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       # taz.de -- Sexueller Missbrauch: 30 Jahre Haft für R. Kelly
       
       > Der einstige Superstar wurde trotz massiver Vorwürfe lange nicht
       > juristisch belangt. Nach dem Schuldspruch im letzten Jahr steht nun das
       > Strafmaß gegen R. Kelly fest.
       
   IMG Bild: R. Kelly und seine Anwältin Jennifer Bonjean während der Anhörung am Mittwoch
       
       New York ap | Wegen des systematischen sexuellen Missbrauchs junger Fans
       muss der einstige R&B-Star R. Kelly für 30 Jahre hinter Gitter. Das
       Strafmaß verkündete Bezirksrichterin Ann Donnelly in New York, schon im
       vergangenen Jahr war der Sänger und Musikproduzent [1][schuldig gesprochen
       worden]. Er wurde zudem zu einem Bußgeld von 100.000 Dollar (rund 96.000
       Euro) verurteilt.
       
       Vor der Bekanntgabe des Hafturteils schilderten einige Opfer dem Gericht
       unter Tränen, wie Kelly sie getäuscht und ausgebeutet habe. Eine Klägerin
       wandte sich direkt an den gefallenen Star. „Ich habe mir buchstäblich den
       Tod gewünscht, weil ich mich wegen dir so schlecht gefühlt habe“, sagte sie
       zu Kelly, der die Hände gefaltet und die Augen niedergeschlagen hielt.
       „Erinnerst du dich daran?“
       
       Im Prozess berichteten Klägerinnen von Perversitäten und Sadismus. Sie
       hätten Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben müssen. Einige sagten,
       sie hätten befürchtet, Kelly werde Videos veröffentlichen, die er beim Sex
       mit ihnen aufgenommen habe, falls sie über das Vorgefallene berichten
       sollten. Auch bedroht oder mit Schlägen aufs Gesäß bestraft wurden die
       Opfer demnach, wenn sie eine von „Robs Regeln“ brachen.
       
       Die Staatsanwälte warfen dem Ex-Star mit dem bürgerlichen Namen Robert
       Sylvester Kelly vor, Ruhm, Geld und Popularität genutzt zu haben, um
       systematisch Kinder und junge Frauen für seine sexuelle Befriedigung zu
       missbrauchen. Fast 30 Jahre habe er seine Verbrechen ungestraft verüben
       können. Seine Manager und Mitarbeiter hätten ihm Mädchen zugeführt und
       dabei geholfen, sie ihm gefügig zu machen. Kelly erklärte sich für
       unschuldig, sagte im Prozess aber nicht aus und entzog sich damit einem
       womöglich harten Kreuzverhör.
       
       ## Erst eine Doku brachte ihn öffentlich in Verruf
       
       Viele Klägerinnen hatten die Frage aufgeworfen, ob ihren Aussagen als
       schwarze Frauen jemals Gehör geschenkt werden würde. Eine der Frauen
       erklärte dem Gericht am Mittwoch, dass der Schuldspruch gegen Kelly ihren
       Glauben an das Justizsystem wiederhergestellt habe. Sie sei ein Opfer
       Kellys geworden, nachdem sie im Alter von 17 Jahren ein Konzert des
       Musikers besucht habe, berichtete sie. „Ich hatte Angst, war naiv, und
       wusste nicht, wie ich mit der Situation umgehen sollte“. Daher habe sie
       damals stillgehalten. „Schweigen ist ein sehr einsamer Ort.“
       
       Ein früheres Anwaltsteam Kellys hatte die Klägerinnen als dessen
       Freundinnen und Groupies dargestellt, die nichts gegen ihren Willen hätten
       tun müssen. Bei Kelly seien sie geblieben, um sich in dessen Ruhm zu
       sonnen. Seine aktuellen Verteidiger argumentierten indes, dass die
       Haftstrafe nicht höher als zehn Jahren ausfallen sollte. Sie verwiesen auf
       eine traumatische Kindheit ihres Mandanten, die von schwerem sexuellen
       Missbrauch, Armut und Gewalt geprägt gewesen sei. „Er ist ein Mensch. Er
       fühlt, was andere Menschen fühlen“, sagte seine Anwältin Jennifer Bonjean.
       Ihr Mandant sei „am Boden zerstört“ wegen des Urteils und betrübt über das,
       was er gehört habe.
       
       Der Bundesstaatsanwalt in Brooklyn, Breon Peace, erklärte: „Ich hoffe, dass
       dieses Urteil ein eigenes Zeugnis davon ablegt, dass es egal ist, wie
       mächtig, reich oder berühmt euer Peiniger sein mag oder wie klein er euch
       fühlen lässt – Justiz hört nur die Wahrheit.“
       
       Vorwürfe über unangemessene Beziehungen Kellys kursierten seit Jahrzehnten,
       doch wurden sie von Medien und Öffentlichkeit lange eher amüsiert zur
       Kenntnis genommen, angefangen mit Kellys illegaler Heirat mit R&B-Sängerin
       Aaliyah im Jahr 1994, als sie gerade 15 Jahre alt war. Dennoch feierte er
       Megaerfolge, etwa mit seinem Hit „I Believe I Can Fly“ von 1996, seine
       Musikalben und die Eintrittskarten für seine Konzerte verkauften sich
       weiterhin blendend. Selbst als er 2002 unter dem Vorwurf festgenommen
       wurde, sich beim Missbrauch einer 14-Jährigen gefilmt zu haben, spielten
       Kollegen immer noch seine Songs ein. Im Jahr 2008 wurde er in einem Prozess
       wegen Verbreitung von Kinderpornografie in Chicago von der Jury
       freigesprochen.
       
       Erst die [2][im Zusammenhang mit den Missbrauchsvorwürfen der
       #MeToo-Bewegung veröffentlichte Dokumentation „Surviving R. Kelly“] brachte
       ihn öffentlich in Verruf. Seit 2019 saß Kelly ohne Option einer Freilassung
       gegen Kaution in Untersuchungshaft. Auf den 55 Jahre alten Ex-Star kommt
       nun noch ein Prozess in Chicago wegen Verbreitung von Kinderpornografie und
       Behinderung der Justiz zu, der am 15. August beginnen soll.
       
       30 Jun 2022
       
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