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       # taz.de -- taz-Sommerserie Nah am Wasser: Schicht für Schicht zum neuen Eis
       
       > In den Trainingshallen im Sportforum Hohenschönhausen machen Eismeister
       > aus Wasser den passenden Untergrund für Eiskunstlauf oder Eishockey.
       
   IMG Bild: Im Sommereinsatz: Eisaufbereitungsmashcine im Sportforum
       
       Im Wellblechpalast im Sportforum Hohenschönhausen, dort wo normalerweise
       die Eisbären trainieren, ist das Eis abgetaut. Auf dem Betonfußboden sind
       nur ein paar Pfützen übrig geblieben. Das geschieht jeden Sommer. Das Land
       Berlin, das im Sportforum drei Eishallen für [1][Eishockey], Eiskunstlauf,
       Eisschnelllauf im Leistungssport und auch für Schulsport und Hobbyläufer
       betreibt, spart mit der eisfreien Zeit eine Menge Geld, und die Techniker
       des Sportforums können notwendige Wartungsarbeiten durchführen. Nur eine
       von drei Eishallen ist im Sommer in Betrieb, und die müssen sich die
       Sportler aller drei Sportarten jetzt teilen. Aber überwiegend absolvieren
       sie in der eisfreien Zeit Trockentraining, arbeiten an der Kondition oder
       aber sie trainieren im Sommer in Trainingslagern an anderen Orten, wenn sie
       nicht selbst Urlaub machen.
       
       In der ersten Augustwoche wird das Eis im Wellblechpalast wieder aufgebaut,
       einen Monat später in der Eisschnelllaufhalle, erläutert Ayleen Röttig, die
       Teamleiterin für die Eismeister. Das sei ein Prozess, der sieben bis zehn
       Tage dauere, denn das Eis könne nur schichtweise aufgetragen werden. Und ob
       das Berliner Eis in der kommenden Saison gut ist, hänge auch vom Wetter in
       dieser Woche ab.
       
       Dabei hat Berlin in Sachen Eisqualität schlechtere natürliche
       Voraussetzungen als beispielsweise Luftkurorte im Gebirge. Der Grund: Das
       [2][Berliner Wasser] ist kalkreich und der viele Kalk führt zu härterem Eis
       als in den Bergen, wo frisches Quellwasser genutzt werden kann und die
       Eisqualität dadurch an manchen Orten legendär ist. Damit die Kufenläufer
       auch in der Hauptstadt leicht über das Eis gleiten können und international
       konkurrenzfähig sind, müssen die Eismeister das Wasser aufwendig durch eine
       Osmoseanlage schicken, wo es enthärtet wird, bevor sie neues Eis daraus
       machen.
       
       ## Erst Ammoniak, dann Schlauch
       
       „Wir kühlen die Eisbahnen zuerst mit Ammoniak“, erläutert Teamleiterin
       Röttig. Danach werde das Wasser mit einem Schlauch auf die Flächen
       gespritzt. Die oberen Lagen werden Tage später mit einem Wasserwerfer
       aufgespritzt. „Das Ganze muss langsam erfolgen, Schicht für Schicht, sonst
       gibt es zu viele Einschlüsse im Eis.“ Die studierte Sportmanagerin hat
       ebensowenig eine naturwissenschaftliche Ausbildung wie ihr Kollege André
       Wöbs, der einmal den Beruf eines Instandhaltungsmechanikers erlernte. Doch
       beide profitieren von ihrer jahrelangen beruflichen Erfahrung und von
       Fortbildungen. Eismeister ist kein Ausbildungsberuf. „Es entwickelt sich
       aber das Bewusstsein, das zu ändern“, sagt Röttig. Mit Physik und Chemie
       müssten sich Eismeister schon auskennen.
       
       Und sie müssen die Anforderungen kennen, die die Sportler an das Eis
       stellen. „Eisschnellläufer brauchen das schnellste Eis“, sagt Wöbs. Das
       heißt, das Wasser darf nur wenige Inhaltsstoffe enthalten. Die müssen die
       Eismeister dem Wasser erst einmal entziehen, bevor es zu Eis werden darf.
       „Aber wir dürfen es auch nicht übertreiben, sonst bewegt sich das frisch
       aufgetragene Wasser auf der Eisfläche wie Krampfadern, statt zu gefrieren.“
       
       Für Eiskunstläufer muss das Eis weich, also kalkarm sein, die Schicht aber
       dick, wissen die Eismeister. Röttig: „Das brauchen die Sportler, denn sie
       stechen beim Absprung mit der Kufe in das Eis. Würden sie dabei auf Beton
       stoßen, wäre das eine Verletzungsgefahr.“ Eiskunstläufer müssen bei
       Sprüngen zudem exakt auf den schmalen Kanten ihrer Kufen landen. Dabei kann
       man auf zu hartem Eis leicht wegrutschen. Auch das Gleiten funktioniert auf
       weichem Eis besser.
       
       Eishockeyspieler lieben hingegen härteres und kaltes Eis. Sie haben andere
       Kufen, die mit hartem Eis klarkommen. Wäre die oberste Eisschicht noch
       nicht gefroren, was bei weichem Eis öfter vorkommt, könnte die Scheibe
       nicht richtig rutschen. Da bei einem Spiel viele Personen gleichzeitig auf
       dem Eis sind, zerkratzt die Oberfläche zudem schneller – ein weiteres
       Argument für hartes Eis.
       
       ## Drei Eishallen in guter Qualität
       
       Die Temperatur in der Halle, die Eistemperatur und die Luftfeuchtigkeit
       entscheiden wesentlich über die Eisqualität. Und das insbesondere in den
       alten, noch in der DDR erbauten Hallen, wo mehr Umwelteinflüsse von außen
       eindringen. Im letzten Jahr klagten einzelne Eiskunstläufer in sozialen
       Netzwerken über eine schlechtere Eisqualität in Berlin, einige haben die
       Stadt sogar verlassen. #Doch die Eismeister betonen, dass das nicht an
       Sparmaßnahmen des Landes liege, sondern unter anderem an ungünstigem Wetter
       während des Neuaufbaus des Eises nach der Sommerpause im vergangenen Jahr.
       Bleibt es in diesem Jahr während des Eisaufbaus trocken, werden dem
       Berliner Sport in der kommenden Saison wieder drei Eishallen in guter
       Qualität zur Verfügung gestellt.
       
       Weil die Anforderungen der drei Eissportarten an das Eis so verschieden
       sind, stehen den jeweiligen Sportlern eigene Eishallen zur Verfügung. Jetzt
       im Sommer, wo sich alle eine einzige Fläche teilen müssen, ist das
       natürlich eine Ausnahme. Tritt man in diese Eishalle, in der gerade ein
       paar Kunstlaufpaare trainieren, kommt man von einem Moment auf den anderen
       vom Hochsommer in den Winter: Hier herrschen Lufttemperaturen unter zehn
       Grad und eine hohe Luftfeuchtigkeit. Für Eismeister André Wöbs ist es in
       dieser Jahreszeit eine willkommene Abkühlung, wenn er in die Eishalle
       kommt, mit Sportlern und Trainern plaudert und schließlich mit der
       Eismaschine über das Eis fährt und es frisch aufbereitet.
       
       Wo sonst in Berlin kann man bei hochsommerlichem Wetter solch eine
       Abkühlung erleben? „Unsere Kollegen, aber auch die Sportler und Trainer
       haben da ein ganz unterschiedliches Kälteempfinden“, sagt er. „Manche
       tragen eine dicke Winterjacke, andere kommen nur im T-Shirt.“ Journalistin
       und Fotografin der taz zogen nach einer Minute in der Eishalle ihre
       mitgebrachten Winterjacken über, während Wöbs mit kurzärmligem T-Shirt in
       der Eismaschine sitzt. Einige Trainer an der Bande haben auch dicke Jacken
       an, andere nur einen Trainingsanzug. Die meisten Sportler, die sich auf dem
       kalten Nass bewegen, laufen mit dünner Sportkleidung.
       
       Ungefähr zehnmal pro Tag fährt die Eismaschine über das Eis. Sie hobelt
       Schnee von der Eisoberfläche und spritzt neues Wasser auf, das rasch zu Eis
       gefriert. Die Eisfläche ist danach spiegelglatt, Unebenheiten und die
       Kratzer der Schlittschuhe sind verschwunden. Im Sportforum Hohenschönhausen
       ist dabei Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor, sagt Ayleen Röttig und zeigt
       auf eine Grube neben dem Maschinenraum.
       
       ## Schnee zu Wasser, Wasser zu Eis
       
       Darin wird der weggehobelte Schnee aufgefangen und dem Kühlkreislauf
       nachhaltig wieder zugeführt. Bei einer späteren Eisaufbereitung kann der
       einstige Schnee als kaltes Wasser wieder auf das Eis gespritzt werden.
       „Denn der Schnee ist ja schon durch die Osmoseanlage gegangen. Das ist
       billiger, als wenn wir das harte Berliner Leitungswasser noch einmal
       enthärten müssten.“
       
       Zehn Eismeister gibt es im Sportforum plus acht Maschinisten, die vom
       Maschinenraum aus Temperatur und Luftfeuchte in den Eishallen regeln. Das
       Sportforum ist Olympiastützpunkt, hier trainieren überwiegend die
       leistungsfähigsten Eissportler, diejenigen, die es einmal zu den
       Olympischen Spielen schaffen sollen oder auch schon Olympiaerfahrung haben.
       Roman Kluge, der stellvertretende Leiter des Sportforums, ist stolz darauf,
       dass Berlin diesen Sportlern die Eisflächen kostenlos anbietet. Das ist
       nicht bundesweit Standard. Ausländische Sportler und Teilnehmer am
       Publikumslaufen müssen Gebühren zahlen.
       
       3 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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