich werde.
       
       Das [1][neue Selbstbestimmungsgesetz] soll damit an die Stelle des
       bisherigen Gesetzes treten, das sogenannte [2][Transsexuellengesetz] (TSG).
       Mit dem neuen Gesetz will die Ampel der Resolution des Europarates vom
       April 2015 folgen: In dieser war festgelegt worden, dass der Schutz von
       trans Menschen vor Diskriminierung gewährleistet werden soll.
       
       Mit dem neuen Gesetz werden Erwachsene mit einem einzigen Gang zum
       Standesamt ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag ändern lassen
       können. Benötigt wird dafür künftig lediglich eine eidesstattliche
       Erklärung. Um die Ernsthaftigkeit sicherzustellen, wird es nach der
       Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr geben. Mit dem Gesetz will die
       Ampelkoalition den Alltag von trans, nichtbinären und agender Menschen
       verbessern, die häufig Diskriminierung aufgrund ihrer geschlechtlichen
       Identität erfahren.
       
       Das bisherige TSG aus dem Jahr 1981 sieht vor, dass Betroffene für die
       Änderung von Name oder Geschlechtseintrag zwei psychologische Gutachten
       einholen müssen. Viele trans Menschen kritisierten diesen Vorgang als
       übergriffig, da für die Erstellung des Gutachtens zum Teil intime Fragen
       gestellt werden. Ferner ist der Vorgang mit hohen Kosten und langer
       Bearbeitungsdauer verbunden.
       
       ## Kinder und Jugendliche mitgedacht
       
       Mit dem neuen Gesetz sollen nicht nur die Gutachten entfallen: Auch
       Minderjährige ab dem 14. Lebensjahr können dann ihren Namens- und
       Geschlechtseintrag ändern lassen – allerdings mit Zustimmung der Eltern.
       Bei familieninternen Konflikten soll das Familiengericht die Entscheidung
       treffen, das sich an dem Kindeswohl orientiert.
       
       Um für mehr Aufklärung zu sorgen, will die Ampelkoalition mehr
       Beratungsangebote einführen. Für den Fall, dass Betroffene Opfer von
       Zwangs-Comingout durch Privatpersonen oder Behörden werden, soll es Bußgeld
       geben.
       
       Sowohl Paus als auch Buschmann betonen, dass es sich bei der Umsetzung des
       Selbstbestimmungsgesetzes um eine rechtliche Änderung handelt und [3][nicht
       um einen medizinischen] oder psychologischen Eingriff.
       
       Dass das neue Gesetz missbraucht werden könnte, hält Paus für
       unwahrscheinlich. Auch Buschmann glaubt nicht an ein künftiges „Pingpong“
       von Eintragsänderungen, da stets auch sämtliche Dokumente wie EC-Karte und
       Reisepass geändert werden müssen. Dass sich die Gewalt gegen Frauen in
       Umkleidekabinen oder Frauenhäusern verstärken könnte, befürchtet die
       Familienministerin nicht: „Trans Frauen sind Frauen“, betont Paus, und dass
       Gewalt „unabhängig vom Geschlecht“ geschehe. Dies habe nichts mit dem
       Selbstbestimmungsgesetz zu tun.
       
       ## Langsame Schritte für mehr Akzeptanz
       
       Hagen Löwenberg, Facharzt und Psychotherapeut, arbeitet seit 30 Jahren mit
       trans Menschen zusammen und begrüßt das kommende Gesetz. Derzeit
       beanspruche der Staat noch „die Deutungshoheit darüber, welchem Geschlecht
       wir angehören“, sagt er der taz. Zukünftig sei dies nicht mehr fremd-,
       sondern selbstdefiniert.
       
       Er hofft, dass das Gesetz langfristig zu mehr Akzeptanz gegenüber trans
       Menschen in der Gesellschaft führen wird. Das aus seiner Sicht wichtige
       Signal: dass „jede Person nur selbst beantworten kann, welchem Geschlecht
       sie angehört“.
       
       Der Bundesverband Trans* erklärte, die Eckpunkte „sehen viele wegweisende
       Verbesserungen vor“. Kalle Hümpfer von Trans* erklärte, dass viele
       Betroffene sehnlichst darauf warten würden, dass das
       Selbstbestimmungsgesetz eingeführt wird.
       
       Aktualisiert und korrigiert am 06. Juli um 12:23 Uhr. Der
       Geschlechtseintrag wird im Reisepass geändert, nicht im Personalausweis,
       wie es in einer früheren Version des Textes fälschlich hieß. Wir bitten den
       Fehler zu entschuldigen. d. R.
       
       30 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Shoko Bethke
       
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