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       # taz.de -- Vor dem CDU-Parteitag: Immer Zoff um die Quote
       
       > In Lüneburg wollte die CDU eigentlich über Grundwerte diskutieren – und
       > landete dann doch bei der Frauenquote. Es droht neuer, heftiger Streit.
       
   IMG Bild: Geht es nach Mario Czaja und Friedrich Merz, beschließt die CDU bald eine Frauenquote
       
       Adendorf/Lüneburg taz | Eigentlich sollen die Teilnehmer:innen jetzt
       mit Hilfe ihrer Handys etwas Positives aufschreiben. Was muss die CDU tun,
       um als Marke wieder erfolgreich zu sein?, lautet die Frage, die
       [1][CDU-Generalsekretär Mario Czaja] gestellt hat. Schnell tauchen die
       ersten Begriffe auf den beiden Bildschirmen im Saal auf. Was mehrfach
       genannt wird, wird größer und rutscht in die Mitte. „Sicherheit“, liest
       Czaja vor, „Verlässlichkeit. Vertrauen. Mut.“
       
       Er geht mit dem Mikrofon im Publikum herum, fordert die
       Teilnehmer:innen auf, ihre Begriffe zu erläutern. Die CDU müsse
       Vertrauen zurückgewinnen, das sie in den letzten 16 Jahren verspielt habe,
       sagt ein Mann. Ein anderer wünscht sich Mut, auch unbequeme Wahrheiten
       auszusprechen. Eine Frau fordert Bescheidenheit, sie stört „der ganze
       Nimbus, den sich unsere Führungskräfte geschaffen haben“. Dann hält Czaja
       plötzlich inne. „Keine Frauenquote einführen“ ist auf den Bildschirmen
       erschienen. „Wer hat das geschrieben?“
       
       Der CDU-Generalsekretär ist an diesem Dienstagabend ins Castanea-Forum bei
       Lüneburg in Niedersachsen gekommen, ein Tagungszentrum mit Hotel, hinter
       den großen Fenstern des Saals liegt ein Golfplatz. „Der Rede WERT“ heißt
       die Veranstaltung, zu der die Partei ihre Mitglieder eingeladen hat. Es ist
       die dritte dieser Art, Czaja war bereits in Berlin und Weimar.
       
       Die durch die verlorene Bundestagswahl gebeutelte CDU will sich inhaltlich
       neu aufstellen und dazu bis 2024 ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten,
       die Parteimitglieder sollen mit Hilfe von Formaten wie diesem einbezogen
       werden. Knapp 70 Christdemokrat:innen sind gekommen und sitzen um die
       runde Bühne mitten im Raum herum, wie meist bei der CDU deutlich mehr
       Männer als Frauen, viele von ihnen bereits ergraut.
       
       ## Zerfleischt sich die CDU doch noch?
       
       Carsten Linnemann, der Parteivize, der die Kommission zur Entwicklung des
       neuen Grundsatzprogramms leitet, hat die versammelten
       Christdemokrat:innen zu Beginn per Videoeinspieler begrüßt. „Wir
       brauchen eine zukunftsgerichtete Erzählung“, sagt Linnemann darin. „Und
       fünf bis zehn Positionen, die uns unterscheidbar machen.“ Einen Streit um
       die Einführung einer parteinternen Frauenquote dürfte er damit nicht
       gemeint haben.
       
       In der ersten Reihe im Publikum meldet sich jetzt Uwe Dorendorf,
       Landtagsabgeordneter aus Lüchow-Dannenberg. Er sei gegen die Einführung der
       Frauenquote, sagt Dorendorf, weil das Politik von den Grünen sei und zudem
       ungerecht. Denn warum sollten den Frauen die Hälfte aller Posten zustehen,
       wenn sie nur 22 Prozent der Parteimitglieder stellen? Dorendorf redet sich
       in Rage. Da applaudiert die Hälfte des Saals.
       
       Man merkt Czaja an, dass er diese Debatte jetzt nicht will. Aber
       unwidersprochen stehen lassen will er Dorendorfs Ausführungen ebenso wenig.
       Also fragt er Franziska Hoppermann, Bundestagsabgeordnete aus Hamburg und
       dort Landeschefin der FrauenUnion, sie ist als Podiumsteilnehmerin nach
       Lüneburg gereist. Hoppermann sagt, dass sie eine „Erfahrungsfeministin“
       sei, und dass es mehr sichtbare Frauen brauche, um die CDU für Frauen
       attraktiv zu machen.
       
       Dann erteilt Czaja Bernd Althusmann das Wort. Der CDU-Landeschef ist
       Spitzenkandidat für die niedersächsische Landtagswahl im Oktober, auch er
       hat sich bereits für die Quote ausgesprochen. „Wir müssen eine Einladung
       sein für die Gesellschaft da draußen“, sagt er. „Da hat sich einiges
       geändert.“ Dann sagt er noch, dass vom Parteitag im September nicht das
       Signal ausgehen dürfe, dass die CDU sich zerfleische.
       
       Doch genau das befürchten in der Parteispitze einige. Der Parteitag findet
       in Hannover statt, wenige Wochen vor der Landtagswahl, er soll die
       Wahlkämpfer:innen unterstützen. Die Präambel zum neuen
       Grundsatzprogramm soll verabschiedet werden, die jetzt etwas aufgeladen
       Grundwertecharta heißt. In dem sechseitigen Papier geht es um das
       christliche Menschenbild und was die CDU unter einer bürgerlichen Partei
       versteht, auch um Gleichberechtigung und Diversität. Die Delegierten sollen
       inhaltlich diskutieren, der Parteitag soll ein Signal des Aufbruchs senden.
       
       Doch da ist eben auch der Antrag der Struktur- und Satzungskommission, der
       unter anderem eine Einführung der Frauenquote vorsieht, ein ideologisch
       aufgeheiztes und zutiefst umstrittenes Thema. Friedrich Merz, der neue
       Parteichef, hat sich inzwischen für die Einführung ausgesprochen, aber eine
       Begrenzung auf fünf Jahre gefordert, er will so den Gegner:innen die
       Zustimmung erleichtern. Die einflussreiche Mittelstandvereinigung und auch
       die Junge Union [2][sind bislang trotzdem bei ihrem Nein geblieben.]
       
       Und so könnte der CDU in Hannover genau das drohen, was unbedingt
       verhindert werden soll: Dass die CDU als zerstrittene und zutiefst
       gespaltene Partei dasteht, wieder einmal. Nimmt man das Treffen in Lüneburg
       als Gradmesser, scheint der Ausgang der Abstimmung völlig offen zu sein.
       
       13 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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