# taz.de -- Umbenennung vom Henri-Nannen-Preis: Weder Ruhm noch Ehre alter Köppe
> Wegen Henri Nannens NS-Vergangenheit wurde der Nannen-Preis umbenannt.
> Jetzt heißt er Stern-Preis. Dabei könnte man das Magazin auch umbenennen.
IMG Bild: Der Henri-Nannen-Preis wurde erstmals unter dem neuen Namen „STERN Preis“ verliehen
Heilig’s Blechle! Da haben sie ja was Schönes bei [1][GruneRTL + Jahr]
angerichtet. Der Nannen-Preis heißt dieses Jahr nicht Nannen-, sondern
Stern-Preis. Weil Henri Nannen ja Chefredakteur und Herausgeber beim Stern
und im Krieg bei einer SS-Propagandakompanie war. Doch auch mit dem Namen
„Stern“ ist das so eine ganz eigene Sache. Denn er steht unter keinem
guten.
Zum einen gab es einen Stern schließlich schon einmal, ab September 1938.
Als vordergründig unpolitische Unterhaltungsillustrierte suggerierte er
fröhliche Normalität auf dem Weg in Krieg und Shoah. Kostprobe von der
grausig reimenden [2][Titelseite der ersten Ausgabe kurz vor dem
Novemberpogrom] gefällig?
„Frohsinn und Freude
in buntem Gewimmel,
wie ihr es gern erblickt.
Die lächelnden Sterne vom Flimmerhimmel,
hier sind sie euch nahegerückt!
Jede Woche die Sterne
Vereinigt im,Stern'.
Schau ihn dir an!
Schon hast du ihn gern!“
Und hieß Nannens Propagandaeinheit nicht Südstern? So gesehen ist die ja
nur temporär gemeinte Umbenennung des Nannen-Preises in Stern-Preis ein
Schuss ins Knie des Journalismus. Zumal all dies leicht zu vermeiden
gewesen wäre. Warum musste G + J überhaupt 2005 den wunderbaren
Egon-Erwin-Kisch-Preis zum Nannen-Preis aufblähen?
Nun handelt es sich hier um kurzfristiges Reagieren auf [3][recycelte
Empörungen]. Die Vorwürfe gegen Nannen und die hier konkret in Frage
stehenden, von ihm verantworteten NS-Propaganda-Flugblätter sind ja keine
Neuentdeckung. 1999 widmet Hermann Schreiber in seiner Nannen-Biografie dem
Südstern ein ganzes Kapitel. 2010 greift die Süddeutsche die Sache auf, in
beiden Fällen inklusive Beschreibung der Flugblätter.
## Auch über den Stern-Preis lässt sich streiten
Jetzt zeigt sie auch der aktuelle Stern noch mal und fragt auf immerhin
sechs Seiten „Wer war Henri Nannen?“ Neues gibt es aber nicht. G + J will
außerdem ein Gremium benennen, das „über die künftige Verwendung des Namens
für den Preis und die Henri-Nannen-Schule beratend tätig sein wird“, wie
Stern-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz mild verschwurbelt im Editorial
schreibt. „Gern kann ich schnell mal eine Argumentation empfehlen“, ruft
die Mitbewohnerin vom Balkon. „Sterne als solche sind ja neutral und
eigentlich auch recht positiv besetzt. Denk nur mal an all die Tattoos oder
Likes. Es braucht sowieso bei Preisvergaben weder Ruhm noch Ehre alter
Köppe.“
Nach rund 80 Jahren fallen Urteile anders aus, vielleicht auch härter.
Nein, so ’n alter Kopp wie er würde heute nicht mehr als „unbelastet“
durchgehen, wie es bei Nannens Entnazifizierung Ende der 1940er Jahre der
Fall war. Wer das konsequent zu Ende denkt, müsste bei der
Vorkriegsgeschichte allerdings auch gleich die Umbenennung des Stern
fordern.
26 Jun 2022
## LINKS
DIR [1] /Abschied-von-Gruner--Jahr/!5827323
DIR [2] https://www.altezeitschriften.de/der-stern/372-der-stern-nr1-20-september-1938-erstausgabe-.html
DIR [3] /Diskussion-um-Henri-Nannen/!5855876
## AUTOREN
DIR Steffen Grimberg
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