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       # taz.de -- Die Zukunft des ÖPNV: Dienstwagenprivileg abschaffen
       
       > Klimaschädliche Subventionen streichen, günstige Zugtickets finanzieren:
       > Die Umweltorganisation Greenpeace rechnet vor, wie das gehen könnte.
       
   IMG Bild: Noch ist das Fahren mit Bussen und Bahnen günstig: Wartende Reisende im Hauptbahnhof Frankfurt/Main
       
       Berlin taz | Eine [1][günstige Anschlusslösung] für das 9-Euro-Monatsticket
       wäre problemlos finanzierbar, wenn die Ampelregierung im Gegenzug
       kurzfristig klimaschädliche Subventionen im Verkehr streichen würde. Darauf
       weist die Umweltorganisation Greenpeace hin. Sie hat am Montag eine
       entsprechende Kalkulation vorgelegt.
       
       Allein durch die Streichung des Dienstwagenprivilegs könnte der Bund
       kurzfristig die erforderlichen Milliarden für ein bundesweit geltendes
       365-Euro-Jahresticket für den ÖPNV aufbringen, sagt
       Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer. Käme die Abschaffung der
       Entfernungspauschale hinzu, würde es auch für die dauerhafte Finanzierung
       des 9-Euro-Tickets reichen.
       
       Die Einführung der günstigen Monatskarte für Juni, Juli und August hat eine
       [2][breite Diskussion über die künftige Preisgestaltung im ÖPNV] entfacht.
       Mehr als 30 Millionen Menschen nutzen sie. Die bundesweite Flatrate wird
       von Büger:innen und Politiker:innen überwiegend als sehr
       erfolgreiches Projekt bewertet.
       
       Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie ein Anschluss
       aussehen könnte: Die Verbraucherzentralen zum Beispiel sind für ein
       bundesweites 29-Euro-Monatsticket, die Verkehrsunternehmen schlagen dafür
       69 Euro vor, und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
       spricht sich wie die Linkspartei und die Deutsche Umwelthilfe für ein
       überall geltendes Jahresticket für 365 Euro aus. Bundesverkehrsminister
       Volker Wissing (FDP) will die verschiedenen Vorschläge prüfen. Die
       Vorsitzende der Landesverkehrsminister:innenkonferenz, die Bremer
       Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne), ist für eine Nachfolgeprojekt:
       „Ein Anschlussticket an das 9-Euro-Ticket kann ich nur begrüßen“, sagt sie.
       
       ## 365-Euro-Ticket kostet 4 Milliarden
       
       Die Finanzierung jedenfalls muss kein Problem sein, zeigt die
       [3][Berechnung von Greenpeace]. „Es kostet den Bund nicht einmal
       zusätzliches Geld, wenn er gezielt klimaschädliche Subventionen streicht“,
       sagt Verkehrsexpertin Reiserer. Die Streichung des sogenannten
       Dienstwagenprivilegs würde die schätzungsweise erforderlichen 4 Milliarden
       Euro für das 365-Euro-Ticket bringen. Beim Dienstwagenprivileg geht es um
       die Bevorzugung einer sehr gut verdienenden Gruppe – also nicht um die
       Krankenschwester, nicht um die Assistenzärztin, sondern um den
       Klinikdirektor. Das Privileg bezieht sich auf die private Nutzung des
       Dienstwagens, die steuerlich enorm begünstigt wird.
       
       Die von Greenpeace ebenfalls ins Auge gefasste Reform der
       Entfernungspauschale wäre komplizierter, denn sie würde viele Beschäftigte
       und auch Nicht-Autofahrende treffen. Allerdings gibt es dazu Alternativen,
       denn es gibt etliche weitere klimaschädliche Subventionen, etwa die
       Energiesteuerbefreiung des Kerosins. Insgesamt liegen die klimaschädlichen
       Zuschüsse des Staates der Greenpeace-Kalkulation zufolge bei 46 Milliarden
       Euro im Jahr.
       
       Eine günstige ÖPNV-Flatrate hat doppelten Charme, sagt Reiserer: Haushalte
       mit geringem Einkommen werden entlastet, gleichzeitig werden CO2-Emissionen
       verhindert und so ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet. Herkömmliche
       ÖPNV-Abos sind gerade für Haushalte mit wenig Geld eine große Belastung.
       Auch ein 365-Euro-Ticket ist fast immer günstiger als ein Auto.
       
       Für die Kalkulation hat Greenpeace die bisherigen Verkehrsverlagerungen
       durch das 9-Euro-Ticket weg vom Auto hin zu Bus und Bahn hochgerechnet. Ein
       dauerhaft günstiges Ticket mit einer ähnlichen Wirkung würde demnach dazu
       führen, dass jährlich 2 bis 6 Millionen Tonnen weniger CO2 ausgestoßen
       würden. Hochgerechnet bis 2030 wäre das mehr reduziert als durch alle
       Maßnahmen zusammen, die im kürzlich von Wissing vorgelegten Sofortprogramm
       zur Einhaltung der Klimaziele im Verkehr vorgesehen sind.
       
       ## ÖPNV ausbauen
       
       Dass sich die Bundesregierung auf ein Aus für autofreundliche Subventionen
       einigt, ist allerdings unwahrscheinlich. Die FDP hat solche Vorstöße schon
       bei den Koalitionsverhandlungen abgewehrt. Wie interessegeleitet die
       ÖPNV-Finanzierung gesehen wird, zeigt die unterschiedliche Haltung der
       Verbände der Kommunen. Der Deutsche Städtetag ist einem 365-Euro-Ticket
       gegenüber aufgeschlossen. Der Deutsche Landkreistag dagegen ist skeptisch –
       in ihm sind eher ländliche Regionen organisiert. Auf dem Land ist der ÖPNV
       nicht gut aufgestellt.
       
       Dieses Problem sieht auch Greenpeace. Ein günstiges Ticket allein reiche
       nicht, sagt Verkehrsexpertin Reiserer. „Es muss flankiert werden mit dem
       massiven Ausbau des ÖPNV, gerade auch auf dem Land.“ Auch das Geld dafür
       könnte aus den staatlichen Subventionen stammen, die zur Erderhitzung
       beitragen.
       
       19 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Guenstiger-OePNV-nach-dem-9-Euro-Ticket/!5865435
   DIR [2] /Nachfolge-des-9-Euro-Tickets/!5865446
   DIR [3] https://www.greenpeace.de/publikationen/220718_Klimaticket_Kostenvergleich_0.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anja Krüger
       
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