# taz.de -- Die Wahrheit: Willkommen im Frauentags-Klub
> Jetzt hat auch Mecklenburg-Vorpommern einen Feiertag mehr. Aber ist sich
> das Bundesland der besonderen Wahrnehmung der tapferen Tat überhaupt
> bewusst?
Mecklenburg-Vorpommern hat gerade beschlossen, den Frauentag als
offiziellen Feiertag einzuführen. Zum Ausgleich für die vielen freien Tage
in christlichen Landstrichen. Da hatten die Heiden bislang nichts zu lachen
– und erst recht nichts zu feiern. Wir in Berlin haben das schon vor drei
Jahren gemacht, und ich muss sagen: Hat sich bewährt.
Erst wurde debattiert, religiöse Ersatzfeiertage einzuführen. Was
Muslimisches vielleicht. Oder den Reformationstag. Ein Vorschlag, der sich
Allah und Gott sei Dank nicht durchsetzen konnte. Denn das Ziel muss zwar
große Toleranz, aber noch größere Säkularisierung sein. Bloß nicht noch
mehr religiöser Quatsch! Zumal am Ende ohnehin niemand weiß, wofür der gut
sein soll.
„Was wird an Christi Himmelfahrt gefeiert?“, wollte der Sohn neulich
wissen. „Weiß ich nicht“, gab ich zu. „Aber du bist doch katholisch?“,
legte er den Finger in die Wunde. „Ich bin katholisch aufgewachsen, das ist
was anderes. Aber wahrscheinlich ist da Christus gen Himmel gefahren.“ –
„War das nicht Ostern?“ – „Nee“, griff ich tief auf mein biblisches Wissen
zurück, „da ist er wiederauferstanden. Dann hatte er noch zu tun. Termine,
Termine. Das hat gedauert bis zum Himmelhochfahren.“ – „Und wieso ist
Christi Himmelfahrt auch Herrentag?“ – „Weil er der Sohn des Herrn war?“ –
„Im Ernst?“ – „Weiß ich nicht. Ich bin katholisch aufgewachsen und nicht
sozialistisch.“ – „Hä?“ – „Herrentag gab es nur in der DDR. Zum Ausgleich
für den Frauentag vermutlich. Im Westen hieß das Vatertag. Zum Ausgleich
für den Muttertag.“
Der Sohn schaute skeptisch, dann setzte er der väterlichen Weisheit den
finalen Todesstoß: „Ich glaube, das lese ich lieber noch mal auf Wikipedia
nach.“
„Habt ihr in Berlin auch Feiertag?“, fragte meine Mutter mich, als ich sie
Christi Himmelfahrt in Münster besuchte. „Ihr habt ja immer so viele
Feiertage nicht. Aber dafür habt ihr jetzt ja den Frauentag.“ Der Nachbar,
der daneben stand, horchte irritiert auf. „Ihr habt einen Frauentag als
Feiertag?“ – „Ja“, antwortete meine Mutter für mich, „in Berlin machen die
so Sachen“.
Als der Frauentag damals in Berlin als Feiertag eingeführt wurde, habe ich
das für eine Petitesse gehalten. Ich habe mich geirrt. Auf wenig anderes
werde ich im Rest des Landes so häufig angesprochen wie darauf, dass in
Berlin jetzt der Frauentag Feiertag ist. Und zwar im Osten wie im Westen.
Mit dem Unterschied, dass man im Osten den Frauentag immerhin kennt. Nur
nicht als Feier-, sondern als Blumenverschenktag.
Jedenfalls hat der Berliner Senat mit dem Frauentags-Upgrade das Bild
Berlins im Rest des Landes stärker geprägt als alles andere. Also, mal
abgesehen vom Flughafen BER. Und dem Chaos bei der letzten Wahl. Frauentag,
BER und Wahlchaos – das ist Berlin für den Rest von Deutschland. So wie
Mecklenburg-Vorpommern dann eben demnächst bekannt sein wird für
Schmiergeld aus Russland, North Stream 2 und den Frauentag. Willkommen im
Klub.
12 Jul 2022
## AUTOREN
DIR Heiko Werning
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