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       # taz.de -- Proteste gegen UN-Mission im Kongo: Viele Tote und ein Scherbenhaufen
       
       > Zahlreiche Menschen sterben bei der Niederschlagung von Protesten gegen
       > die UN-Präsenz im Ostkongo. Die Zukunft der UN-Mission ist unklar.
       
   IMG Bild: „Nie wieder Monusco“: Potestierende in Goma, Dienstag
       
       Berlin taz | Die blutigsten Proteste gegen die [1][UN-Mission in der
       Demokratischen Republik Kongo (Monusco)] in ihrer Geschichte stellen die
       größte UN-Blauhelmmission der Welt vor ein Dilemma: Kann sie überhaupt noch
       in dem riesigen Land bleiben, das bis heute nicht zum Frieden findet?
       
       Die von massiven Plünderungen begleiteten Proteste, die am Montag in
       Nord-Kivus Provinzhauptstadt Goma begannen, weiteten sich am Dienstag auf
       weitere Städte der Provinz aus und am Mittwoch auf die Nachbarprovinz
       Süd-Kivu. Nach amtlichen Angaben wurden bis Dienstagabend 15 Menschen
       getötet. In Goma wurden fünf Zivilisten erschossen, mindestens einer davon
       aus einem UN-Gelände heraus. In der Stadt Butembo vermeldeten die Behörden
       sieben getötete Zivilisten, einen getöteten UN-Blauhelmsoldaten aus Marokko
       und zwei getötete indische UN-Polizisten. Am Mittwoch starben in der Stadt
       Uvira in Süd-Kivu weitere vier Demonstranten, als ein Schuss ein Stromkabel
       zerriss und dieses auf sie herunterfiel.
       
       Die Geschichte der UN-Präsenz geht zurück auf den Krieg von 1998–2003, als
       das Land von mehreren afrikanischen Armeen besetzt und geteilt war. Ab 2000
       überwachte die UNO den Rückzug der ausländischen Armeen. Doch dass diverse
       Milizen im Ostkongo weiterkämpften, konnten UN-Blauhelme höchstens
       punktuell eindämmen – bis heute. Dafür haben viele Menschen in den
       Kriegsgebieten kein Verständnis.
       
       Die Regierung hat versucht, den Unmut auszunutzen. Am 16. und 17. Juli
       tourte Senatspräsident Bahati Lukwebo durch Ostkongo und sagte: „20.000
       Männer sind seit über 22 Jahren im Land, und wir haben keinen Frieden (…)
       Wir werden den Frieden, die Sicherheit und die Integrität des Staatsgebiets
       selbst gewährleisten.“ Bahati ist als Senatspräsident der zweithöchste
       Mandatsträger im Staat; seine Partei [2][AFDC-A (Allianz der Demokratischen
       Kräfte des Kongo und Verbündete)] ist einer der größten Bestandteile von
       Präsident Tshisekedis Wahlallianz und soll im Ostkongo Stimmen für dessen
       Wiederwahl Ende 2023 holen. Dass er die Anti-UN-Karte zog, war ein klares
       Signal von höchster Stelle.
       
       Dass das als grünes Licht für Überfälle und Plünderungen gesehen wurde,
       hält Bahatis Partei nun für ein Missverständnis: man „bedauert, dass manche
       böswilligen Personen seine Aussagen deformieren und aus dem Zusammenhang
       reißen“, [3][erklärte die AFDC-A] am Dienstag abend. Am Montag, als die
       Proteste in Goma eskalierten, hatte ein AFDC-A-Kader in Goma sich [4][mit
       den Worten zitieren lassen]: „Wir haben den Aufruf unseres Führers Modeste
       Bahati respektiert. Wir werden alles plündern, die Monusco muss gehen.“
       
       Kongos Regierung versucht nun, die Bevölkerung mit dem Hinweis zu
       besänftigen, ein Rückzug der UN-Mission aus dem Land sei beschlossene Sache
       Dies betonte Regierungssprecher Patrick Muyaya am Dienstagabend vor der
       Presse.
       
       Tatsächlich wird das bis mindestens 2024 dauern. 2020 beschlossen Kongos
       Regierung und Monusco zwar eine „gemeinsame Strategie“ über einen
       schrittweisen Rückzug. Aber laut dem geltenden [5][„Übergangsplan“ aus dem
       Jahr 2021] wird eine Erfüllung von 18 „Minimalbedingungen“ das „allmähliche
       Herunterfahren“ der UN-Mission Ende 2024 möglich machen. Die 18 Benchmarks
       reichen von der Wiederherstellung eines funktionierenden Staatswesens auf
       allen Ebenen bis zur Schaffung von Sicherheit für alle – also alles, was
       Kongos Partner in den vergangenen zwanzig Jahren vergeblich umzusetzen
       versuchten. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass das in den kommenden
       zwei Jahren plötzlich gelingen sollte.
       
       Nun steht auch noch im Raum, dass kongolesische Regierungspolitiker Gewalt
       gegen die UN geschürt haben. Damit erschweren sie die Erfüllung der
       Bedingungen, die sie selbst für den Abzug ausgehandelt haben.
       
       27 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://monusco.unmissions.org/en
   DIR [2] http://www.afdcrdc.cd/
   DIR [3] https://twitter.com/afdc_a1/status/1551979323619426306
   DIR [4] https://africa24sur24.net/goma-nous-avons-respecte-le-mot-dordre-de-notre-leader-modeste-bahati-nous-allons-tout-piller-et-detruire-la-monusco-doit-partir-lance-un-cadre-de-lafdc-a/
   DIR [5] https://www.securitycouncilreport.org/un-documents/document/s-2021-807.php
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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