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       # taz.de -- Vorwürfe gegen RBB-Intendantin: Der Fall Schlesinger
       
       > Seit Wochen gibt es Vorwürfe gegen RBB-Chefin Patricia Schlesinger. Sie
       > selbst streitet fast alles ab. Ein Überblick.
       
   IMG Bild: Seit sechs Jahren Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg: Patricia Schlesinger
       
       1. Was wird Patricia Schlesinger vorgeworfen? 
       
       Ende Juni hat [1][Business Insider Vorwürfe] gegen RBB-Intendantin Patricia
       Schlesinger erhoben, immer wieder kamen neue hinzu. Seither steht
       Schlesinger, die bis Ende 2023 auch ARD-Vorsitzende ist, im Mittelpunkt
       einer Debatte, bei der es um folgende Fragen geht: Geht der RBB
       verantwortungsvoll mit öffentlichen Geldern um? Verschaffen sich einzelne
       Funktionsträger:innen unter dem Schirm des Öffentlich-Rechtlichen
       finanzielle Vorteile? Und ist der Umgang des RBB mit möglichen
       Interessenkonflikten zu nachlässig? Um den Antworten darauf näherzukommen,
       muss man sich mit einem teils schwer überschaubaren Komplex an Vorwürfen
       auseinandersetzen.
       
       Business Insider schreibt von einem „System aus gegenseitigen
       Gefälligkeiten“ zwischen Schlesinger und RBB-Verwaltungsratschef
       Wolf-Dieter Wolf. Letzterer ist auch Aufsichtratschef der Messe Berlin und
       habe Schlesingers Ehemann „lukrative Aufträge“ zugespielt. Andererseits
       hätten mit der Unterstützung von Schlesinger „mehrere Immobilien-Experten,
       mit denen Wolf eine Geschäftsbeziehung pflegt“, Beraterverträge für ein
       Bauprojekt des RBB erhalten. Gemeint ist das geplante Medienhaus, das auf
       dem RBB-Gelände in Berlin-Charlottenburg entstehen soll. Hinzu kommt der
       Vorwurf bezüglich eines Mietverhältnisses zwischen der Messe Berlin und der
       Rundfunk-Orchester und -Chöre gGmbH, wobei Wolf „auf beiden Seiten“
       verhandelt haben soll.
       
       Diskutiert wird aber auch über dienstliche Abendessen, die Schlesinger als
       Intendantin in ihrer Privatwohnung in Berlin veranstaltet hat und die nicht
       korrekt abgerechnet worden sein sollen. Dazu kamen nun Ende vergangener
       Woche Vorwürfe, die ihren Dienstwagen betreffen. Wiederum der Business
       Insider berichtete, dass der RBB einen Rabatt für jenen Dienstwagen in
       Anspruch genommen habe. Das Portal legte dabei die Frage nahe, ob die
       Annahme von großen Sonderkonditionen eines Autoherstellers mit einer
       internen Dienstanweisung des Senders kollidieren könnte. Zudem habe
       Schlesinger den Wagen mit Fahrer auch für private Zwecke genutzt.
       
       Schließlich wurde Schlesinger auch wegen einer Gehaltserhöhung um 16
       Prozent auf gut 300.000 Euro kritisiert. Besonders [2][die freien
       Mitarbeiter:innen des Senders sehen das kritisch] – und verweisen auf
       ihre eigene Bezahlung, mit der sie unzufrieden sind, und auf Kürzungen im
       Programm.
       
       2. Und was sagt die Beschuldigte dazu? 
       
       Am 9. Juli hat sich Schlesinger in einer internen Nachricht an die
       Belegschaft, die der taz vorliegt, zu den Vorwürfen geäußert. Dort schrieb
       sie, dass für das Digitale Medienhaus keine Berater aus dem Umfeld von Wolf
       verpflichtet worden seien. Das musste sie später revidieren. In der
       Nachricht heißt es auch, die Verträge mit der Messe Berlin seien
       geschlossen worden, „da die Messe für die von uns gewünschte Nutzungsart
       und -dauer das günstigste Angebot gemacht hat“.
       
       In einem Schreiben vom 21. Juli an Landtag und Landesregierung in
       Brandenburg schreibt Schlesinger, dass es einer Beschäftigung von
       Berater*innen beim RBB nicht im Wege stehe, wenn sie
       Geschäftsbeziehungen zum Verwaltungsratsvorsitzenden Wolf hätten.
       
       [3][Dem Tagesspiegel sagte sie], dass es neun Treffen in ihrer Wohnung
       gegeben habe, die das Ziel hatten, „den RBB besser in der Stadt zu
       verankern“. Die Namen ihrer Gäste wollte sie nicht nennen. In die Wohnung
       ging es laut Schlesinger nur, weil Restaurant und Hotels zu teuer gewesen
       seien.
       
       Schlesinger gibt immer wieder an, dass die Vorgänge überprüft würden. In
       der internen Nachricht verspricht sie: „Wie auch immer das Ergebnis am Ende
       ausfällt: Wir werden es transparent behandeln.“ Der Deutsche
       Journalisten-Verband (DJV) sah sich trotzdem genötigt, sie zu noch mehr
       Transparenz aufzufordern. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall fürchtet,
       dass die Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die
       Vorwürfe leiden könnte.
       
       Die meisten Vorwürfe hat Schlesinger bisher also zurückgewiesen. Bezüglich
       ihres Gehalts sagte sie dem Tagesspiegel, sie werde mit der
       Verwaltungsratsvorsitzenden noch einmal darüber sprechen. Geld sei für sie
       „nie der Antrieb“ gewesen.
       
       3. Also kein Rücktritt? 
       
       Nein. Schlesinger sagt, sie habe „nach bestem Wissen und Gewissen
       gehandelt“ und weist Rücktrittsforderungen zurück. Eine Amtspause komme
       ebenso wenig in Frage. Ähnlich äußerte sie sich im Gespräch mit [4][rbb
       Inforadio]. Auf anderer Ebene gab es schon personelle Konsequenzen:
       Wolf-Dieter Wolf lässt seine Aufgabe als Verwaltungsratsvorsitzender des
       RBB seit Mitte Juli ruhen.
       
       4. Was ist beim Sender nun los? 
       
       Eine unabhängige Untersuchung wurde angestoßen: Die Compliance-Beauftragte
       und die Revision des Senders wurden eingeschaltet. Zudem soll die Kanzlei
       Lutz Abel alle offenen Fragen klären. Der Rundfunkrat, eines der
       Kontrollorgane des RBB, besteht auf einer „lückenlosen Aufklärung“ der
       Vorwürfe.
       
       Doch aus dem Haus gibt es Kritik am Umgang: Die Vertretung der Freien
       Mitarbeiter*innen des Senders [5][hat eine Stellungnahme
       veröffentlicht], in der sie kritisiert, dass man fast nur aus der Presse
       von neuen Vorgängen im Sender erfahre. Und weiter: „Angesichts der von der
       Intendantin versprochenen „größtmöglichen Transparenz“ und „klaren
       Faktenlage nach innen und außen“ finden nicht nur wir das ziemlich
       enttäuschend.“ Zudem beklagen die Freien, dass die Vorwürfe gegen die
       Senderspitze auch ihre Arbeit beeinträchtigten, weil ihnen bei
       Reportereinsätzen Rechtfertigungsdruck und Misstrauen entgegenschlage.
       
       Das Ergebnis der Anwaltskanzlei, der Compliance-Beauftragten und der
       Revision des RBB wird Ende September oder Anfang Oktober erwartet.
       
       5. Wie reagiert die Politik? 
       
       Am 19. Juli kamen die Parteien des brandenburgischen Landtags zu einer
       Sondersitzung zusammen, um Befragungen zu den Vorwürfen durchzuführen. Doch
       wer fehlte? Nicht nur Schlesinger, auch Rundfunkratsvorsitzende Friederike
       von Kirchbach und Wolf ließen sich entschuldigen. Fraktionsübergreifend gab
       es großen Unmut über das Nichterscheinen der Senderspitze. Schlesinger
       begründete ihr Fehlen mit „Respekt vor dem laufenden Compliance-Verfahren“.
       
       Daniel Keller (SPD), Vorsitzender des Hauptausschusses, findet es nach
       dieser Begründung „schwer irritierend“, dass Schlesinger Interviews gebe.
       Aus dem Landtag heraus wurde ein Katalog mit 24 Fragen und zusätzlichen
       Unterpunkten erstellt, die Frist für die Beantwortung endet diese Woche.
       Einen ersten Fragenkatalog von der Brandenburger Staatskanzlei hat
       Schlesinger bereits beantwortet.
       
       Für die Justiz ist der Fall Schlesinger momentan kein Thema. Die
       brandenburgische AfD-Fraktion habe Strafanzeige gestellt, heißt es von der
       Berliner Staatsanwaltschaft, doch von der Aufnahme von Ermittlungen sei
       abgesehen und das Verfahren eingestellt worden.
       
       Mit epd, afp und dpa
       
       1 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.businessinsider.de/wirtschaft/medienaffaere-spielte-der-rundfunkaufseher-dem-ehemann-der-ard-chefin-einen-lukrativen-berater-auftrag-zu-p/
   DIR [2] https://www.rbbpro.de/blog/2022/07/08/loeffelhaeppchen-schlagzeilen-belegschaftsversammlung/
   DIR [3] https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/interview-mit-rbb-intendantin-patricia-schlesinger-ich-habe-nach-bestem-wissen-und-gewissen-gehandelt/28542844.html
   DIR [4] https://www.inforadio.de/rubriken/interviews/2022/07/22/compliance-vorwuerfe-gegen-den-rbb-intendantin-patricia-schlesinger-aeussert-sich.html
   DIR [5] https://www.rbbpro.de/
       
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