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       # taz.de -- Extremwetter in Großbritannien: Hitze durch Klimakrise
       
       > Mehr als 40 Grad in Großbritannien? Eine Studie zeigt: Die Treibhausgase
       > haben das extreme Wetter im Königreich viel wahrscheinlicher gemacht.
       
   IMG Bild: Hitzewelle im Juli 2022: ein Schnellzug bei London, im Hintergrund ein brennendes Haus
       
       Berlin taz | Hitzewellen jagen einander zurzeit. Es vergeht kaum ein Tag
       ohne Meldungen über neue Horror-Temperaturen irgendwo auf der Welt. Auch
       Deutschland war von extremer und gefährlicher Hitze betroffen – noch
       außergewöhnlicher waren die Temperaturen aber in Großbritannien, wo man
       mildes Wetter gewohnt ist.
       
       Und trotzdem stand am Dienstag, dem 19. Juli, plötzlich eine 40 auf manchen
       britischen Thermometern, erstmals überhaupt auf den Inseln. Im
       ostenglischen Coningsby stieg die Temperatur auf 40,3 Grad Celsius – ein
       neuer Rekord, und zwar nicht nur knapp über der vorherigen Höchsttemperatur
       von 38,7 Grad von 2019.
       
       Die internationale Forschungsinitiative World Weather Attribution hat sich
       das extreme Wetter genauer angeguckt und auf Spuren der Klimakrise
       untersucht. Sie ist führend auf diesem Gebiet. Das Ergebnis: Ohne die
       menschengemachten Treibhausgase hätte es die extreme Hitze um den 19. Juli
       eher nicht gegeben. Der Klimawandel hat die Wetterlage mindestens zehnmal
       wahrscheinlicher gemacht.
       
       Das ermitteln Klimaforscher:innen und Meteorolog:innen, indem sie das
       Wetterereignis als Erstes ganz genau untersuchen und riesige Mengen Daten
       dazu sammeln. Dann vergleichen sie anhand von historischen Messdaten, zu
       welchen Ergebnissen dieselben Umstände in der Vergangenheit geführt haben.
       
       ## Wahrscheinlich ist der Klimakriseneffekt noch größer
       
       Außerdem speisen sie Klimamodelle mit den Daten, lassen sie mit und ohne
       die industriellen Treibhausgase des Menschen in der Atmosphäre laufen – so
       kann man den Anteil des Klimawandels ermitteln.
       
       Ohne Klimawandel hätten dieselben meteorologischen Umstände wohl zu
       mehreren Grad weniger geführt. Die Klimamodelle gaben etwa zwei Grad
       Unterschied aus. Laut der Klimaforscherin Friederike Otto vom Londoner
       Imperial College, die die Forschungsinitiative zusammen mit Kolleg:innen
       von der niederländischen Wetterbehörde leitet, unterschätzen die globalen
       Klimamodelle europäischer Sommerhitze allerdings systematisch. Das heißt:
       Wahrscheinlich ist der Effekt sogar noch größer. Das legt auch der
       Vergleich mit den historischen Wetterdaten nahe.
       
       Die Studie selbst hat nicht die in Forschungskreisen üblichen Prüfverfahren
       durchlaufen. World Weather Attribution veröffentlicht die Ergebnisse stets
       selbst statt in Fachmagazinen. Die Idee: Die Öffentlichkeit braucht die
       Antworten auf die Forschungsfragen in diesen Fällen schnell, nicht erst
       nach monatelangem Prozedere.
       
       Die Ergebnisse gelten dennoch als gesichert, denn die verwendeten Methoden
       sind etabliert und konventionell publiziert – sind also sehr wohl von
       unabhängigen Fachkolleg:innen auf Herz und Nieren geprüft.
       
       Bei Hitzewellen zeigt sich bei den Studien der Gruppe ein deutliches Bild:
       Der Klimawandel hat jede einzelne deutlich wahrscheinlicher gemacht. Die
       Hitzewelle im Westen von Kanada und den USA im vergangenen Jahr wäre
       demnach sogar [1][„praktisch unmöglich“ gewesen ohne Klimawandel]. Auch die
       Hitzewelle, die im Mai in großen Teilen Indiens und Pakistans herrschte,
       war deutlich auf den Klimawandel zurückzuführen, der sie 30-mal
       wahrscheinlicher gemacht hatte.
       
       Bei anderen Extremwetterformen sind die Ergebnisse teils nicht so
       eindeutig. Im vergangenen Jahr hatte World Weather Attribution
       beispielsweise die Dürre in Madagaskar untersucht und war zu dem Schluss
       gekommen, dass der Klimawandel [2][keine signifikante Rolle gespielt habe].
       Die krassen Folgen des ausbleibenden Regens seien eher auf die Armut in der
       Region zurückzuführen.
       
       Anders sah es wiederum [3][bei dem Starkregen aus], der im vergangenen Jahr
       die katastrophalen Überschwemmungen im Ahrtal ausgelöst hatte. Der
       Klimawandel hatte die Wahrscheinlichkeit für dieses extreme Wetterereignis
       laut Studie von World Weather Attribution um das 1,2- bis 9-Fache erhöht.
       Außerdem verstärkte er den Regen noch, steigerte die maximale
       Tageswassermenge um 3 bis 19 Prozent.
       
       1 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Schwarz
       
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