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       # taz.de -- Massenproteste in Sri Lanka: Wo ist der Präsident?
       
       > Sri Lankas Staatschef Rajapaksa soll planen, sich nach Dubai abzusetzen.
       > Seine Flucht würde einen politischen Neustart ermöglichen.
       
   IMG Bild: Hier ist er noch da: Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa beim Unabhängigkeitstag am 4. Februar
       
       Mumbai taz | Nach dem turbulenten Wochenende in Sri Lanka geht die neue
       Woche genauso weiter. Auch am Montag gab es in Colombo friedliche
       Versammlungen im und um das Präsidialbüro sowie im Präsidentenpalast. Beide
       sind seit Samstag von der Bevölkerung besetzt. Die Demonstrierenden wollen
       nicht weichen, bis ihre Forderung nach Rücktritt von Präsident Gotabaya
       Rajapaksa tatsächlich umgesetzt wird.
       
       Am Wochenende war die Skepsis groß, ob der gewiefte Ex-Militär Rajapaksa
       wirklich seine Macht am Mittwoch abgeben werde, wie er während des
       Massenprotestes verkünden ließ, oder einen Militärputsch ausheckt. Seit
       Montagabend kursieren Gerüchte, dass Rajapaksa geflohen sei. Sein
       Aufenthaltsort ist unbekannt. Mehrere lokale Medien spekulierten, dass
       Rajapaksa noch am Montag nach Dubai aufbrechen werde. Er soll zu einem
       Luftwaffenstützpunkt in der Nähe des wichtigsten internationalen Flughafens
       Sri Lankas geflogen sein, sagten Beamte der Nachrichtenagentur AFP.
       
       So wird immer wahrscheinlicher, dass Sri Lanka eine Übergangsregierung ohne
       Mitglieder dieser einflussreichen singhalesischen Familie bekommen könnte.
       Im Mai hatte der bedrängte Rajapaksa noch auf eine Notlösung spekuliert,
       indem bloß sein älterer Bruder Mahinda Rajapaksa als Premierminister
       abtrat.
       
       Allerdings war das der Bevölkerung nicht genug für einen Neustart. Zu groß
       ist die Enttäuschung über die verfehlte Wirtschaftspolitik, die harte Hand
       des Staates gegenüber der Bevölkerung und die Vetternwirtschaft. Dass
       Demonstranten umgerechnet 50.000 Euro Bargeld in der Residenz des
       Präsidenten entdeckten, bestätigt vielen, dass sie es mit einem korrupten
       Mann zu tun haben.
       
       Gemäß der Verfassung würde nach dem Rücktritt des Präsidenten der Premier
       nachrücken: Ranil Wickremesinghe. Mehrere Abgeordnete forderten den
       UNPP-Politiker bereits auf, die Präsidentschaft zu übernehmen, da es mit
       dem Internationalen Währungsfonds (IWF) noch keine Einigung über ein
       Rettungspaket gibt, heißt es in einem Zeitungsbericht.
       
       Doch auch Oppositionsführer Sajith Premadasa (SJB) und Dullas Alahapperuma
       (SLPP), der Minister unter Rajapaksa war, werden als Kandidaten gehandelt.
       Es fehlt Premier Wickremesinghe an Rückhalt in der Bevölkerung. Seine
       private Residenz brannte am Wochenende und auch er bot seinen Rücktritt an.
       
       Die Protestbewegung droht mit landesweiten Streiks ab Donnerstag, sollten
       Präsident und Premierminister bis dahin ihre Ämter nicht niedergelegt
       haben. Wenn sowohl der Staatschef als auch der Regierungschef zurücktreten,
       übernimmt laut Verfassung der Parlamentspräsident die Amtsgeschäfte des
       Präsidenten kommissarisch. Das Parlament muss dann binnen dreißig Tagen
       einen neuen Präsidenten wählen.
       
       Inzwischen wurde entschieden, das Parlament am Freitag einzuberufen. Die
       Nominierungen für das Amt des Präsidenten sollen am 19. Juli
       entgegengenommen werden, die Abstimmung ist tags darauf vorgesehen.
       
       Zu der politischen und wirtschaftlichen Krise in Sri Lanka kommt eine
       verfassungsrechtliche, nämlich der Machtausbau des Rajapaksa-Clans in hohen
       politischen Ämtern. Gewerkschafter:innen und Aktivist:innen wie
       Prasad Welikumbura, die an den Protesten gegen die Regierung Rajapaksa
       teilgenommen haben, fordern deshalb eine unabhängige Kraft, während eine
       neue Regierung gebildet wird.
       
       Noch vor März 2023 sollen in Sri Lanka Wahlen stattfinden. „Es hat keinen
       Sinn, ohne angemessene Wahlreformen Wahlen abzuhalten“, erklärt Prasad
       Welikumbura der taz. Fehler aus der Vergangenheit könnten sich dann nur
       wiederholen. Für Welikumbura steht fest, Rajapaksa ist noch nicht endgültig
       weg. „Er wird mit allen Tricks versuchen, an der Macht zu bleiben“, sorgt
       er sich.
       
       11 Jul 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Natalie Mayroth
       
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