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       # taz.de -- Hunderttausende beim Berliner CSD: Queerer Drahtseilakt
       
       > Auf dem CSD drängten sich die Massen und Musiktrucks. Die politischen
       > Botschaften blieben bisweilen auf der Strecke.
       
   IMG Bild: Der Berliner CSD ist wieder da, und genau so, wie mensch ihn kennt
       
       Berlin taz | Vor dem Getränkestand an der Siegessäule drängen sich schon um
       13 Uhr die Aktivist:innen und Schaulustigen, obwohl die Parade zu
       diesem Zeitpunkt noch mehrere Kilometer und viele Stunden entfernt ist. „Es
       ist jetzt schon hektisch, aber auch sehr aufregend“, sagt Barkeeperin Issy
       Macdonald, während sie einem älteren Pärchen mit Glitzer und
       Regenbogenschminke zwei „Sex on the Beach“ mixt.
       
       So wie die drei feierten am Samstag hunderttausende Menschen den [1][44.
       Berliner Christopher Street Day]; der Zug mit den Partytrucks zog von der
       Leipziger Straße über Nollendorfplatz und Siegessäule bis zum Brandenburger
       Tor. Und es war sehr, sehr voll: Die Veranstalter:innen sprachen von
       600.000 Teilnehmenden, selbst die Polizei von 350.000 Menschen. Kein
       Wunder: Die Demonstration fand nach zwei Jahren Pandemie wieder ohne
       Einschränkungen statt, und so kuschelten sich die 89 Wagen in einer langen,
       bunten Schlange aneinander.
       
       Vorneweg fuhren die vier Trucks des CSD e.V., gefolgt von einem Wagen der
       evangelischen Kirche, die die verschiedenen Schwerpunkte wie
       trans-Sichtbarkeit, mentale Gesundheit oder Religion und Spiritualität
       repräsentierten. Wie der CSD-Vorstand im Vorfeld erklärt hatte, sollte der
       Pride March dieses Jahr wieder politischer werden. Doch das
       Fronttransparent mit der Aufschrift „Wir sind keine Parade!“ wirkte
       angesichts der feiernden Menschenmassen etwas deplatziert. Zu Eurodance-,
       Schlager- und Pophymnen präsentierten sich neben Parteien und
       Gewerkschaften viele Firmen und verteilten Werbegeschenke oder Sticker.
       
       ## Feiern mit Fächer
       
       Obwohl die befürchtete Hitze ausgeblieben war, kamen viele
       Besucher*innen gut vorbereitet, mit Fächern, Ventilatoren und – in
       Erwartung extremer Temperaturen – entsprechend leicht bekleidet. Zur
       Abkühlung der Tanzenden wurde an einer Stelle sogar ein Gartenschlauch in
       einer Grünanlage angeschlossen, was auch von den anwesenden Eltern zur
       Bespaßung ihrer Kinder dankend angenommen wurde.
       
       Trotzdem war auch der politische Ausdruck immer präsent, unter anderem
       wegen der vielen ukrainischen Fahnen. So trat der Verein Quarteera, in dem
       sich russischsprachige Queers in Deutschland organisieren, mit einem Truck
       ganz in den ukrainischen Nationalfarben auf. Die Forderung: Der russische
       Genozid in der Ukraine sei zu beenden.
       
       Doch der Versuch, die Mitte zwischen Unterhaltung und Politik zu finden,
       blieb immer auch ein Drahtseilakt. Das wurde zum Beispiel bei der
       jährlichen Verleihung des Soul of Stonewall-Awards auf der
       Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor deutlich. Einen der Preise erhielt
       Frank Peter Wilde für sein aktivistisches Lebenswerk, der sich mit seiner
       Social Media Arbeit besonders für die queere Community in der Ukraine
       einsetzt.
       
       Während seiner Laudatio auf Wilde musste Blogger und Aktivist Johannes Kram
       immer wieder kurz stoppen, da die Musik der Wagen einfach zu laut
       herüberschallte. Kram betonte, dass der Angriffskrieg gegen die Ukraine
       angesichts der LGBTQ-feindlichen Politik in Russland ein Angriff auf queere
       Lebensweisen überall sei.
       
       ## … und dann auf die Afterparty!
       
       Währenddessen erreichten die letzten Wagen so langsam die Siegessäule.
       Entsprechend dem Motto der Demo „United in Love! Gegen Hass, Krieg und
       Diskriminierung“ feierten die Ankömmlinge auf der Straße des 17. Juni bis
       in den Abend hinein. Auf Twitter bedankten sich die Veranstalter:innen
       gegen Mitternacht bei allen die gekommen waren und wünschten eine „tolle
       Nacht“, die viele Tanzende sicherlich bei einer der Afterparties beendeten.
       
       24 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Friedemann Melcher
       
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