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       # taz.de -- Zinserhöhung der EZB: Richtiger Schritt, aber mit Risiko
       
       > Die Zinserhöhung war nötig, um den Euro stabil zu halten. Zugleich
       > besteht aber die Gefahr, dass sie die sowieso schon gebeutelte Wirtschaft
       > bremst.
       
   IMG Bild: Am Donnerstag erhöhte die EZB den Leitzins auf 0,5 Prozent
       
       Werte sind eine Frage des Glaubens. Das gilt auch für materielle Werte.
       Wer, zum Beispiel, Dutzende Millionen für ein Gemälde ausgibt, glaubt,
       dass das Kunstwerk die Summe wert ist und man es zu diesem oder einem
       höheren Preis weiterverkaufen kann. Die Notierungen von Aktien oder
       Währungen spiegeln den Glauben der Händler:innen am Markt wider, welches
       der momentan angemessene Wert des Unternehmens beziehungsweise der Kurs des
       Geldes sei.
       
       So gesehen musste die Europäische Zentralbank (EZB) jetzt handeln. Denn die
       am vergangenen Donnerstag verkündete [1][Zinserhöhung um 0,5 Prozent]
       berührt die Frage der Glaubwürdigkeit.
       
       [2][Bei 8,6 Prozent Inflation im Euroraum] nichts zu tun ist keine Option.
       Die plausible Begründung dafür findet sich in Artikel 127 des Vertrags über
       die Arbeitsweise der Europäischen Union. „Geldwertstabilität ist das
       vorrangige Ziel“ der Zentralbank, heißt es dort. Bei 8,6 Prozent Entwertung
       im Jahresvergleich ist der Geldwert aber nicht stabil, Ende der Durchsage.
       
       Wenn die Notenbank jetzt nicht gehandelt hätte, kämen ernsthafte Zweifel
       daran auf, ob sie wirklich ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und die
       Kaufkraft der Währung sichern will. Weil viele Börsenhändler:innen dann
       ihren Glauben an die Politik der EZB verlören, galoppierte die Inflation
       munter weiter und nähme möglicherweise noch zu.
       
       ## Importe werden billiger
       
       Aber handeln EZB-Präsidentin Christine Lagarde und ihre Kolleg:innen
       ökonomisch betrachtet richtig? Manche Kritiker:innen sagen, die
       aktuelle Inflation lasse sich durch die Zinserhöhung gar nicht bremsen.
       Denn die Ursachen des Preisauftriebs lägen vor allem in den Lieferproblemen
       auf den Weltmärkten und den Kostensteigerungen für importierte Energie,
       doch auf diese Faktoren habe die Geldpolitik der EZB keinen Einfluss.
       
       Zumindest das zweite Argument trifft aber nicht zu. Denn als Folge der
       Zinserhöhung steigt der Kurs des Euro im Vergleich zum Dollar, wodurch sich
       die in US-Währung abgerechneten Energieimporte verbilligen.
       
       Ein weiteres Gegenargument lautet, steigende Zinsen verschärften die
       Schuldenlast, die Euromitglieder wie Italien erdrückten. Einerseits
       zutreffend, andererseits hat die EZB ein neues Programm zum Aufkauf von
       Staatsanleihen entwickelt, um im Notfall eine neue Eurokrise zu verhindern.
       
       Trotzdem geht die EZB [3][jetzt ein hohes Risiko ein]. Die Zinserhöhung
       bremst ja die Wirtschaft insgesamt. Und das ist das Gegenteil dessen, was
       in der aktuellen Lage ratsam erscheint – schließlich geht das Wachstum
       sowieso schon zurück. Bleibt der Glaube, dass die Notenbank die
       wirtschaftliche Lage mit moderaten Zinserhöhungen einigermaßen manövrieren
       und zu große Schäden vermeiden kann.
       
       23 Jul 2022
       
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   DIR Hannes Koch
       
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