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       # taz.de -- EU und die Gaskrise: Kein Plan für den Notfall
       
       > Brüssel fällt vorerst nicht mehr ein, als die Temperatur in den Büros zu
       > drosseln und zum Gassparen aufzurufen. Im Ernstfall wird das nicht
       > reichen.
       
   IMG Bild: Die heikle Frage, ob der Gashahn zuerst bei Industrie oder Verbraucher zugedreht wird, bleibt offen
       
       Zieht euch warm an und dreht die Heizung runter: Das ist die Botschaft im
       Notfallplan Gas, den die EU-Kommission nächste Woche vorlegen will. Brüssel
       schlägt vor, wegen der Gaskrise die Heiztemperatur in Büros und
       öffentlichen Gebäuden auf 19 Grad abzusenken. Außerdem sollen alle Gas
       sparen. Vorläufig ist es nur ein Entwurf, doch die großen Linien dürften
       sich kaum noch ändern. Sie zeigen, dass die EU mit ihrem Latein am Ende
       ist.
       
       Wenn der russische Versorger Gazprom Ernst macht und die [1][Ostseepipeline
       Nord Stream 1] nicht bald öffnet, haben wir ein Problem. Mit ein paar
       dicken Pullovern ist es dann kaum noch getan. Ganze Industriebranchen
       müssen um ihre Existenz bangen, da sie auf Gas als Rohstoff angewiesen
       sind. Der europäischen Wirtschaft droht der Absturz in die Rezession.
       
       Gerade erst hat die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose drastisch nach
       unten korrigiert. Brüssel ist auf den Ernstfall nicht vorbereitet. Die
       bisher bekannten Empfehlungen gehen kaum über das hinaus, was die
       Internationale Energieagentur schon im März gefordert hat: eine Absenkung
       der Raumtemperatur in öffentlichen Gebäuden.
       
       Viele Details erinnern zudem an Pläne, die derzeit in Berlin diskutiert
       werden. Nach den versprochenen Alternativen zu Nord Stream 1 sucht man
       vergebens. Wo bleibt das Flüssiggas aus den USA, [2][Katar] oder Japan?
       Wann kommt der gemeinsame Gaseinkauf zu günstigen Preisen? Was ist mit dem
       Versprechen, die Märkte zu regulieren und die Verbraucher zu schützen?
       Außer dem schönen Titel „Safe gas for a safe winter“ enthält der Plan vor
       allem heiße Luft.
       
       Das Ziel, die [3][Gasspeicher] im Herbst zu 80 Prozent zu füllen, wird
       nicht erreicht werden. Und die heikle Frage, wo der Gashahn im Ernstfall
       zugedreht wird – in der Industrie oder bei den Verbrauchern – bleibt offen.
       Jetzt rächt sich, dass die EU immer neue Sanktionen verhängt hat, ohne an
       Konsequenzen zu denken. Erst boykottieren wir russische Kohle, dann Öl,
       schließlich das Gas: Das war die Ansage. Das EU-Parlament hat sogar ein
       totales Energieembargo gefordert, möglichst sofort.
       
       Nun zeigt sich, dass das ein Fehler wäre und dass wir noch lange auf
       russisches Gas angewiesen sein werden. Auch beim Öl bleibt die EU der
       größte Abnehmer. Die logische Konsequenz wäre, die Energiesanktionen zu
       überdenken und sich mit Gazprom an einen Tisch zu setzen, um gemeinsam nach
       Lösungen zu suchen. Mag sein, dass das nichts bringt – weil Moskau das Gas
       als Waffe im Wirtschaftskrieg nutzt. Doch einen Versuch wäre es wert – und
       besser als der lauwarme 19-Grad-Plan aus Brüssel allemal.
       
       15 Jul 2022
       
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