# taz.de -- Kunstprojekt Tropez in Berliner Freibad: Die Kunst mit Badehose
> Eine Schnittstelle zwischen Kulinarik, Ästhetik und Spaßbad soll das
> Tropez im Sommerbad Humboldthain sein. In diesem Jahr aber schneidet sich
> wenig.
IMG Bild: Das Vergnügen im Wasser funktioniert im Sommerbad Humboldthain
Ein schimmelndes Croissant auf einem Klumpen blassroter Johannisbeeren,
darunter braune Erde. Grashalme ragen aus dem schwiemeligen Grund in dem
kleinen Kubus auf einer weißen Säule, von den Glaswänden rinnt
Kondenswasser.
[1][„Wardscher Kasten“] hat die Künstlerin Isa Melsheimer ihre Installation
genannt, die ein paar hungrige Besucher auf der Terrasse des kleinen
Imbisses im Berliner Sommerbad Humboldthain ratlos beäugen. Den Namen hat
sich Melsheimer von dem britischen Arzt geborgt, der im 19. Jahrhundert
Minigewächshäuser erfand, die wie der Treibhauseffekt funktionieren. Schwer
zu sagen, welcher Pädagogik die Arbeit folgt. Soll sie vor dem Effekt, der
gerade den Globus versengt, warnen oder ihm die Hoffnung auf neues Leben
abgewinnen?
Die Humboldthainer haben sich für die positive Sicht entschieden. Letzte
Woche hatte ihnen der „zeitweilig bewölkte“ Himmel noch die Laune
verdorben. Jetzt, wo die Sonne endlich wieder knallt, kann ihnen der
kunstverdächtige Backsteinpavillon gestohlen bleiben.
Als vor fünf Jahren das [2][Kunstprojekt Tropez] in dem Sommerbad seine
Pforten öffnete, ging ein Ruck durch die Berliner Kunstszene. Das
50er-Jahre-Relikt zu Füßen der Humboldthöhe avancierte plötzlich zur Côte
d’Azur der urbanen Art-Avantgarde.
## Lustloses rumstochern in der Currywurst
Wie jedes gute Kunstprojekt florierte auch das Tropez durch ein
raffiniertes Crossover aus Förderknete und Service. Den in die Jahre
gekommenen Kiosk hatten die Tropezianer mit Kaffee aus guter Röstung,
Fritteuse ohne Palmöl und Kaltem Hund in eine magical Schnittstelle
zwischen Kulinarik, Ästhetik und Spaßbad verwandelt.
Ein Jammer, dass sie das jetzt aufgegeben haben. Im Vorjahr rührten noch
flutschfingernde Kids mit großen Augen in den seltsamen, grünblauen
Glibberkugeln im Plastikfass, während nebenan die Pils trinkenden
Hornbrillen aus Mitte in Schwimmshorts den Art-Talk führten. Heute stochert
eine einsame Security-Kollegin in neongelber Sicherheitsweste lustlos in
der Currywurst.
Wie die Kunst auf den Nullpunkt der stummen Rezeption gefallen ist, ganz
ohne Diskurs und Performance auf der ausgeblichenen Humboldtwiese, heißt es
auch bei der festen Nahrung back to the basics: Filterkaffee, Eis am Stiel,
Fritten & Wurst – das war’s. Fantasie und Fun sind wieder getrennte
Sphären.
Ohne den Hof der Vermittlung reagiert die noch nicht ganz so kunstbereite
Szene hilflos auf die visuelle Challenge der Saison. „Irgendetwas mit
Dschungel?“, knurrt einer der migrantisch angehauchten Jungs seinem Kumpel
zu, als sie Grit Burmeisters und Franzi Kleinerts bunte Fantasiefahnen vor
dem Pavillon zu deuten versuchen. Schließlich konzentrieren sie sich doch
lieber auf die Pommes in der gewellten Pappschale, von denen ein fetter
Batzen Ketchup tropft.
Träge vergeht der Nachmittag. Inzwischen hat die Hitzewelle Berlins Global
North erreicht. Selbst die Schirme aus flirrendem Kunstbast, die zu Beginn
der Tropez-Story noch verheißungsvoll Azur leuchteten, sind schon ganz
braun.
25 Jul 2022
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## AUTOREN
DIR Ingo Arend
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