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       # taz.de -- Parteitag der Linken: Die Linke fürchtet radikalen Zweifel
       
       > Um den inneren Frieden zu wahren, scheut die Partei schwierige Fragen.
       > Das ist unentschlossen und feige. Notwendig wäre ein linker Robert
       > Habeck.
       
   IMG Bild: Wollen sich an heißen Themen nicht die Finger verbrennen: Martin Schirdewan und Janine Wissler
       
       Auf dem [1][Parteitag der Linken] war sehr oft und laut zu hören, dass man
       solidarisch mit der Ukraine sei. Noch lauter und noch öfter war zu hören,
       dass man auf keinen Fall Waffen an die Ukraine liefern will. Denn
       [2][Waffenexporte] sind böse, so wie Nato oder Geld für die Bundeswehr.
       Zwischen der wohlfeilen, weil folgenlosen Solidaritätsbekundung und dem
       Nein zu Waffenlieferungen klafft ein moralischer und intellektueller
       Abgrund, den die Partei entschlossen ignoriert.
       
       Denn de facto bleiben der Ukraine, wenn es nach der Linkspartei geht, nur
       Kapitulation und die Unterwerfung vor der russischen Aggression. Nur Wulf
       Gallert fragte selbstkritisch, ob man nicht viel zu lange blind für den
       russischen Imperialismus war und mit der dröhnenden Selbstbeweihräucherung,
       die einzige Friedenspartei zu sein, nicht Wählerinnen vertreibt. Gallert
       fiel bei der Kür der Vizeparteichefs durch.
       
       Die Linkspartei glaubt innig an die Kraft der Worte und ringt hart um jedes
       Komma in Parteitagsbeschlüssen. Dass sie sprachlos einfach die
       offensichtlichen eigenen Widersprüche übergeht, ist ein Desaster. Ja, es
       stimmt: Wagenknechts unverhülltes Putin-Appeasement ist auf dem Parteitag
       sang- und klanglos untergegangen.
       
       Auch einen Antrag, in dem der russische Überfall als rhetorischer Kniff
       benutzt wurde, um die übliche, längliche Verdammung des Nato-Imperialismus
       zu beschwören, unterstützte nur ein Drittel der GenossInnen. Das ist für
       das [3][neue Führungsduo Janine Wissler und Martin Schirdewan] eine gute
       Nachricht. Denn sonst wäre ihr Versuch, ein handlungsfähiges Machtzentrum
       zu bilden, gleich am ersten Tag zu Bruch gegangen. Die innere
       Konsensbildung in der Partei funktioniert also einigermaßen.
       
       Aber – mehr auch nicht. Die Linkspartei ist entschlossen, den [4][Schock
       des 24. Februar] von sich fernzuhalten Die komplizierte Frage lautet: Lässt
       sich die antimilitaristische Tradition der Partei mit einer
       realitätstauglichen und nicht bloß deklamatorischen Haltung zum russischen
       Angriffskrieg verbinden? Welche Teile dieser Tradition sind bewahrenswert,
       welche gehören auf den Müllhaufen der Geschichte?
       
       Dafür müsste die Linkspartei zulassen, was sie fürchtet: radikalen Zweifel.
       Sie bräuchte jemanden wie Robert Habeck, eine Figur, die es versteht
       Überzeugungen und die Zumutungen der Wirklichkeit zu verbinden. Doch die
       GenossInnen scheuen diese Konfrontation und fliehen in heimelige, alte
       Gewissheiten. Das mag den innerparteilichen Frieden bewahren. Der
       Gesellschaft hat eine intellektuell derart feige Partei nichts mehr
       mitzuteilen.
       
       26 Jun 2022
       
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   DIR Stefan Reinecke
       
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