# taz.de -- Verpasste Chancen in der Klimapolitik: Was hätten wir uns ersparen können!
> Nostalgie, Wehmut, Wehrwut: Eine 27 Jahre alte Nachrichtensendung löst
> bei unserem Klimaexperten eine Gefühlsklimax aus.
IMG Bild: Ein Globus an einer Decke irgendeiner Konferenz. See you in Stockholm!
Alte Menschen wie ich werden leicht mal nostalgisch. Beim Zappen im
analogen Fernsehen (auch etwas, das nur Senioren tun) landete ich letztens
bei einer „Tagesschau“ von 1995. Die Sprecherin sprach von der ersten
Klimakonferenz, der COP1 in Bonn: Diese seltsame Erderwärmung ließe sich
verhindern, wenn die Emissionen dieses seltsamen Gases Kohlenstoffdioxid
ein bisschen sänken – um ein Prozent pro Jahr.
Mir kamen vor Wehmut und Wehrwut fast die Tränen. Ein Prozent! Aus jetziger
Sicht ist das ein Fliegenschiss. [1][Heute sind jährlich etwa 8 Prozent
CO2-Reduktion nötig, um das Schlimmste zu verhindern]. Dafür braucht es
schon eine Pandemie oder eine schwere Wirtschaftskrise.
Aber hätten wir/Ihr/sie seit 1995 nicht überall Kohlekraftwerke gebaut, die
Wind- und Solarindustrie nicht abgewürgt, die Ökosteuer auf fossile
Brennstoffe konsequent langsam weiter erhöht, neue Häuser und Maschinen
effizient gebaut, statt Monster-SUVs nur Halbmonster-Trucks, wieder den
Sonntagsbraten statt des Werktagsschnitzels eingeführt und nicht ein
Wirtschaftsmodell heiliggesprochen, bei dem wir ALLES SOFORT und ÜBERALL
haben müssen – wir könnten uns diesen ganzen Quatsch mit Sommerpakten,
Klimagesetzen und Sofortprogrammen sparen.
Und vor allem diesen UNsinn der UN-Klimakonferenzen, denke ich, als ich
auf einer weiteren dieser Veranstaltungen in Bonn herumtaumele. Gerade ist
neben mir eine Kollegin vor Übermüdung eingenickt, gerade erzählt mir ein
Delegierter, er habe tatsächlich eine Woche lang ergebnislos über drei
Sätze verhandelt.
## Konsumismus mit umgekehrten Vorzeichen
Die Konferenz ging am Donnerstag zu Ende, mit den üblichen
Nanofortschritten bei Schadenersatz, der Anpassung an den Klimawandel und
Finanzierung. Aber das meiste wurde wieder mal auf die nächste Konferenz
verschoben. See you in Egypt.
All das hätten wir uns mit ein bisschen ernsthafter Zukunftsplanung, ein
bisschen Widerstand gegen die fossile Versuchung und ein bisschen Mut zu
unpopulären Entscheidungen erspart. Und wir müssten nicht für die letzte
Hoffnung auf eine Zukunft mit halbwegs erträglicher Klimakrise die
Strategie der Gegner übernehmen: Nämlich den eigentlich schwachsinnigen
Grundsatz des totalen Konsums auf die Klimapolitik übertragen. Das fällt
mir auf, als mir ein Wissenschaftler auf der Konferenz die neuesten
Tabellen der weltweiten Emissionskurven zeigt. Die Konsequenz ist klar:
Wenn hier noch was zu retten sein soll, brauchen wir im Klimaschutz ALLES,
SOFORT und ÜBERALL.
18 Jun 2022
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## AUTOREN
DIR Bernhard Pötter
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