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       # taz.de -- Lawrow, Atomkraft und Ferda Ataman: Lasst uns fröhliche Kartoffeln sein!
       
       > Bald fordert Kiew die Lieferung schwerer Pranks an die Ukraine. Die
       > Deutschen fürchten derweil den garstigen Gaswinter. Außerdem: Kraut,
       > Spaghetti und Kartoffeln.
       
   IMG Bild: Neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Ferda Ataman
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Andrij Melnyk geht.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Seiner Nachfolge gegenüber erhöhte Interviewbereitschaft.
       
       [1][Boris Johnson ist als Parteichef und Premierminister zurückgetreten].
       Was wird von seinem Politikstil bleiben? 
       
       Der Brexit getting done von einem, der kurz vorher noch dagegen war. Schon
       seit Trump herrscht Uneinigkeit, was der Typ Gruselclown Pennywise in der
       Politik zu suchen hat; die wird anhalten.
       
       [2][Atomkraft und Gas deklarierte das EU-Parlament als nachhaltig]. Ist das
       eher klima- oder investorenfreundlich? 
       
       Wer in Atom oder Gas investiert, wird von dieser neuen Taxonomie belohnt –
       auch wenn Österreich und Luxemburg noch ohne große Aussicht dagegen klagen
       wollen. Beim Gas sind die Folgeschäden mittelbar: mehr CO2. Beim Atom
       endet, wissenschaftlich betrachtet, die Zuständigkeit einzelner Nationen:
       Ein möglicher Unfall zöge in Europa immer Schäden in anderen Nationen nach
       sich. Ein trauriger Moment, da gerade auch glühende beziehungsweise eben
       noch nicht glühende Europäer denken: Einmal wäre ein Vetorecht doch gut
       gewesen.
       
       Die russischen Komiker, die hinter dem Klitschko-Fake stecken, räumten ein,
       über Rutube finanziert zu werden, ein Tochterunternehmen von Gazprom. Ist
       mit solchen Scherzen nach der geplanten Wartung der Ostsee-Gaspipeline Nord
       Stream Ende Juli Schluss? 
       
       Die „Tagesschau“ bemüht das „Nato-Exzellenzzentrum für Strategische
       Kommunikation“ zur kriegswichtigen Witzanalyse. Bald wird Kiew die
       Lieferung schwerer Pranks an die Ukraine fordern und Olaf Scholz für die
       „heute-show“ antworten, man sei gerade in Sommerpause und brauche die
       Kracher im Rahmen der Bündnisbespaßung selber. Allerdings könnte ein
       Kontingent älterer Häschen- und Friesenwitze über Polen verlegt werden. Man
       könnte den drittklassigen Punkt für die russische Propaganda auch einfach
       wegatmen. Und sich heiter-melancholisch besinnen, wie man vergleichbare
       Mittel dufte fand, solange „mit nachrichtendienstlichen Mitteln“ ein
       Rechtsextremist aus der österreichischen Regierung gescherzt wurde. 
       
       Die Ampel verabschiedet sich in die Sommerpause und hinterlässt den
       Deutschen ein 30 Milliarden Euro schweres Entlastungspaket. Können wir
       damit alle mal die Sonne genießen? 
       
       Die Regierung hat einen Eimer bunter Smarties über uns ausgeschüttet und
       kann im Herbst gucken, was Wirkstoff und was Placebo war: Das 9-Euro-Ticket
       funktioniert, die Spritsteuer ist ein teurer Witz; wer einen Job hat, spart
       an der Energiepauschale mehr als Arbeitslose an einer kargen Einmalzahlung.
       Schon dräuen düstere Ahnungen von neuerlichem Coronaherbst und garstigem
       Gaswinter.
       
       Die [3][Fußball EM der Frauen] ist eröffnet worden, und die
       Zuschauer*innenzahlen wachsen stetig. Wann wird Frauenfußball einfach
       Fußball heißen dürfen? 
       
       Easy. Wenn wir uns ans Sprachschlagloch „Frauschaft“ gewöhnt haben.
       
       [4][Die Politologin und Publizistin Ferda Ataman wurde zur
       Antidiskriminierungsbeauftragten der Bundesregierung gewählt]. Die
       Personalie wurde kontrovers diskutiert. Dürfte man Sie [5][als Kartoffel
       bezeichnen]? 
       
       Ich bitte darum. Etymologisch adelt uns das zu Verwandten des Trüffels –
       tartuffulo. Und historisch ist es wohl verdiente Rache italienischer
       Zuwanderer für die „Spaghettifresser“-Schmähungen in den 60er Jahren. Arme
       Siedler aßen Kohl, und Matrosen bunkerten Sauerkraut gegen den Skorbut. So
       entstand der Kosename „Kraut“. Der Spott über eine Volksgruppe –
       „Ethnophaulismus“ wurde mit trotzigem Humor zum „Geusenwort“, zum Trotzwort
       erhoben. Wie „schwul“ oder „Pirat“ oder eben auch „Kanak“. Lasst uns
       fröhliche Kartoffeln sein.
       
       Der russische Außenminister Lawrow verließ den G20-Gipfel vorzeitig und
       flog zurück nach Moskau. Hätte er gleich zu Hause bleiben sollen? 
       
       Die Choreo war, dass Lawrow als 18. Redner austeilt und Baerbock als 19.
       ihn dafür abstraft. Das ging so schön schief, dass man nun die Choreo
       anstelle der Choreo bestaunen darf: Russland hat die gewünschte Opferrolle,
       der Westen mal wieder kaum noch aushaltbar recht. Gesagt wurde trotzdem von
       allen alles, G20 wurde ein weiteres Symbol der Unverhandelbarkeit und nicht
       das erste für Hoffnung.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Nachdem Bild alarmierte, Einbrecher spionierten mit Drohnen die Häuser von
       BVB-Spielern am Phoenixsee aus, wissen jetzt wirklich alle, wo die wohnen.
       
       Fragen: Sean-Elias Ansa
       
       10 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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