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       # taz.de -- Nachruf auf Hassan Numan: Der Mann mit der Trillerpfeife
       
       > Der Flüchtlingsaktivist Hassan Numan ist tot. In Osnabrück verhinderte
       > der Sudanese mit anderen Geflüchteten friedlich viele Abschiebungen.
       
   IMG Bild: Protest gegen Abschiebungen: Sudanesische Flüchtlinge vor dem Osnabrücker Schloss 2012
       
       Berlin taz | Am vergangenen Mittwoch hätte er in Nantes, in Westfrankreich,
       aus dem Bus steigen sollen. Beim Transborder Camp, einer Zusammenkunft
       antirassistischer [1][Aktivist:innen] aus ganz Europa, war Hassan
       Numan, 45, Politologe und Geflüchteter aus dem Sudan, als Redner erwartet
       worden. Doch diese Reise trat er nicht mehr an.
       
       Numan lebte ab 2017 in einem heruntergekommenen Flüchtlingslager im
       [2][Osnabrücker] Ickerweg. Berühmt wurde er als der Mann mit der
       Trillerpfeife. Nachdem die Polizei mehrmals in der Frühe gekommen war, um
       Sudanes:innen aus dem Heim abzuschieben, bildeten die
       Bewohner:innen auf seine Initiative hin ein Komitee: Mit
       Nachtpatrouille und einem Alarmsystem aus Trillerpfeifen. Rückte nachts die
       Polizei an, schlugen die Aufpasser an den Toren mit ihren Pfeifen Alarm und
       weckten die anderen.
       
       Sie blockierten die Eingänge mit Mülltonnen, versperrten die Tore und
       fingen an zu singen – die sudanesische Nationalhymne oder arabische
       Kinderlieder. Es herrschte Chaos – und die Polizei zog wieder ab. „Null
       Gewalt ist uns wichtig“, sagt Numan damals. Mit diesem Prinzip konnten sie
       immer wieder Abschiebungen verhindern. „Wir wollen unsere Rechte
       durchsetzen. Und wir sind viele, wir können etwas erreichen.“
       
       Fast alle sudanesischen Flüchtlinge in Deutschland kamen damals nach
       Niedersachsen, alleinstehende Männer vielfach in das Heim am Ickerweg. Der
       Sudan wurde damals noch vom Kriegsverbrecher und Diktator el-Bashir
       regiert. Die [3][Ausländerbehörden] interessierte das kaum. Jeden dritten
       Tag schob Deutschland 2017 Menschen dorthin ab. Ohne Numan wären es noch
       mehr gewesen.
       
       ## Friedlicher Kampf für sudanesische Geflüchtete
       
       „Früher haben die Leute aus Angst vor ihrer Abschiebung lieber draußen
       zwischen Bäumen geschlafen als in ihren Betten“, sagte Numan damals der
       taz. „Jetzt haben sie wieder das Gefühl, dass sie sicher sind, weil wir
       zusammenstehen.“ Die Behörden schickten daraufhin keine Sudanesen mehr in
       das Heim.
       
       Das Komitee zog mit Demonstrationen vor das Osnabrücker Rathaus, mit
       unvergleichlicher Diplomatie dankte Numan dem Bürgermeister für die
       „freundlich Aufnahme“ in der Stadt, nur um danach die Forderungen der
       Flüchtlinge vorzutragen. Am Ende war er auch einer der Köpfe der
       Osnabrücker „Solidary City“-Initiative, die die Stadt zu einem offeneren
       Ort für Schutzsuchende machen wollte.
       
       „Mit den Menschen zu sprechen, dafür bin ich ausgebildet“, sagte Numan
       später der Politologin Lisa Doppler. „Um Reden zu halten, Menschen zu
       motivieren, an ihre Träume zu appellieren, mit einer Sprache, die sie
       bewegt.“ Das habe er an der Uni in Khartoum gelernt. Und: „Ich tue das als
       Kommunist.“
       
       Wie viele junge Kommunist:innen, die um die Jahrtausendwende in der
       Jugendorganisation der sudanesischen KP in Khartoum organisiert waren, floh
       er in den folgenden Jahren vor dem wachsenden Druck des Bashir-Regimes.
       Einige seiner Genossen aus der Demokratiebewegung in der Heimat traf er am
       Ickerweg wieder.
       
       Seine Partnerin aber war im Sudan geblieben. Bis zum Ende versuchte er, sie
       nachzuholen – ohne Erfolg. Sie schickte ihm Pakete nach Deutschland, mit
       sudanesischen Zigaretten, Kleidung, er verteilte die Geschenke im Heim im
       Ickerweg weiter. Doch der Wunsch nach dem Leben, das sie gemeinsam in
       Deutschland führen wollten, erfüllte sich nicht.
       
       Das belastete ihn sehr schwer, wie er Freunden mehrfach berichtete. Von
       seiner Herzkrankheit wusste er schon eine Weile. Am Tag vor seiner
       geplanten Reise nach Nantes starb Hasan Numan beim Besuch eines Freundes in
       Köln.
       
       20 Jul 2022
       
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