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       # taz.de -- +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Russland verlässt Schlangeninsel
       
       > Angeblich „freiwilllig“ räumt das russische Militär ein Eiland. Moskau
       > verschärft die Mediengesetze. Putin findet G7-Chefs unattraktiv.
       
   IMG Bild: Zerstörte Gebäude in Lyssytschansk
       
       ## Moskau verschärft Mediengesetze
       
       Das russische Unterhaus hat die Gesetzgebung gegen ausländische und
       einheimische Medien weiter verschärft. Das am Donnerstag von der Duma in
       Moskau verabschiedete Gesetz gibt dem Generalstaatsanwalt und seinen
       Stellvertretern weitreichende Vollmachten: Sie können die Arbeit von
       ausländischen Medien in Russland einschränken oder untersagen, wenn deren
       Regierungen russische Medien „unfreundlich“ behandeln. Das auf der
       Parlaments-Website veröffentlichte Gesetz ermöglicht der Staatsanwaltschaft
       zudem die sofortige Suspendierung russischer Medien, wenn diese
       Informationen verbreiten, die als unwahr eingestuft werden, an „Respekt
       gegenüber Gesellschaft oder Verfassung“ mangeln oder die russischen
       Streitkräfte in Misskredit bringen. Ein Gericht muss nun nicht mehr vorher
       eingeschaltet werden.“. (afp)
       
       ## Medwedew nennt Sanktionen als Grund für mehr Krieg
       
       Der stellvertretende Vorsitzende des russischen Sicherheitsrates, Dmitri
       Medwedew, sagt, dass Sanktionen unter bestimmten Umständen als ein Akt der
       Aggression und eine Berechtigung für einen Krieg angesehen werden könnten:
       „Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass solche feindseligen
       Maßnahmen unter bestimmten Umständen auch als ein Akt internationaler
       Aggression gewertet werden können. Und sogar als Casus Belli“. Russland
       habe das Recht, sich zu verteidigen. (rtr)
       
       ## Russlands meldet 6.000 Kriegsgefangene
       
       Mehr als 6000 ukrainische Soldaten haben sich nach russischen Angaben
       ergeben oder wurden gefangen genommen. Der am Mittwoch organisierte und
       bislang umfangreichste Gefangenaustausch, bei dem 144 ukrainische Soldaten
       freigelassen worden seien, habe auf direkten Befehl des russischen
       Präsidenten Wladimir Putin stattgefunden, meldet die russische
       Nachrichtenagentur RIA und Berufung auf das Verteidigungsministerium in
       Moskau. (rtr)
       
       ## Putin findet G7-Chefs unsexy
       
       Der russische Staatschef Wladimir Putin hat sich abschätzig über das
       Aussehen westlicher Staats- und Regierungschefs geäußert. Auf die Frage
       nach einem Witz, den Teilnehmer des G7-Gipfels vor kurzem über ihn gemacht
       hatten, sagte Putin am Donnerstag: „Ich weiß nicht, wie sie sich ausziehen
       wollten, oberhalb oder unterhalb der Taille. Aber ich denke, es wäre in
       jedem Fall ein ekelhafter Anblick.“ Um gut auszusehen, müsse man einen zu
       hohen Alkoholkonsum „und andere schlechte Angewohnheiten“ aufgeben, und man
       müsse Sport treiben, sagte Putin. (ap)
       
       Schwere Kämpfe um Frontstadt Lyssytschansk 
       
       Russland treibt seine Offensive im Osten der Ukraine voran. Die Frontstadt
       Lyssytschansk stand nach Angaben der Behörden am Donnerstag unter
       unerbittlichem Dauerbeschuss. Man versuche weiter, die verbliebenen rund
       15.000 Einwohner in Sicherheit zu bringen. „Die Kämpfe gehen unaufhörlich
       weiter. Die Russen sind ständig in der Offensive. Es gibt keine Pause“,
       sagte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj.
       
       Am Morgen hätten russische Truppen die Ölraffinerie von Lyssytschansk
       angegriffen. Die pro-russischen Separatisten in der Region erklärten, dass
       die Raffinerie bereits vollständig erobert sei. Auch alle Straßen in die
       Stadt würden von russischen und pro-russischen Kräften kontrolliert, sagte
       der Botschafter der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk laut der
       russischen Nachrichtenagentur RIA.
       
       Die russischen Truppen versuchen die Stadt einzukesseln. Nach der Eroberung
       der wochenlang umkämpften Nachbarstadt Sjewjerodonezk am Wochenende, ist
       Lyssytschansk die letzte größere Bastion der ukrainischen Streitkräfte in
       der Region Luhansk, die gemeinsam mit der Region Donezk den Donbass in der
       Ukraine bildet. Russland hat die Einnahme der Industrieregion Donbass als
       ein Hauptziel bezeichnet.
       
       Auch rund um die nordöstliche Großstadt Charkiw gingen die Kämpfe weiter.
       Die russische Armee setze hier ihre Angriffe mit Panzern, Mörsern und
       Raketen fort, teilte das ukrainische Militär mit. Auf einem Video waren
       Polizisten und Rettungskräfte zu sehen, die am Mittwoch die zerstörten
       Überreste einer Fabrik und beschädigte Wohngebäude in Charkiw durchsuchten.
       In dem beschossenen Gebiet habe es keine Militäreinheiten gegeben, sagte
       der Polizeichef der Region, Wolodimir Timoschko, zu Reuters. In der
       südlichen Region Cherson schlugen die ukrainischen Streitkräfte nach
       eigenen Angaben mit Artillerieangriffen zurück. (reuters)
       
       40 Tonnen Getreide laut ukrainischen Behörden vernichtet 
       
       Bei einem Angriff im Osten der Ukraine sollen nach Behörden-Angaben große
       Mengen Getreide vernichtet worden sein. In dem betroffenen Lagerhaus in der
       Stadt Selenodolsk sei ein Feuer ausgebrochen, schrieb der Gouverneur des
       Gebiets Dnipropetrowsk, Walentin Resnitschenko, am Donnerstag im
       Nachrichtendienst Telegram. 40 Tonnen Getreide seien vernichtet worden. Der
       Gouverneur machte Russland dafür verantwortlich. Angaben aus dem
       Kriegsgebiet lassen sich nur schwer oder meist gar nicht unabhängig
       überprüfen.
       
       Die Ukraine ist neben Russland für etliche arme Länder vor allem in Afrika
       der wichtigste Lieferant von Getreide und Düngemittel. Weil Russland die
       ukrainischen Häfen blockiert, kann viel Getreide aber nicht exportiert
       werden. In einigen Gegenden auf der Welt droht deshalb eine weitere
       Zuspitzung der Hungerkrise. (dpa)
       
       Pro-russische Behörden: Schiff mit Getreide ausgelaufen 
       
       Aus dem von Russland besetzten ukrainischen Hafen von Berdjansk ist ein
       Schiff mit 7000 Tonnen Getreide an Bord ausgelaufen. Die von Russland
       ernannte Verwaltung teilte am Donnerstag mit, das Schiff werde von der
       russischen Marine begleitet. „Nach mehrmonatiger Unterbrechung hat ein
       erstes Handelsschiff den Hafen von Berdjansk verlassen, 7000 Tonnen
       Getreide sind auf dem Weg in befreundete Staaten“, erklärte der Chef der
       pro-russischen Verwaltung, Ewgeni Balitski, im Messengerdienst Telegram.
       Der Hafen sei zuvor von Seeminen befreit worden.
       
       Berdjansk liegt in der Region Saporischschja im Südosten der Ukraine.
       Saporischschja ist ebenso wie die benachbarte Region Cherson größtenteils
       von Russland besetzt. Die Ukraine beschuldigt Russland seit Wochen, ihre
       Weizenernten aus den besetzten Gebieten im Süden der Ukraine zu stehlen.
       
       Zugleich sind seit Beginn des russischen Militäreinsatzes die ukrainischen
       Getreideexporte aus den Häfen des Landes zum Erliegen gekommen. Auch
       Russland kann als Folge der westlichen Sanktionen seine landwirtschaftliche
       Produktion nicht exportieren. (afp)
       
       Russland zieht Truppen von Schlangeninsel zurück 
       
       Russische Truppen ziehen sich nach eigener Darstellung, im Krieg gehen die
       Ukraine, angeblich freiwillig von der zuvor eroberten Schlangeninsel im
       Schwarzen Meer zurück. Damit wolle Russland zeigen, dass es den Export von
       Getreide und landwirtschaftlichen Produkten aus der Ukraine nicht
       behindere, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor
       Konaschenkow, am Donnerstag in Moskau. „Am 30. Juni haben die russischen
       Streitkräfte als Zeichen des guten Willens die ihnen zugewiesenen Aufgaben
       auf der Schlangeninsel abgeschlossen.“ Zuvor hatte die Ukraine einen
       Angriff auf die Insel gemeldet.
       
       Nach dem russischen Einmarsch Ende Februar war das Eiland unweit des
       Donaudeltas von der russischen Marine bereits am zweiten Kriegstag erobert
       worden. Die ukrainischen Streitkräfte haben seitdem mehrfach Attacken mit
       Kampfdrohnen und Flugzeugen geflogen und den Kreuzer Moskwa (Moskau) mit
       Raketen versenkt. (dpa)
       
       Großbritannien bietet weitere Militärhilfe für die Ukraine 
       
       Großbritannien will der Ukraine für ihren Abwehrkampf gegen Russland
       weitere Luftabwehrsysteme, Drohnen und andere Militärausrüstung liefern.
       „Britische Waffen, Ausrüstung und Training transformieren die ukrainische
       Verteidigung gegen diesen Angriff“, sagte Premierminister Boris Johnson am
       Mittwochabend. Man stehe weiter hinter dem ukrainischen Volk, um
       sicherzustellen, dass Russlands Präsident Wladimir Putin in der Ukraine
       scheitere. Konkret kündigte London militärische Hilfe von einer Milliarde
       Pfund (1,16 Mrd. Euro) an – zusätzlich zu den bisher zugesagten 1,3 Mrd.
       Pfund (1,51 Mrd. Euro).
       
       Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte die auf dem Nato-Gipfel
       in Madrid versammelten westlichen Regierungschefs dazu aufgefordert, seinem
       Land noch stärker unter die Arme zu greifen.
       
       Zählt man die Unterstützung für die Ukraine mit, liegen die britischen
       Militärausgaben der Nachrichtenagentur PA zufolge aktuell bei rund 2,3
       Prozent der Wirtschaftsleistung Großbritanniens. Erhöht werden soll das
       Verteidigungsbudget Berichten zufolge zunächst nicht. Darüber hatte es
       zuvor einen Streit im Kabinett gegeben, da Verteidigungsminister Ben
       Wallace sich angesichts der steigenden Bedrohung für eine Erhöhung
       eingesetzt hatte. (dpa)
       
       Russland hat laut Bürgermeister eigene Pässe ausgeben 
       
       In der von Russlands Truppen besetzten Kleinstadt Enerhodar im Südosten der
       Ukraine, sollen nach Angaben des Bürgermeisters russische Pässe ausgegeben
       werden. Es sei eine Annahmestelle für Dokumente zur Beantragung der
       russischen Staatsbürgerschaft eröffnet worden, schrieb Dmitro Orlow am
       Donnerstag im Nachrichtendienst Telegram. Es sei eine Werbekampagne dafür
       gestartet worden. Orlow hat die Stadt Ende April verlassen.
       
       Russische Besatzungstruppen hatten einen eigenen Bürgermeister eingesetzt,
       der am vergangenen Sonntag bei einem Sprengstoffanschlag schwer verletzt
       wurde. In Enerhodar liegt das leistungsstärkste Atomkraftwerk Europas. Bei
       den Gefechten um die Stadt war kurzzeitig ein Feuer auf dem Gelände des
       Atomkraftwerks ausgebrochen.
       
       Russische Pässe werden seit Wochen in den besetzten Teilen der Gebiete
       Cherson und Saporischschja ausgegeben. Russische Medien zeigten teils lange
       Schlangen vor den Passstellen.
       
       Orlow befürchtete, dass künftig die Kommunikation in andere Regionen der
       Ukraine abgeschnitten oder zumindest erschwert werden könnte. So könnte der
       ukrainische Mobilfunkbetreiber abgeschaltet werden. Es sei bereits
       angekündigt worden, dass ein Anbieter für Kabelfernsehen und Internet der
       von Russland 2014 einverleibten Halbinsel Krim künftig für Enerhodar
       zuständig sein solle. „Dies wird es den Invasoren möglich sein, ukrainische
       Nachrichtenquellen zu blockieren.“ (dpa)
       
       Kriegsverlauf – Putin: „Alles läuft nach Plan“ 
       
       Die US-Geheimdienste rechnen damit, dass Russland in seinem Angriffskrieg
       die Kontrolle über den Süden der Ukraine bis zum Herbst festigt. Das
       wahrscheinlichste Szenario sei, dass dies im Rahmen eines „zermürbenden
       Kampfes“ geschehe, sagte die Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines am
       Mittwoch (Ortszeit) bei einer Veranstaltung in Washington. Russland sei
       womöglich der Ansicht, dass ihm die Zeit angesichts der eskalierenden
       Kosten, die auch der Westen zu tragen hat, sowie einer Kriegsmüdigkeit in
       die Hände spiele, sagte sie.
       
       Die USA hatten die russische Invasion in die Ukraine im Februar
       vorausgeahnt, lagen jedoch mit der Einschätzung falsch, dass das russische
       Militär die Hauptstadt Kiew schnell einnehmen werde. Haines sagte, der
       russische Präsident Wladimir Putin habe „im Grunde die gleichen politischen
       Ziele wie zuvor, das heißt, er will den größten Teil der Ukraine einnehmen“
       und sie von der Nato fernhalten.
       
       „Wir nehmen eine Diskrepanz zwischen Putins kurzfristigen militärischen
       Zielen in diesem Bereich und den Kapazitäten seines Militärs wahr, eine Art
       Missverhältnis zwischen seinen Ambitionen und dem, was das Militär
       erreichen kann“, sagte Haines.
       
       Putin selbst sagte bei einer Pressekonferenz in Turkmenistan am Mittwoch,
       seine Ziele in der Ukraine hätten sich seit Beginn des Krieges nicht
       geändert. Dies seien „die Befreiung des Donbass, der Schutz dieser Menschen
       und die Schaffung von Bedingungen, die die Sicherheit Russlands garantieren
       würden.“ Seine ursprünglich genannten Ziele, die Ukraine zu
       „demilitarisieren“ und zu „entnazifizieren“, erwähnte er nicht. Die Truppen
       seien in Bewegung und erreichten die vorab gesteckten Ziele, sagte er.
       „Alles läuft nach Plan.“ (ap)
       
       30 Jun 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martha Dege
       
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