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       # taz.de -- Anklage wegen fahrlässiger Tötung: Mitarbeiterin bringt Corona-Tod
       
       > Gegen eine Frau, die Bewohner eines Hildesheimer Seniorenheims mit dem
       > Coronavirus infiziert hatte, wird Anklage erhoben. Mehrere Betroffene
       > starben.
       
   IMG Bild: Impfgegner*innen können Menschenleben gefährden, zeigt der Hildesheimer Fall
       
       Hildesheim taz | Die Vorwürfe wiegen schwer: Wegen fahrlässiger Tötung in
       Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung hat die Staatsanwaltschaft
       Hildesheim jetzt eine 45-jährige Frau angeklagt. Die frühere Mitarbeiterin
       im Hildesheimer „Vitanas Pflege Centrum“ soll für einen [1][Corona-Ausbruch
       in dem Seniorenheim] verantwortlich sein, in dessen Folge mehrere Bewohner
       starben.
       
       Aus Sicht der Ermittler steht fest, dass die ungeimpfte – und bei der
       Arbeit als Impfgegnerin bekannte – Beschuldigte ihren Vorgesetzten einen
       gefälschten Impfpass vorgelegt, trotz einer eigenen Covid-Infektion
       weitergearbeitet und das Virus so ins Heim getragen hatte.
       
       Ende November des vergangenen Jahres soll die Frau der Heimleitung
       telefonisch mitgeteilt haben, dass ihr im selben Haushalt lebender Sohn an
       dem Coronavirus erkrankt sei. Nur aufgrund des falschen Impfzertifikats,
       das eine zweifache Impfung bescheinigte, sei ihr eine weitere Tätigkeit als
       sogenannte Alltagsbegleiterin in dem Heim erlaubt worden. Wäre dem
       Arbeitgeber bekannt gewesen, dass die Angeklagte nicht geimpft war, hätte
       sie ihren Dienst nicht antreten dürfen und sich in Quarantäne begeben
       müssen.
       
       Spätestens drei Tage später soll die Angeschuldigte bereits selbst mit dem
       Coronavirus infiziert gewesen sein und einen Kollegen bei einer Kaffeepause
       angesteckt haben, so die Hildesheimer Staatsanwältin Christina Wotschke.
       Dieser Arbeitskollege habe seinen Dienst bis Anfang Dezember fortgesetzt,
       ohne von seiner Infektion zu wissen.
       
       ## 14 Menschen indirekt angesteckt
       
       An den folgenden Tagen wurden in dem Heim drei weitere Ansteckungen beim
       Pflege- und Reinigungspersonal und elf Ansteckungen unter den Bewohnern
       festgestellt. Die Infektionen sollen laut Staatsanwaltschaft zumindest
       „mittelbar“, also indirekt, durch die Angeschuldigte verursacht worden
       sein.
       
       Unter den mit Covid Infizierten waren eine 93-Jährige, eine 85-Jährige und
       eine 80-Jährige. Alle drei Bewohnerinnen verstarben in der Folgezeit, wobei
       die rechtsmedizinischen Untersuchungen zu dem Ergebnis gelangten, dass die
       Corona-Infektion bei der 80-Jährigen todesursächlich gewesen sein soll.
       Bei den beiden anderen Frauen seien andere Ursachen nicht auszuschließen,
       hieß es.
       
       Die Staatsanwaltschaft wirft der 45-Jährigen vor, sie hätte erkennen
       müssen, dass sie sich durch engen Kontakt mit infizierten Personen auch
       selbst infizieren könnte – so wie es dann ja auch passierte. Zudem habe sie
       gewusst, dass einige Heimbewohner gesundheitlich beeinträchtigt waren und
       Vorerkrankungen hatten. Dass sie sich durch ihr Verhalten möglicherweise
       infizieren und an Corona sterben könnten, hätte der Frau aus Sicht der
       Staatsanwaltschaft klar sein müssen.
       
       ## Vorgesetzte prüfen Impfausweis
       
       Die beschuldigte Frau hatte sich erst später selbst krankgemeldet, laut
       Ermittlungen vier Tage nach dem ersten Anruf. Das war am 30. November. Eine
       Woche später habe sie telefonisch ihrem Arbeitgeber mitgeteilt, dass ihr
       ebenfalls an Corona erkrankter Lebensgefährte wegen eines schweren Verlaufs
       ins Krankenhaus gebracht worden sei. Im Verlauf dieses Telefongesprächs
       habe der Vorgesetzte die Mitarbeiterin daran erinnert, ihren Impfausweis
       vorzulegen.
       
       Diese soll daraufhin per Handy ein Foto des – gefälschten – Zertifikats
       geschickt haben. Eine spätere Durchsuchung und Auswertung des
       sichergestellten Mobiltelefons der Angeschuldigten habe dies bestätigt,
       sagt Staatsanwältin Wotschke. Auch gegenüber dem örtlichen Gesundheitsamt
       soll die Frau auf ihre angebliche Doppelimpfung verwiesen haben.
       
       Da die Angeschuldigte bei ihren Vorgesetzten [2][bereits als Impfgegnerin
       bekannt] war, holten diese Informationen über den auf dem Zertifikat
       angegebenen Impftermin und die Chargennummern der vermeintlichen Impfdosen
       ein. Daraus ergab sich, dass es sich bei dem Dokument um eine Fälschung
       handelte.
       
       Am 10. Dezember stellte die Heimleitung die Mitarbeiterin daraufhin vom
       Dienst frei und erstattete Strafanzeige wegen Urkundenfälschung. Die
       Ermittlungen in dieser Sache laufen laut Staatsanwaltschaft in einem
       gesonderten Verfahren. Die Beschuldigte habe die Nutzung eines gefälschten
       Ausweises auch eingeräumt, sich zu den weiteren Vorwürfen jedoch nicht
       geäußert.
       
       ## Proben belegen ihre Schuld
       
       Dass die frühere Mitarbeiterin für den Corona-Ausbruch in dem Pflegeheim
       verantwortlich ist, schließt die Staatsanwaltschaft aus
       Laboruntersuchungen: Ermittler hatten PCR-Abstriche der verstorbenen
       Bewohnerinnen, der Beschuldigten und ihres inzwischen verstorbenen
       Lebensgefährten gesichert und zur Analyse und einer sogenannten
       Genomsequenzierung an unterschiedliche Labore übersandt.
       
       Allerdings wurde die Probe der Beschuldigten in einem der Labore
       versehentlich vernichtet, wie die Hildesheimer Allgemeine Zeitung
       berichtete. Dennoch glaubt die Staatsanwaltschaft aufgrund der Analyse der
       weiteren, noch erhaltenen Proben einen kausalen Zusammenhang belegen zu
       können.
       
       Die bei den Verstorbenen identifizierten Virusdaten hätten mit denen des
       gestorbenen Partners der Angeklagten übereingestimmt. Weil der Mann in dem
       betreffenden Zeitraum aber nicht in dem Altenheim gewesen sei, müsse die
       45-Jährige verantwortlich sein und das Virus in die Einrichtung getragen
       haben.
       
       13 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ermittlungen-gegen-Pflegehelferin/!5820810
   DIR [2] /Prozess-um-Maskenatteste-in-Hamburg/!5848206
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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