URI: 
       # taz.de -- Bürger und Rat im Clinch: Eine Gemeinde streitet um ihr Erbe
       
       > In Suderburg bei Uelzen kämpfen Bürger um ihre alte Schule. Einen
       > Bürgerentscheid haben sie verloren. Jetzt ist die Kommunalaufsicht
       > eingeschaltet.
       
   IMG Bild: Ein Stück Dorfgeschichte: die alte Schule in Suderburg
       
       Hamburg taz | In der [1][Gemeinde Suderburg bei Uelzen] soll ein Stück
       Geschichte und Eigenart verschwinden. Am Montagabend wollte der Rat 40.000
       Euro freigeben, um den Abriss der alten Schule zu ermöglichen. Um das nach
       Ansicht seiner Freunde „ortsbildprägenden“ Klinkergebäude aus dem Jahr 1908
       gibt es seit Jahren Streit. Die Versuche, den Abriss abzuwenden, sind nach
       zwei Jahren in einem Bürgerentscheid gescheitert. Doch damit ist die
       Geschichte noch lange nicht zu Ende.
       
       Weil der [2][Bürgerentscheid] nicht korrekt abgelaufen sei, gab es eine
       Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Jetzt überprüft ihn die
       Kommunalaufsicht. Die Widerborstigkeit der Abrissgegner brachte manche
       Verwaltungsmitarbeiter so auf die Palme, dass sie ihre bürokratischen
       Muskeln spielen ließen. Ein kritischer Ratsherr fühlt sich gemobbt.
       
       Die Anzeige hat Andreas Koch gestellt, ein [3][ehemaliger Polizist, der
       gerade ein Buch mit dem Titel „Das kommt von oben] – da können wir nichts
       machen“ veröffentlicht hat – ein Plädoyer, dass nicht alles hingenommen
       werden muss, was von „oben“ entschieden werde. Er wisse von Leuten, die
       keine Abstimmungsbenachrichtigungen erhalten hätten.
       
       Ein Ratsmitglied sei in einem Abstimmungsvorstand tätig gewesen und habe
       dort auch noch Empfehlungen für die Abstimmung ausgesprochen. In einem
       anderen Wahlbezirk habe der Abstimmungsvorstand einen Musterstimmzettel mit
       einem Kreuz gegen die Bürgerinitiative in die Kabine gehängt. Als er dies
       dem Abstimmungsleiter habe mitteilen wollen, sei er abgeblitzt, sagt Koch.
       
       ## Etwas feuriger reagiert
       
       Von Fällen, in denen Abstimmungsberechtigte keine Benachrichtigungen
       erhielten, hat auch der parteilose Ratsherr Götz Schimmack mehrfach gehört.
       Schimmack fertigte einen Vermerk an und berichtete im Bau- und
       Wegeausschuss. Gemeindedirektor Wolf-Dietrich Marwede (parteilos) habe dazu
       nur einen Satz gesagt: „Ich werde dem nachgehen.“
       
       Der taz bestätigt Marwede, dass die Kommunalaufsicht Uelzen Unterlagen
       angefordert habe. „Alles, was wir beantworten konnten, haben wir zur
       Verfügung gestellt“, sagt Marwede.
       
       Etwas feuriger reagierte Rüdiger Lilje, der Leiter des Fachamtes Bau. In
       einer Mail vom 10. Juli teilte er dem Rat mit: „Ich habe heute Morgen bei
       der persönlichen Postzustellung auf dem Grundstück Schimmack aus meiner
       Sicht rechtliche Probleme vorgefunden.“
       
       Er habe dazu den niedersächsischen Gemeindebund um rechtliche Prüfung
       ersucht und auch die Kommunalaufsicht hinzugeschaltet. Er sehe einen sehr
       engen Zusammenhang mit der Eingabe Kochs und vor allen mit den Aussagen des
       Ratsmitgliedes Schimmack zum Bürgerentscheid.
       
       ## Merkwürdiges Vorgehen
       
       In einer Mail an Schimmack schildert Lilje, wie er auf dessen Grundstück
       „einen aktiven Briefkasten“ gesucht habe. Schließlich habe er eine nicht
       verschließbare Holzbox gefunden und sein Schreiben dort nicht eingeworfen,
       weil es nicht öffentliche Teile enthalten habe. „Ich habe im Hause
       veranlasst, zukünftige nicht öffentliche Post per Einschreiben und
       Rückschein an Sie zu versenden“, teilt er Schimmack mit.
       
       Dieser hatte sich schon über die merkwürdige Durchstreifung seines Anwesens
       gewundert. Seit 2011 sitze er im Rat. Nie habe es Probleme mit der Post
       gegeben, die die gemeindlichen Schreiben ja gemeinhin zustellt. Liljes
       Anzeigen nennt Schimmack Mobbing. „Wir fragen uns: Was motiviert die andere
       Seite, in der Sache dermaßen streng und unerbittlich vorzugehen.“
       
       [4][Grund, sich das zu fragen, hätte auch Andreas Paschko, Mitinitiator]
       der Bürgerinitiative. Als er vor einem Jahr vom teilweisen Einsturz des
       Anbaus der alten Schule hörte, sah er sich den Schaden an und betrat das
       Gebäude. Die Tür sei aufgebrochen gewesen. „Wir wollten uns überzeugen,
       dass hier keine Menschen zu Schaden gekommen waren“, sagt Paschko. Er rief
       die Polizei – und erhielt ein paar Tage später eine Anzeige der Gemeinde
       wegen Hausfriedensbruchs.
       
       Gemeindedirektor Marwede will sich zu diesen Vorfällen nicht äußern. Lilje
       sei im Urlaub, der andere Vorfall liege vor seiner Amtszeit. Die
       Wahlbenachrichtigungen sind für ihn nur eine Ergänzung. „Wir haben
       öffentlich bekannt gemacht“, sagt Marwede. Jeder hätte nachschauen können,
       ob er auf der Wählerliste steht.
       
       [5][Dass die alte Schule abgerissen werden soll], erklärt er damit, dass
       der Abriss nun mal beschlossen sei und eine Sanierung des alten Gebäudes zu
       aufwendig.
       
       26 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Arbeitsgerichtsklage-nach-Jobabsage/!5857960
   DIR [2] /Kommunale-Buergerentscheide/!5725222
   DIR [3] http://www.suderburg-online.de/
   DIR [4] http://www.suderburg-online.de/hausfriedensbruch/
   DIR [5] https://ris-sud.itv-ue.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=1004377
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
   DIR Kommunalpolitik
   DIR Bürger-Initiativen
   DIR Bürgerentscheid
   DIR Abstimmung
   DIR Gleichstellung
   DIR Krankenhäuser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Arbeitsgerichtsklage nach Jobabsage: Ein Mensch möchte gleichstellen
       
       Die Ostfalia-Hochschule hat einen* nicht-binären Bewerber für das Amt der
       Gleichstellungsbeauftragten abgelehnt, weil nur eine Frau in Frage komme.
       
   DIR Kommunale Bürgerentscheide: Weniger Demokratie wagen
       
       In Niedersachsen will die SPD-CDU-Regierung offenbar Bürgerentscheide zu
       Krankenhausstandorten unmöglich machen.
       
   DIR Boomende Basisdemokratie: Bürger reden gerne mit
       
       Basisdemokratie kommt bei den Deutschen gut an, meldet der Verein Mehr
       Demokratie. Bundesweit wurden 4.500 Bürgerbegehren organisiert.