# taz.de -- Plädoyer im Prozess gegen Franco A.: Anwalt spricht von „Woke-Tribunal“
> Im Prozess gegen den Bundeswehr-Offizier hält die Verteidigung ihre
> Plädoyers. Ein Anwalt geht Anklage und Gericht hart an.
IMG Bild: Franco A. (l) und sein Anwalt Moritz Schmitt-Fricke im Gerichtssaal in Frankfurt am 8.Juli
Frankfurt/Main taz | Am Ende fasst sich der Angeklagte überraschend kurz.
Franco A. hat am Freitag das letzte Wort vor der Urteilsverkündung, so will
es die Strafprozessordnung. Den gesamten Prozess hat er ausschweifend
geredet, aber jetzt sagt er nur ein paar Sätze. Er beugt sich zum Mikrofon
vor: „Ich habe viel gelernt“, sagt er. Er habe im Laufe des Prozesses viele
schmerzhafte Erfahrungen gemacht und manche Ansicht neu einordnen müssen.
Dass das Verfahren so lange gedauert hat, sei auch sein Fehler gewesen.
Der Bundeswehroffizier [1][Franco A. steht wegen Rechtsterror vor dem
Oberlandesgericht Frankfurt.] Er hat mehr als ein Jahr ein Doppelleben als
syrischer Flüchtling geführt und sich illegal Waffen und Munition
beschafft. Die Bundesanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass er aus
einer rassistischen und völkisch-nationalistischen Gesinnung heraus
Anschläge geplant hat. Sie fordert sechs Jahre und drei Monate Haft. Am
kommenden Freitag soll das Urteil fallen.
Dass die Verteidigung die Beweisaufnahme anders bewertet, ist keine
Überraschung. Dass ein Verteidiger aber in seinem Schlussplädoyer sowohl
die Anklagebehörde, den Senat und die Medien gleichermaßen mit heftigen
Unterstellungen angreift, ist zumindest ungewöhnlich. Moritz Schmitt-Fricke
setzt in seinem gut einstündigen Vortrag im großen Saal 165C die Linie
fort, mit der er vor mehr als einem Jahr den Prozess begonnen hatte.
Er stellt Franco A. als Opfer dar, an dem ein Exempel statuiert werden
sollte, weil er das „staatliche Unrecht“ der deutschen Asylpolitik
aufgedeckt habe. „Eine Summe von Merkwürdigkeiten macht noch keinen
Terroristen“, sagt er. Es gehe darum, „einem Menschen gerecht zu werden,
der in keine Schubladen passt und bei dem alle Schablonen versagen“. Die
Richter:innen verfolgen seine fast anderthalb Stunden andauernden
Ausführungen zwischendurch erkennbar irritiert.
## Sichtliche Irration im Gerichtssaal
Das Gericht dürfe nicht unter einem angeblichen medialen Druck einknicken,
sagt der Anwalt. Er redet sich in Rage. Es gehe deutlich zu weit, Angela
Merkel „unterschwellig eine Unfehlbarkeit in außenpolitischen Dingen zu
unterstellen“, sagt er. „Die Unterscheidung zwischen einem
Staatsschutzsenat und einem Woke-Tribunal war nicht immer klar erkennbar.“
„Das habe ich akustisch nicht verstanden“, sagt der Vorsitzende Richter.
Der Verteidiger buchstabiert „W-O-K-E“. Der Begriff beschreibt eigentlich
eine Sensibilität für Rassismus, Sexismus oder andere Diskriminierungen,
ist in jüngster Zeit aber zu einem rechten Kampfbegriff geworden, um
gesellschaftlich progressive Positionen zu diskreditieren. Die
Bundesanwaltschaft bezeichnet Schmitt-Fricke als „heilige römische
Inquisition“, die mit Durchstechereien an die Presse den Prozess medial
angeheizt habe. Konkrete Beispiele oder Belege nennt er nicht.
Schmitt-Fricke geht in seinem Plädoyer auch auf Franco A.s Auftritt beim
„Preußenabend“ in München ein. Er spricht aber lediglich von einem
„Gesprächskreis“ und erwähnt nicht, dass es sich dabei um eine rechtsoffene
Veranstaltung handelt, auf der schon Holocaust-Leugner geladen waren. Auf
den Vortrag habe sich Franco A. monatelang vorbereitet, viele der
Sprachmemos seien in diesem Zusammenhang entstanden.
Was der Anwalt nicht sagt: [2][Franco A. schwor in seinem Vortrag im
Dezember 2016, wenige Wochen bevor er eine geladene Pistole im Wiener
Flughafen deponiert, das Publikum auf einen Kampf ein.] So geht es aus dem
Redemanuskript vor, das der taz vorliegt. Und er sagte demnach auch: „Ich
bin Anti-Semit. Weil ich nicht toleriere, dass eine Gruppe die Opferrolle
für ewig gepachtet hat. Der Holocaust darf den Genozid des Patriarchats
nicht rechtfertigen. Sei Anti-Semit!“
## „Feindesliste“ überinterpretiert?
Wie zuvor Franco A. selbst führt Schmitt-Fricke mehrfach den
rechtsesoterischen Autor David Icke an. Und er betont, dass der Hellseher
Alois Irlmaier einen dritten Weltkrieg vorausgesagt habe. Vor diesem
Hintergrund sei es nachvollziehbar gewesen, dass sich Franco A. mit Waffen
eindeckte. Nur zur Verteidigung, nicht für einen Anschlag. Schließlich sei
seine Kaserne auch durch Islamisten ausgespäht worden. Seine „Feindesliste“
werde völlig überinterpretiert und sei eher eine „To-do-Liste“ oder
„Rechercheliste“ gewesen.
„Franco A. sei äußerst friedliebend und habe höchstens zivilen Ungehorsam
im Sinn gehabt, sagt Schmitt-Fricke. Er zitiert seinen Mandanten mit den
Worten: „Es muss immer die Liebe im Zentrum stehen“. Schmitt-Fricke stellt
in seinem Plädoyer zwischendurch auch noch zwei Beweisanträge, von denen er
einen gleich wieder zurücknimmt, weil das fragliche Dokument längst in den
Prozess eingeführt war. Er fordert eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und
sechs Monaten.
Auch Franco A.s zweiter Verteidiger Johannes Hock fordert, Franco A. nicht
wegen der „Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ zu
verurteilen. Aber er trägt das völlig anders vor: Knapp, ruhig und
sachlich, in einem fast väterlichen Ton. Hock führt aus, dass der Paragraf
89a des Strafgesetzbuches ein schwieriger sei, weil er die Tat weit in die
Vorbereitung hinein bewerte und damit Gefahr laufe, zum
Gesinnungsstrafrecht zu werden.
## Hat es den Masterplan des Elitesoldaten gar nicht gegeben?
Man könne das Beweismaterial so würdigen, wie es die Bundesanwaltschaft
getan habe, führt Hock aus. Man könne aber auch zu einem völlig anderen
Schluss kommen. Es lasse sich eben nicht zweifelsfrei herleiten, dass
Franco A. den festen Entschluss hatte, zu töten. Er habe ihn als
selbstbewussten, leistungsorientierten jungen Mann kennengelernt, der seine
Ziele nicht verberge, der immer alles hinterfrage. „Ich habe mich gefragt:
Wie würde ein Plan aussehen?“ Es wäre wohl ein sehr detaillierter Plan,
sagt Hock, der Masterplan eines Elitesoldaten. Aber den habe es eben nicht
gegeben.
Der Angeklagte schließt sein letztes Wort damit, dass er nun schnell zu
seinen Kindern wolle. Sie sollten einen sicheren Hafen haben, um ein
selbstbestimmtes Leben zu führen. Franco A. sagt: „Falls jemand fragt, was
ich in Zukunft vorhabe: Hausmann und Vater.“
8 Jul 2022
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## AUTOREN
DIR Sebastian Erb
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