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       # taz.de -- Der Patriarch wird abserviert: Hannover 96 schmeißt Kind raus
       
       > Der Vereinsvorstand von Hannover 96 hat Martin Kind entlassen. Der will
       > sich wehren, doch hoffentlich bleibt der Verein standhaft.
       
   IMG Bild: Bei Hannover 96 rausgeschmissen: Martin Kind
       
       Nur zwei kurze Sätze, frei von Emotionen, waren es, die [1][der Vorstand
       von Hannover 96] am Mittwochabend in einer Mitteilung verschickte. Doch
       gerade diese betonte Nüchternheit machte deutlich, wie groß das ist, was
       sich der Fußballverein gerade getraut hat zu tun: „Martin Kind wurde als
       Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH mit sofortiger Wirkung aus
       wichtigen Gründen abberufen. Die Gremien werden zeitnah über die
       Neubestellung der Geschäftsführung entscheiden.“ Zwei Sätze – und damit ist
       klar: Nach vielen Jahren scheint es der Sportverein endlich geschafft zu
       haben, sich [2][aus den Fängen seines reichen Patriarchen] zu lösen.
       
       Es ist nun ein Vierteljahrhundert her, dass Kind die Kontrolle über den
       Sportverein übernahm. Damals war der Verein sportlich an einem Tiefpunkt
       angekommen: Im Jahr zuvor, es war das Jubiläumsjahr der Vereinsgründung,
       stieg Hannover 96 in die drittklassige Regionalliga ab. Der direkte
       Wiederaufstieg misslang – und nach einigen Turbulenzen übernahm zur
       Zufriedenheit aller Kind den Posten des Vereinspräsidenten.
       
       Und damit begann ein steiler Aufstieg: Der Verein war bald wieder
       erstklassig; das alte Niedersachsen-Stadion wurde komplett modernisiert und
       war Austragungsort einer Weltmeisterschaft; Anfang des vorigen Jahrzehnts
       gab es erfolgreiche Teilnahmen an internationalen Wettbewerben. Kurz: Unter
       Kind hatte der Verein [3][sportlich goldene Jahre].
       
       Doch die Dankbarkeit, die ihm entgegengebracht wurde, ließ mit zunehmendem
       Erfolg nach. Nicht mehr alles, was der Patriarch bestimmte, passte vielen
       Mitgliedern. Denn Kind wollte einzig und allein die Macht – und er wollte
       das „Produkt“ immer weiter kapitalisieren. Deshalb sollte die Verantwortung
       über den Profifußball nicht mehr in den Händen des demokratisch gewählten
       Vereinsvorstands liegen, sondern in den Klauen jener, die das größte
       Scheckbuch haben. Kind steht stellvertretend für die
       Hyperkommerzialisierung im Profifußball, die den Sport innerhalb kurzer
       Zeit umfassend zum Spielball weniger Reicher gemacht hat.
       
       ## Letzte Schlacht eines alten Mannes
       
       Wer sich in Hannover dagegen wehrte, hatte es schwer. Kind wedelte einfach
       mit zusätzlichem Geld oder drohte an, keinen Cent mehr in den Klub zu
       stecken. Es sorgte für einen breiten Riss im Verein und bei den Fans, die
       Drohungen wirkten über lange Zeit.
       
       Die Ära Kind ist mit dem knallenden Rausschmiss am Mittwoch nicht beendet –
       es ist wohl eher der Beginn des letzten Kapitels. Das Nachbeben wird sicher
       noch andauern. Kind wehrt sich bereits gegen seine Demontage. Vielleicht
       will der alte Mann doch noch mal eine letzte große Schlacht schlagen.
       
       Das liegt auch am System, das er bei Hannover 96 im Laufe der Jahre
       installiert hat. Die Profifußballer sind in ein Unternehmen ausgegliedert,
       andere Geschäftsbereiche ebenso. Und über diese Unternehmen hat der Verein
       nicht die volle Kontrolle. Vermögende Gesellschafter, eben wie ein Martin
       Kind, sprechen noch ein Wort mit.
       
       „Kind muss weg“, so lautet seit vielen Jahren die Parole aktiver
       Fußballfans – und vieler Mitglieder im Verein. Wenn sich die Mitglieder nun
       nicht noch einschüchtern und spalten lassen, werden sie diesen letzten
       Konflikt gewinnen, auch wenn das manche schwere Verluste nach sich ziehen
       wird. Aber es würde sich lohnen, denn es hieße dann endgültig: Kind ist
       weg.
       
       28 Jul 2022
       
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