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       # taz.de -- Kinder sterben bei Anschlag: Der Terror erreicht Togo
       
       > Explosionen töten neun Kinder in einem togolesischen Dorf nahe der Grenze
       > zu Burkina Faso. In der Region herrscht bereits Ausnahmezustand.
       
   IMG Bild: Schülerinnen in Nord-Togo nahe der Grenze zu Burkina Faso im Februar 2020
       
       Berlin taz | Auf den ersten Blick erinnern die Bilder an das Grauen von
       Butscha in der Ukraine: Fahrräder auf der Straße, daneben Leichen. Die
       Szene ist aber eine ganz andere, nämlich ein einfaches Hüttendorf tief in
       der Savanne des äußersten Nordens von Togo, wo in der Nacht zum Sonntag
       mutmaßliche islamistische Terroristen zugeschlagen und ihre ersten zivilen
       Opfer in diesem westafrikanischen Land gefordert haben.
       
       Neun Kinder starben durch den Angriff im Dorf Marba, das zur Gemeinde
       Natigou nahe Togos Grenze zu Burkina Faso gehört. Im lokalen Radiosender
       „Radio Communautaire des Savanes“ [1][berichten schockierte Bewohner,] was
       sich zutrug: Erst gab es eine Explosion nahe einer Grundschule, die keine
       Opfer forderte; rund zwanzig Minuten später gab es eine zweite, tödliche,
       einige Hundert Meter entfernt.
       
       Diese Explosion traf eine Gruppe von Kindern, die vom muslimischen
       Tabaski-Fest – außerhalb Afrikas Aid al-Adha genannt – per Fahrrad auf dem
       Heimweg waren. Sieben waren sofort tot, zwei starben später. Sie waren
       zwischen 14 und 16 Jahre alt. Es war etwa 1 Uhr 10 in der Nacht, erzählen
       die Dorfbewohner.
       
       „Es war eine so intensive Explosion am Himmel, als ob der Ort bombardiert
       würde“, sagt der alte Dorfvorsteher in dem Radiobericht. Die Aussagen über
       den Anschlag gehen im Detail tatsächlich auseinander: Manche sprechen von
       einem Luftangriff, gefolgt von einer Sprengstoffexplosion; andere sind sich
       sicher, dass Schüsse fielen. Die offiziellen Mitteilungen über den Vorfall
       nennen keine Täter.
       
       In den kleinen runden Lehmhütten traditionellen Stils sind auf den
       Videoaufnahmen des Radiosenders Explosionsspuren zu sehen. In anderen
       Berichten ist sogar von einem möglichen Drohnenangriff die Rede, was auf
       einen fehlgeschlagenen Schlag der Armee gegen mutmaßliche Terroristen
       hindeuten würde – eine Spekulation, die sehr oft die Runde macht, wenn
       Dörfer in der afrikanischen Sahelzone ohne ersichtlichen Anlass Zielscheibe
       eines bewaffneten Angriffs werden.
       
       Dass der islamistische Terror, der [2][die Sahelstaaten Mali, Niger und
       Burkina Faso im Griff] hält, sich nach Süden in die westafrikanischen
       Küstenstaaten ausweitet, ist schon länger eine Befürchtung von
       Sicherheitsexperten. Seit 2017 arbeiten die Behörden von Benin, Burkina
       Faso, Elfenbeinküste, Ghana und Togo daher gegen den Terror zusammen.
       [3][In Benin] hat es schon eine Reihe von Anschlägen gegeben.
       
       In Togo kam es im November 2021 zu einem ersten Überfall durch aus Burkina
       Faso eingedrungene islamistische Kämpfer auf das Dorf Sanloanga, der noch
       ohne Opfer abgewehrt wurde. In der Nacht zum 11. Mai 2022 starben bei einem
       Angriff von rund 60 Bewaffneten auf Motorrädern auf den grenznahen
       Militärposten Kpinkankandi, zu dem sich die islamistische „Gruppe für die
       Unterstützung des Islams und der Muslime“ (JNIM) bekannte, acht Soldaten.
       
       Bei Gegenschlägen der Armee seien 15 „Angreifer“ getötet worden, meldete
       die Regierung am 18. Mai – Beweise legte sie nicht vor, sondern sagte, die
       Toten seien alle von ihren Kameraden nach Burkina Faso gebracht worden.
       
       Togo ist traditionell einer der autoritärsten Staaten Westafrikas; offene
       Kommunikation pflegen die Behörden nicht. Das nährt auch das Misstrauen der
       Bevölkerung über das, was am Wochenende in Natigou geschehen ist, zumal die
       getöteten Kinder alle sofort von Soldaten eingesammelt worden sein sollen.
       
       Seit 13. Juni gilt in Togos Norden der Ausnahmezustand für eine Dauer von
       zunächst drei Monaten. Nun sind nächtliche Ausgangssperren zu erwarten.
       
       11 Jul 2022
       
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   DIR [2] /Viele-Tote-bei-Terrorangriffen-in-Mali/!5859754
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