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       # taz.de -- Bündnis in Brandenburg: 25 Jahre Kampf gegen Nazis
       
       > Brandenburgs Aktionsbündnis gegen rechts feiert am Freitag Jubiläum. Es
       > ist viel breiter aufgestellt als vergleichbare deutsche Initiativen.
       
   IMG Bild: Den Nazis die Räume nehmen: Protest gegen rechten Aufmarsch in Cottbus 2015
       
       Potsdam epd | Ein 19-Jähriger versucht, eine Türkin zu überfahren. Der
       Brite [1][Noel Martin überlebt einen Neonazi-Angriff nur knapp] und bleibt
       bis zu seinem Tod 2020 querschnittsgelähmt. Der Italiener Orazio Giamblanco
       trägt bei einem rechtsextremen Überfall südlich von Berlin schwerste
       Verletzungen davon. Der Punk Sven Beuter stirbt nach einem Neonazi-Angriff
       in Brandenburg an der Havel.
       
       Die Verbrechen aus dem Jahr 1996 sind nur ein Ausschnitt der Gewaltwelle,
       die in Brandenburg nach der Wiedervereinigung begann und schließlich
       Politik und Zivilgesellschaft zum Handeln brachte: Am 22. Mai 1997 wurde
       das märkische Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und
       Fremdenfeindlichkeit [2][gegründet]. Mit 29 Mitgliedern ging das Bündnis an
       den Start, inzwischen sind es fast 90, darunter Vereine aus allen Teilen
       Brandenburgs. An diesem Freitag wird in Potsdam das 25-jährige Bestehen
       gefeiert.
       
       Entscheidend für die Gründung war nach Angaben der Geschäftsstelle das
       Eingeständnis des damaligen märkischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe
       (SPD), die Gefahren des Rechtsextremismus zunächst falsch eingeschätzt zu
       haben. 1991 hatte Stolpe Hakenkreuzschmierereien weder als Ausdruck von
       Rechtsextremismus noch von Ausländerfeindlichkeit sehen wollen. „Ich wollte
       es einfach nicht wahrhaben“, hat er später dazu gesagt.
       
       Zwar wurde auf Initiative von Brandenburgs damaliger Ausländerbeauftragten,
       der evangelischen Theologin Almuth Berger, bereits 1992 ein Beratungsteam
       gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen. Die Gewalttaten wurden dennoch
       weiter lange mit den Erschütterungen durch das Ende der DDR und die
       deutsche Wiedervereinigung erklärt und als vorübergehendes Phänomen
       angesehen.
       
       Nach mehreren schweren Gewalttaten mit rechtsextremem und rassistischem
       Hintergrund ergriff Almuth Berger 1996 erneut die Initiative zu
       Gegenmaßnahmen. Und Brandenburgs damaliger Generalstaatsanwalt Erardo
       Rautenberg forderte neben staatlichen Repressionen ein breites
       gesellschaftliches Bündnis gegen rechte Gewalt, das vom streng
       konservativen bis zum autonomen Spektrum reichen sollte.
       
       ## Endlich Unterstützung vom SPD-Ministerpräsidenten
       
       Schließlich rief Stolpe dazu auf, ein großes Bündnis zu schaffen. Der
       Deutsche Gewerkschaftsbund, der Deutsche Richterbund, die evangelische
       Kirche und das katholische Erzbistum, mehrere weitere Verbände und
       Ministerien gehörten zu den ersten Mitgliedern. „Wir wollen den Tätern und
       geistigen Vorbildern zeigen, dass sie in Brandenburg keine schweigende
       Mehrheit finden“, betonte Stolpe bei der Gründung. Und die Arbeit begann.
       
       Seitdem sei es gelungen, große Teile der Zivilgesellschaft in Brandenburg
       landesweit gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu vernetzen, sagt die
       Leiterin der Potsdamer Geschäftsstelle, Frauke Büttner. Das Aktionsbündnis,
       dessen Vorstände seit der Gründung aus der evangelischen Kirche kommen,
       habe es geschafft, „Öffentlichkeit, Politik, Verwaltung, Polizei und Justiz
       gegenüber der Gefahr des Rechtsextremismus zu sensibilisieren und die
       Notwendigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements deutlich zu machen“.
       
       Bundesweit gilt das Bündnis weiter als etwas Besonderes. Zwar gebe es in
       anderen Bundesländern ebenfalls Zusammenschlüsse der Zivilgesellschaft
       gegen Rechtsextremismus, sagt Thomas Prenzel von der
       Bündnis-Geschäftsstelle: „Diese sind jedoch nicht [3][vergleichbar breit
       aufgestellt].“ Zudem fehle dort eine vergleichbare politische und
       finanzielle Unterstützung durch die jeweiligen Länder.
       
       ## Immer neue Formen von Rechtsextremismus
       
       Das Bündnis werde sich immer auch mit neuen Erscheinungsformen der extremen
       Rechten auseinandersetzen, sagt Prenzel. Ein Beispiel dafür sei die
       antidemokratische Propaganda bei den Demonstrationen gegen die
       Corona-Schutzmaßnahmen. Eine große Herausforderung bleibe zudem das weiter
       fehlende Problembewusstsein gegenüber Rechtsextremismus bei vielen Menschen
       im Land. Dessen Gefährlichkeit werde oft nicht gesehen, sagt Prenzel und
       betont: „Das Aktionsbündnis wird nicht verschwinden, solange es
       Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gibt.“
       
       17 Jun 2022
       
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