# taz.de -- Norwegens EM-Star: Total reizend
> Ada Hegerberg schreckt nicht davor zurück, sich mit ihren Teamkolleginnen
> anzulegen, wenn es um Equal Pay geht. Sie ist zurück und steht im Fokus.
IMG Bild: Perfekte Schusstechnik: Ada Hegerberg wird von ihren Mitspielerinnen beäugt
Natürlich werden alle Augen auf sie gerichtet sein, wenn Norwegen [1][zum
EM-Auftakt gegen das Amateurteam aus Nordirland] den Rasen betritt. Das oft
bemühte Wort „Ikone“ ist nicht zu hoch gegriffen, wenn Ada Hegerberg im
Nationaltrikot auf die große Bühne zurückkehrt. Sie ist ein sportliches und
politisches Phänomen. Mit 16 Jahren Torschützenkönigin in der ersten
norwegischen Liga, zigfache Champions-League-Siegerin mit Lyon, zwischen
2014 und 2019 in allen Wettbewerben mit einem unglaublichen Schnitt von
über einem Tor pro Spiel. Auch wenn dieser Schnitt nach ihrer
Langzeitverletzung noch nicht wieder derselbe ist.
Präzise, taktisch klug, klinisch effizient, mit monströsem Siegeswillen und
genug Selbstbewusstsein für zwei. Eine, die unironisch den norwegischen
Abenteurer Roald Amundsen als ihr Vorbild nennt – und Spitzenklasse mit
einem ungewöhnlichen, fast halsbrecherischen Idealismus verbindet. Mit nur
21 Jahren hatte sich Hegerberg entschieden, das norwegische Nationalteam
wegen fehlender Gleichberechtigung zu boykottieren. Im Alleingang und gegen
wüste Beschimpfungen in der Heimat. Fünf Jahre später kehrt sie zurück zu
einem Verband, der nun Equal Pay hat, laut Hegerberg einen Kulturwandel und
ihre Verbündete Lise Klaveness an der Spitze. Und jetzt?
Für Norwegens Nationalteam, besetzt immerhin mit einer Weltklassespielerin
wie Caroline Graham Hansen und erfolgreichen Legionärinnen von Chelseas
Guro Reiten und Maren Mjelde bis zu Nachwuchstalenten wie Julie Blakstad
(Manchester City), ist der Hegerberg-Hype Fluch und Segen zugleich. In den
Boykottjahren konnten sie leisten, was sie wollten, trotzdem schrieb alle
Welt nur über Hegerberg. Das birgt Frustpotenzial. Seit sie
zurückgekehrt ist, schreibt erst recht alle Welt über Hegerberg.
[2][Norwegen läuft Gefahr, ein FC Hegerberg zu sein]. Verstärkt wird das
dadurch, dass viele Medien beim Frauenfußball den Fokus auf wenige Einzelne
legen, auf diejenigen halt, die sie mit überschaubarem Fachwissen kennen.
Stürmerinnen zumeist. Gleichzeitig ermöglicht der Hype es anderen
Spielerinnen, in Hegerbergs Windschatten ruhig zu spielen. In ihrer
Abwesenheit hat Norwegen sich verbessert, erreichte ohne sie bei der WM
2019 das Viertelfinale. Nun steht Martin Sjögren vor der Aufgabe, den
Superstar und das Team zusammenzubringen.
## Kompromissloses Vorgehen
Im Gegensatz zu den US-Amerikanerinnen hatten Hegerbergs Teamkolleginnen
offenbar wenig Interesse an Protest. Auf die Frage des TV-Senders ESPN,
warum sie als Individuum und nicht mit der kompletten Mannschaft
protestierte, lehnte Hegerberg einst eine Antwort ab und äußerte
diplomatisch, es sei schwer, ein solches Risiko von anderen einzufordern.
Caroline Graham Hansen stimmte ihr zwar zu („Es ist richtig, der Verband
könnte deutlich mehr für uns tun“), erklärte aber gleichzeitig, sie selbst
würde dem Nationalteam nie den Rücken kehren.
Und überliefert ist zumindest, dass Graham Hansen und Hegerberg nach deren
Boykott eine Weile nicht miteinander redeten und Hegerberg angeblich eine
Reihe von Teamkolleginnen bei Facebook entfreundete. All das reichte, um
sie medial als Egoistin und Solistin darzustellen. Wie viel Mut und Größe
es von einer 21-Jährigen erforderte, ohne Rückhalt des Teams einen Verband
zu konfrontieren, unter hohem Risiko für die persönliche Karriere, wurde in
der Heimat selten ausreichend wertgeschätzt.
Eine Wurzel der Bedingungslosigkeit dürfte in ihrer feministischen
Erziehung liegen. Hegerbergs Mutter, die ehemalige Spitzenfußballerin Gerd
Stolsmo, sagte gegenüber dem norwegischen Magazin Josimar ein wenig
pathetisch: „Wir wollen Fackelträgerinnen sein für die, die nach uns
kommen.“ Hegerberg selbst erinnert sich, wie ihre Eltern sie und ihre
Schwester als Teenagerinnen bis zur tränenreichen Erschöpfung trainieren
ließen, um zu spüren, wo die eigenen Grenzen sind.
„Es klingt brutal, aber je komfortabler du in solchen Situationen bist,
desto besser.“ Die gewisse Rücksichtslosigkeit gegenüber Grenzen, auch
solchen des Verbands, dürfte geholfen haben. Ada Hegerberg hat sehr präzise
benannt, welch sexistische Kultur im vorgeblich so progressiven
norwegischen Verband herrschte.
Der Los Angeles Times sagte Hegerberg in Bezug auf ihre Karriereziele: „Ich
hoffe wirklich, dass ich alles getan habe, damit mein Sport wertgeschätzt,
respektiert und in einem besseren Zustand ist als zu der Zeit, als ich kam.
Es geht um viel mehr als mich.“ Ob Letzteres auch für den Blick aufs
norwegische Nationalteam gilt, bleibt abzuwarten.
7 Jul 2022
## LINKS
DIR [1] https://de.uefa.com/womenseuro/
DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ada_Hegerberg
## AUTOREN
DIR Alina Schwermer
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