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       # taz.de -- Konflikt um Bergkarabach: Gefechte flammen wieder auf
       
       > Aserbaidschan und Armenien werfen sich gegenseitig den Bruch des
       > Waffenstillstands vor. Bei Zusammenstößen wurden mehrere Soldaten
       > getötet.
       
   IMG Bild: Mehrfachraketenwerfer der armenischen Streitkräfte in der Region Berg-Karabach, 13. November 2020
       
       Berlin taz | Im Südkaukasus sind erneut Kämpfe ausgebrochen. Nachdem es am
       Mittwochmorgen in der Region Bergkarabach zu Zusammenstößen gekommen war,
       wurden ein aserbaidschanischer und zwei armenische Soldaten getötet.
       Mindesten 19 armenischen Soldaten wurden verletzt.
       
       Aserbaidschanische Truppen setzten bei einem Angriff auf armenische
       Siedlungen Mörser und Kampfdrohnen ein. Infolgedessen haben sie die
       Kontrolle über mehrere neue Positionen in Bergkarabach übernommen. Beide
       Seiten beschuldigen sich gegenseitig, den Waffenstillstand gebrochen zu
       haben. Das Verteidigungsministerium in Aserbaidschan erklärte, armenische
       Kräfte hätten versucht, einen Hügel in der umstrittenen Region zu besetzen.
       
       Im Herbst 2020 waren die Feindseligkeiten zwischen den beiden
       Südkaukasusrepubliken Aserbaidschan und Armenien um die [1][von
       Armenier:innen bewohnte Region Bergkarabach] mit voller Wucht
       ausgebrochen. Der 44-tägige Krieg, in dem sich die Türkei an der Seite
       Bakus positioniert hatte, endete am 10. November mit einer von Russland
       vermittelten [2][Waffenstillstandsvereinbarung].
       
       Armenien verlor nicht nur die Kontrolle über sieben an Bergkarabach
       grenzende Regionen, sondern auch über Teile Bergkarabachs selbst. Die
       Einhaltung des Waffenstillstands sichern derzeit 2.000 russische Soldaten,
       ihr Einsatz soll auf fünf Jahre begrenzt sein.
       
       In einer Erklärung am Mittwochabend beschuldigte das russische
       Verteidigungsministerium Aserbaidschan, den Waffenstillstand nordöstlich
       der Stadt Lachin (Berdsor), die Teil des Korridors ist, der Bergkarabach
       mit Armenien verbindet, gebrochen zu haben. Das russische
       Friedenstruppenkontingent in Bergkarabach werde Maßnahmen ergreifen, um die
       Situation zu stabilisieren.
       
       Auch Baku spricht offen über seine Aggression. Aserbaidschanische Medien
       veröffentlichten Aufnahmen eines Drohnenangriffs auf eine armenische
       Stellung. In einer Erklärung am späten Mittwochnachmittag sagte das
       aserbaidschanische Verteidigungsministerium, es habe eine
       „Vergeltungsoperation“ durchgeführt.
       
       Der Präsident der nicht anerkannten Republik Bergkarabach kündigte eine
       Teilmobilisierung an. Auch in Armenien befürchten Expert:innen, dass
       aserbaidschanische Streitkräfte weiterhin versuchen werden, die
       Kontaktlinie aus der Waffenstillstandsvereinbarung zu überschreiten.
       
       „Aserbaidschan unternimmt offensichtlich Schritte gegen Russland,
       einschließlich der Waffenlieferung an die Ukraine“, sagt der
       Politikwissenschaftlicher Stepan Danieljan. „Tatsächlich hat der
       aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyew die Taktik seines Amtskollegen
       Erdoğan nachgeahmt und provoziert Moskau, um seine Ziele zu erreichen.“ Die
       Aktionen Bakus zielten auf die Vertreibung Russlands aus der
       Südkaukasus-Region ab.
       
       Davon will die Europäische Union profitieren. Die Kommissionspräsidentin
       Ursula von der Leyen flog Ende Juli nach Baku, um eine Absichtserklärung
       mit Aserbaidschan zu unterzeichnen. Damit will die EU den südlichen
       Gaskorridor erweitern, um [3][in der Energiekrise] die Gaslieferungen aus
       Aserbaidschan in die EU zu verdoppeln. „Die EU setzt auf vertrauenswürdige
       Energielieferanten. Aserbaidschan ist einer von ihnen“, schrieb von der
       Leyen am 18. Juli von Baku aus [4][auf Twitter].
       
       Darauf reagierten armenische Twitter-Nutzer:innen erzürnt. Nach dem
       russischen Präsidenten Wladimir Putin würde die EU nun den nächsten
       Diktator unterstützen – auf Kosten der Armenier:innen, so der allgemeine
       Tenor.
       
       4 Aug 2022
       
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   DIR [4] https://twitter.com/vonderleyen/status/1549008925806268416
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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