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       # taz.de -- Mockumentery-Serie „Abbott Elementary“: Lehrerzimmer mit Witz
       
       > In der Sitcom-Serie „Abbott Elementary School“ auf Disney+ steht ein
       > Lehrerkollegium im Mittelpunkt. Das ist herrlich schräg und albern.
       
   IMG Bild: Quinta Brunson, Schöpferin und Hauptdarstellerin der „Abbott Elementary“
       
       Die Abbott Elementary School ist eine, wie es sie [1][in den USA]
       vermutlich so ähnlich in jeder größeren Stadt mehrfach gibt. Eine
       staatliche Grundschule, die überwiegend von Schwarzen Kids besucht wird,
       heruntergewirtschaftet durch jahrzehntelange Sparmaßnahmen und
       Personalkürzungen. Der Lehrkörper umfasst begeisterungsfähige und naive
       Berufsanfänger genauso wie erfahrene, aber desillusionierte alte Hasen.
       Genau der richtige Ort also für ein Kamerateam, um Material für ein
       Dokumentarprojekt über den Lehreralltag einzufangen.
       
       „Abbott Elementary“ ist eine Sitcom über dieses Dokumentarprojekt, oder
       besser gesagt: über ebenjene fiktive Schule in Philadelphia. Dass die Serie
       als [2][Mockumentary] daherkommt und die Protagonist*innen entsprechend
       immer mal wieder das Geschehen direkt in die Kamera kommentieren, spielt
       ziemlich schnell eigentlich keine allzu große Rolle mehr. Viel passender
       als Einordnung ist das Genre der „workplace comedy“ à la „Parks and
       Recreation“. Es geht vor allem um die Arbeitswelt des Lehrerkollegiums in
       all ihren Facetten. Von schlechtem Essen in der Schulkantine über
       mangelndes Geld für Bücher bis hin zu nicht funktionierenden Toiletten.
       
       Im Zentrum steht dabei Janine Teagues (Quinta Brunson, auch Schöpferin und
       Showrunnerin der Serie), die genau wie ihr Kollege Jacob Hill (Chris
       Perfetti) als eine von wenigen Neulingen das erste Jahr im Job überstanden
       hat. Skeptisch beäugt werden sie von der abgebrühten Melissa Schemmenti
       (Lisa Ann Walter), die Janines Parallelklasse leitet, und vor allem der
       ebenso strengen wie religiösen Barbara Howard (Sheryl Lee Ralph), die für
       die Vorschulkinder verantwortlich ist. Und dann sind da noch der neue
       Vertretungslehrer Gregory Eddie (Tyler James Williams) sowie die taktlose,
       faule und nicht ihrer Fähigkeiten wegen eingestellte Schulleiterin Ava
       Coleman (Janelle James).
       
       ## Der „Club der toten Dichter“ dient als Gag-Vorlage
       
       Allen Gefahren, die Geschichten über Lehrer*innen innewohnen, weiß
       „Abbott Elementary“ erfolgreich aus dem Weg zu gehen. Weder liegt zu viel
       Fokus auf den Kindern (auch wenn die ein paar wunderbare Momente haben),
       noch werden der Berufsstand oder einzelne Figuren verklärt, wie das im
       [3][„Club der toten Dichter“] der Fall war. Der Film muss wie so vieles als
       augenzwinkerndes Gag-Material herhalten.
       
       Die Serie, deren erste Staffel nach 13 Episoden viel zu früh vorbei ist,
       ist ohnehin eine echte Ausnahmeerscheinung im Gros des seriellen Inhalte
       dieser Tage. Haben die meisten Produktionen, die aktuell für echten
       Gesprächsstoff sorgen und von Publikum wie Kritik gleichermaßen gefeiert
       werden, ihr Zuhause entweder bei einem Streamingdienst oder zumindest im
       Pay-TV, ist „Abbott Elementary“ tatsächlich in den USA ganz klassisch im
       frei empfangbaren Fernsehen zu sehen. Jeden Dienstagabend,
       Werbeunterbrechungen inklusive.
       
       Bei den Emmy Awards, dem wichtigsten TV-Preis der Welt, darf sich die Serie
       als erste sogenannte Network-Comedy seit dem Ende von „Modern Family“
       ernsthafte Chancen ausrechnen.
       
       Schöpferin und Hauptdarstellerin Brunson, die ihre Karriere mit
       Comedy-Videos im Internet begann und für die US-amerikanische „Black Lady
       Sketch Show“ mitverantwortlich zeichnete, ist dabei übrigens die erste
       Schwarze Frau, die gleich drei Nominierungen im Comedy-Bereich für sich
       verbuchen kann: als Hauptdarstellerin, Autorin und Produzentin. Höchst
       verdient, wohlgemerkt, denn bei ihrer ersten eigenen Serie beweist sie als
       Erfinderin der Show nicht nur ein gutes Händchen für Humor und Timing,
       sondern vor allem für die richtige Balance.
       
       „Abbott Elementary“ ist mal bissig und trocken, mal albern und ausgelassen,
       mitunter herrlich schräg (nicht zuletzt dank Schulleiterin Coleman), öfter
       mal beiläufig und durchaus auch herzerwärmend und rührend, aber dabei weder
       zynisch noch kitschig. Dass die Arbeit an der zweiten Staffel, die dann
       ganz klassisch mit stattlichen 22 Folgen daherkommen wird, bereits begonnen
       hat, ist entsprechend eine gute Nachricht.
       
       26 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schulunterricht-daheim-in-den-USA/!5859670
   DIR [2] /Netflix-Serie-aus-Indien/!5706369
   DIR [3] https://www.daserste.de/information/nachrichten-wetter/ard-sondersendung/videos/o-captain-my-captain-die-tagesthemen-ehren-robin-williams-mit-dichter-anmoderation-100.html
       
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