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       # taz.de -- Landesparteitag der SPD: Auf der Suche nach der Ausfahrt
       
       > Am Sonntag stellen sich Franziska Giffey und Raed Saleh als
       > SPD-Parteichef*innen zur Wiederwahl. Gestritten wird dann auch um den
       > Weiterbau der A 100.
       
   IMG Bild: Radprotest gegen den Weiterbau der Autobahn 100 in Berlin
       
       Berlin taz | Da ist sie mal wieder, die Debatte [1][über die Verlängerung
       der A 100] – diese ewige Untote der Berliner Politik. Wenn am Sonntag die
       Landes-SPD zum Parteitag zusammenkommt, wird der Streit, ob der Weiterbau
       der Autobahn mitten durch Friedrichshain noch zeitgemäß ist, erneut hohe
       Wellen schlagen. „Das wird heftig diskutiert werden“, ist sich
       Co-Parteichef Raed Saleh sicher, wie er am Donnerstag im Vorgespräch vor
       der Presse bekundet.
       
       Anlass für die Debatte ist der [2][jüngste Vorstoß aus dem FDP-geführten
       Bundesverkehrsministerium], die Planungen für den 17. (und wohl definitiv
       letzten) Bauabschnitt zu starten. Autobahnen sind Bundesangelegenheit und
       die milliardenschwere Finanzierung für diese Strecke käme auch vom Bund.
       
       Doch dass diese [3][Betonorgie durch einen Innenstadtkiez] immer noch nicht
       beerdigt ist, liegt im Wesentlichen an der Berliner SPD, seit 1989
       Dauerregierungspartei der Hauptstadt. Denn klar ist auch: Gegen den Willen
       eines Landes wird und kann der Bund kaum bauen.
       
       Aber die SPD ist in Sachen A 100 gespalten, schon viele Jahre; 2011
       scheiterte ein Koalition mit den Grünen auch an der Autobahnfrage. Und wenn
       am Sonntag ein Antrag aus Friedrichshain-Kreuzberg zur Abstimmung kommt,
       der die Streichung des Projekts aus dem Bundesgesetzbuch fordert, wird sich
       das in aller Deutlichkeit zeigen. „Ich sehe das differenziert“, sagt
       Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin und die zweite
       Co-Parteichefin, am Donnerstag dazu. Und weiter: „Man muss überlegen, was
       die richtige Antwort ist.“
       
       Das Führungsduo der SPD, das sich am Sonntag der Wiederwahl stellen muss,
       spielt auf Zeit. Im rot-grün-roten Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass
       in dieser Legislaturperiode die A 100 nicht weiter geplant wird – ein
       klares Zugeständnis an die Sozialdemokraten, die im Wahlkampf einen
       Weiterbau mit einer Bürgerbefragung verknüpft hatten. Denn Grüne und Linke
       sind gegen das monströse Projekt. Doch Saleh und Giffey halten an der
       Position im Koalitionsvertrag fest, auch wenn die Regierende sich ein
       Tunneln durch FDP-Verkehrsminister Volker Wissing verbeten hat. Man wisse
       ja nicht, so Saleh, wie der Verkehr in 15, 20 Jahren aussehe. Zudem gebe es
       die ungeklärte Frage, wie sich der Verkehr am Ende des derzeit entstehenden
       16. Bauabschnitts an der Elsenbrücke verteilen soll, ergänzt Giffey.
       
       Zugleich versucht das Duo, dem Koalitionspartner den Alleinanspruch auf
       progressive Verkehrspolitik streitig zu machen. Verkehrssicherheit sei
       nicht nur Thema der Grünen, erklärt Saleh. „Auch wir wünschen uns sichere
       und gute Radwege für Berlin.“ Zu visionär darf das aber auch nicht
       aussehen: Der SPD-Chef kritisiert die Vorstellungen der damaligen
       Spitzenkandidatin und heutigen Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne),
       Teile der A 100 zurückzubauen, als „irre“. Die Umgestaltung der
       Friedrichstraße sei gescheitert; hier fehlten Konzepte für das gesamte
       Viertel, ähnlich wie bei Plänen des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, weite
       Teile autofrei zu machen.
       
       So äußert sich also der Charakter als Volkspartei, was die SPD laut Saleh
       wieder sei, nachdem Giffey und er vor zwei Jahren die Führung übernommen
       und aus desolaten Umfragewerten ein beachtliches Wahlergebnis gemacht
       hatten. Und in einer Volkspartei gebe es eben widerstreitende Positionen.
       Am Ende jeder Debatte, so Saleh, müsse es aber „eine Linie geben“. Bei der
       A 100 stellt sich vor allem die Frage, wann die Debatte zu Ende sein wird.
       Vielleicht ja am Sonntag?
       
       Weitere kontroverse Debatten werden beim Parteitag nicht erwartet, da ist
       sich das Führungsduo sicher. Ein Antrag der Jusos, in der
       Enteignungsdebatte und der vom Senat eingesetzten Kommission stärker auf
       eine schnelle Umsetzung zu drängen, sei den Realitäten angepasst worden und
       nun Konsens. Allerdings deutet sich im Bildungsbereich eine
       Auseinandersetzung um den Umgang mit dem Lehrer*innenmangel an.
       
       Gegenkandidat*innen für die Parteiführung sind bisher nicht bekannt.
       Er nehme seine Partei sehr geschlossen und schlagfertig wahr. Partei,
       Fraktion und Senat würden „Politik aus einem Guss machen“, der
       [4][Koalitionsvertrag mit Grünen und Linken lese sich wie das Wahlprogramm
       der SPD], analysiert Saleh – und lobt sich damit natürlich vor allem
       selbst, schließlich ist er zugleich Fraktionschef und damit der starke Mann
       der Landes-SPD. Mal sehen, ob das Ergebnis für Giffey und ihn sich mit
       dieser Einschätzung deckt.
       
       16 Jun 2022
       
       ## LINKS
       
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