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       # taz.de -- Faesers neue Cybersicherheitsstrategie: Neuaufstellung oder Placebo?
       
       > Die Innenministerin präsentiert Ideen für mehr Cybersicherheit. Vor allem
       > kritische Sicherheitsstrukturen sollen besser geschützt werden.
       
   IMG Bild: Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen ihre Cyberabteilungen ausbauen
       
       Berlin taz | Nancy Faeser spart nicht an Deutlichkeit. Die Gefahr durch
       ausländische Cyberattacken sei durch [1][den Ukrainekrieg] „sehr ernst“,
       die Onlinekriminalität „exorbitant angestiegen“. Deutschland müsse seine
       Cybersicherheit deshalb „neu aufstellen“ und deutlich besser finanzieren,
       so die Bundesinnenministerin. „Die Bedrohungslage wächst Tag für Tag.“
       
       Am Dienstag stellte Faeser dafür in Berlin ihre neue Cybersicherheitsagenda
       vor. Noch gebe es durch den Ukrainekrieg keine konkrete Bedrohung für
       Deutschland, erklärt die Sozialdemokratin. „Aber wir sehen ein stetiges
       Scannen von Sicherheitslücken.“ Faeser sorgt sich vor allem um
       Cyberangriffe auf die Kritische Infrastruktur wie Energieversorger oder
       Krankenhäuser und um gezielte Sabotage oder Desinformation. Eine große
       Gefahr blieben auch Ransomware-Angriffe auf Privatunternehmen oder Behörden
       wie [2][zuletzt im Landkreis Anhalt-Bitterfeld], bei denen Daten
       verschlüsselt und erst nach Lösegeldzahlungen wieder freigegeben werden.
       
       Bisher ist die Abwehr von Cyberangriffen Aufgabe der Länder. Faeser will
       nun eine klare Verlagerung auf den Bund – was eine Grundgesetzänderung
       verlangt. Sie zeigte sich optimistisch, dass die Länder dies mittragen, da
       diese angesichts der Bedrohungslage schon jetzt überfordert seien. Gestärkt
       werden soll nun vor allem das Bundesamt für Sicherheit in der
       Informationstechnik (BSI), das zur Zentralstelle für die Cybersicherheit
       von Bund und Ländern und unabhängiger werden soll. 1.300 Mitarbeitende
       widmen sich dort bisher der Netzsicherheit und dem digitalen Schutz von
       Kritischer Infrastrukturen.
       
       Betreiber dieser Strukturen sollen nun enger ans BSI-Lagezentrum angebunden
       und in der Behörde für jeden Sektor ein „Cyber Emergeny Response Team“
       aufgebaut werden. Zudem soll das BSI eine Plattform aufbauen, auf der sich
       Unternehmen vor Cyberangriffen warnen können. Perspektivisch soll daraus
       ein „ziviles Cyberabwehrzentrum“ werden, mit dem „aktiv und automatisiert
       auf Cyberangriffe reagiert werden kann“.
       
       ## Hackbacks ja oder nein?
       
       Ob und wie größere Cyberattacken aber auch von Sicherheitsbehörden
       abgewehrt werden sollen, blieb auch am Dienstag unklar. Die Ampel hatte in
       ihrem Koalitionsvertrag sogenannte Hackbacks, also Gegenschläge auf
       angreifende Server, grundsätzlich ausgeschlossen. Auch Faeser betonte,
       „aggressive Gegenschläge“ solle es nicht geben. Dennoch müsse man in der
       Lage sein, bei schweren Angriffen attackierende Server abzuschalten.
       
       Die [3][Linken-Digitalpolitikerin Anke Domscheit-Berg] kritisierte, dass
       dies dann sehr wohl Hackbacks bedeute, auch wenn sich Faser „semantisch
       drum herum wurstelt“. Die Gefahr bleibe, dass für Cyberattacken fremde
       Server benutzt würden, etwa von Krankenhäusern, die bei Hackbacks
       ausgeschaltet und für die bewusst Sicherheitslücken offengelassen würden.
       
       Faeser will derweil, dass auch die Sicherheitsbehörden – also
       Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt und Bundespolizei – ihre
       Cyberabteilungen ausbauen und ihre IT-Infrastruktur modernisieren.
       Unterstützung sollen sie dafür wiederum von der [4][Zentralen Stelle für
       Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis)] erhalten. Diese ist
       bisher 250 Mitarbeitende stark. Auch Zitis soll eine neue gesetzliche
       Grundlage bekommen – eine Forderung der Grünen, die zuletzt kritisierten,
       ob das Haus „tatsächlich einen Beitrag zur Erhöhung der allgemeinen
       IT-Sicherheit leistet“. Für Faeser soll Zitis dagegen nun als zentraler
       Dienstleister für die Sicherheitsbehörden neue Analysewerkzeuge entwickeln.
       Konkret geht es um Recherchetools für soziale Medien, Künstliche
       Intelligenz für die Polizei oder um Programme, um Verschlüsselung zu
       knacken.
       
       ## Kampf auch gegen Cybercrime
       
       Härter bekämpfen will Faeser auch [5][Missbrauchsdarstellungen von Kindern
       im Internet]. Mit einer Nationalen Strategie sollen diese früher gemeldet,
       verfolgt und gelöscht werden. Faeser sieht hier vor allem das
       Bundeskriminalamt zuständig, um die massenhaften Daten auszuwerten.
       Gleiches gilt für die Identifizierung von Verfasser:innen von
       Hassbotschaften, welche ihr Ministerium weiter forcieren will.
       
       Zu guter Letzt sollen sich auch die Bundesbehörden besser und
       „unverzüglich“ vor Cyberangriffen schützen. Ein „Verstärkungsprogramm“ für
       die Cybersicherheit des Bundes soll aufgelegt werden und das
       Quantencomputing beim BSI weiter gefördert werden, das höhere
       Recheneffizienz verspricht und eine sicherer Regierungskommunikation
       gewährleisten soll. Zudem soll ein zentrales Videokonferenzsystem für die
       Bundesverwaltung eingeführt und die Cybersicherheitsforschung gestärkt
       werden.
       
       Die Linke Domscheit-Berg überzeugt die Agenda nicht. Diese offenbare
       vielmehr eine „digitale Inkompetenz“, Maßnahmen wie Hackbacks seien
       „kontraproduktiv und schlicht kreuzgefährlich“. Faeser und ihr Ministerium
       seien die Tragweite und Konsequenzen ihrer Vorschläge offenbar nicht
       bewusst.
       
       Der [6][Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz] reagierte freundlicher,
       aber dennoch verhalten. Die Agenda könne „nur ein erster Aufschlag sein“,
       erklärte er. Eine „echte Kehrtwende“ bei der IT-Sicherheit sei sie nicht.
       Um diese stehe es nach Jahren der Untätigkeit „extrem schlecht“. Auch fehle
       es weiter an klaren Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit der Behörden im
       Digitalen, an finanzieller Unterstützung für Bürger und Unternehmen, die
       sich digital besser schützen wollen – und an einer Stärkung für die
       Freiheitsrechte.
       
       12 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
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