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       # taz.de -- Lagebericht Antiziganismus: Ablehnung von Sinti und Roma
       
       > Sinti und Roma werden in Deutschland weiter diskriminiert. Das zeigen
       > ersten Erkenntnisse der Meldestelle Antiziganismus.
       
   IMG Bild: Gedenkstätte für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Berlin
       
       Berlin taz | Antiziganismus ist eine wenig sichtbare, aber anhaltend
       präsente Diskriminierung in Deutschland. So lassen sich die ersten
       Erkenntnisse der [1][Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA)]
       zusammenfassen. Am Dienstag stellte die MIA ihre ersten Erkenntnisse zum
       [2][Thema Antiziganismus in Deutschland] vor. Das Fazit ist ernüchternd.
       „Rund 60 Prozent der deutschen Bevölkerung lehnt Sinti und Roma als
       Nachbar:innen und Arbeitskolleg:innen ab“, sagte Romani Rose,
       Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti Roma, der taz.
       
       Die MIA ist 2021 entstanden und wird vom Bundesinnenministerium gefördert.
       Ziel ist die [3][Erfassung und Veröffentlichung antiziganistischer]
       Vorfällen. Eine anonyme Meldestelle und eine Datenbank sollen
       Antiziganismus sichtbarer machen. „Wir wollen die Dunkelziffer der
       Übergriffe erhellen“, erklärt Guillermo Ruiz, Projektleiter der MIA, der
       taz. Die Anonymität der Meldenden ist neben dem Schutz der Opfer dabei
       besonders wichtig. So sollen Angestellte und Beamt:innen ermutigt
       werden, antiziganistische Strukturen und Handlungen innerhalb ihres
       Arbeitsumfeldes zu melden, ohne um ihren Job bangen zu müssen.
       
       ## Konzentration auf Sinti und Roma aus der Ukraine
       
       Antiziganismus ist ein Jahrhunderte altes Phänomen, was in Deutschland
       während der NS-Zeit seinen grausamen Höhepunkt fand. Der Sinti und
       Roma-Völkermord der Nazis hat circa 500.000 Angehörigen der Minderheit das
       Leben gekostet. Erst 1982 wurde dieser Völkermord von der Bundesregierung
       als solcher anerkannt. Laut Romani Rose zeige das beispielhaft, dass
       Antiziganismus in Deutschland noch nicht ausreichend thematisiert wird. Die
       Meldestelle will diesem blinden Fleck durch Aufmerksamkeit und
       Sensibilisierung etwas entgegensetzen.
       
       In den letzten Wochen hat sich die Arbeit der MIA auf antiziganistische
       Vorfälle gegen aus der Ukraine fliehende Sinti und Roma konzentriert.
       Guillermo Ruiz berichtet, dass Angehörige der Minderheit der Zugang zu
       öffentlichen Räumen und Gütern verwehrt wurde und ihre ukrainische Herkunft
       oft infrage gestellt wird. Ein Landkreis in Bayern sagte wohl sogar
       explizit, dass sie zwar Geflüchtete aus der Ukraine aufnehmen würden,
       jedoch keine Sinti und Roma.
       
       Eine traurige Konsequenz des grassierenden Antiziganismus' ist, dass einige
       Angehörige der Minderheit ihre kulturelle Identität verstecken wollen, um
       Diskriminierungserfahrungen zu minimieren. Dies führt zu einer
       Unsichtbarkeitmachung der Kultur. „Sinti und Roma flüchten in die
       Anonymität und verheimlichen ihre Abstammung aus Angst vor Gewalt und
       Diskriminierung“, so Romani Rose. „Wer weiß schon etwas über den Einfluss
       von Sinti und Roma auf die europäische Klassik?“
       
       ## Forderung nach stärkerem Engagement gegen Antiziganismus
       
       Der Vorsitzende betont jedoch, dass die Anerkennung und Sichtbarmachung der
       kulturellen Identität der Sinti und Roma, keinesfalls eine Abwendung von
       ihrer deutschen Nationalität bedeute. „Wir lassen es uns nicht absprechen,
       dass wir Deutsche sind. Kulturelle Identität steht nicht im Gegensatz zur
       deutschen Nationalität.“
       
       Aufgrund der ersten Erkenntnisse der MIA fordert Guillermo Ruiz ein
       stärkeres Engagement gegen Antiziganismus von der Bundesregierung. Das
       Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sollte erweitert werden, damit es
       als Instrument gegen antiziganistische Vorfälle in allen staatlichen
       Institutionen genutzt werden kann. „Außerdem sind wir für die Einführung
       der Verbandsklage“, erklärt Ruiz, „damit Organisationen wie die MIA die
       Rechte einer Minderheit gesammelt geltend machen kann.“
       
       5 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.antiziganismus-melden.de/
   DIR [2] /Bekaempfung-von-Antiziganismus/!5848024
   DIR [3] /Antiziganismus-Bericht-fuer-Deutschland/!5781261
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marita Fischer
       
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