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       # taz.de -- Wohnungslose in Deutschland: 178.000 Menschen in Notunterkünften
       
       > Erstmals gibt es bundesweite Zahlen zu Wohnungslosigkeit. Doch noch hat
       > die Statistik Lücken, etwa weil sie Menschen auf der Straße nicht
       > erfasst.
       
   IMG Bild: Fast zwei Drittel der Menschen in Notunterkünften sind Männer
       
       Berlin taz | Rund 178.000 Menschen in Deutschland sind wohnungslos und
       leben in Notunterkünften. Das geht aus einer Erhebung des Statistischen
       Bundesamtes hervor, Stichtag für die Zählung war im Januar 2022. Es ist das
       erste Mal, dass zumindest ein Teil der Wohnungslosigkeit bundesweit erfasst
       wurde, bisher lagen nur Zahlen für einzelne Bundesländer vor. Weil viele
       Betroffene aber die Notunterkünfte scheuen und [1][auf der Straße] oder bei
       Bekannten und Familie leben, ist die Aussagekraft der neuen Statistik nur
       begrenzt.
       
       Den Zahlen nach sind fast zwei Drittel der Menschen in den Notunterkünften
       Männer, Frauen machen 37 Prozent aus, für rund 1 Prozent der
       Bewohner:innen wird das Geschlecht als „unbekannt“ angegeben. Über 40
       Prozent der Bewohner:innen sind alleinstehend, viele leben in
       Paarbeziehungen, fast die Hälfte hat Kinder.
       
       Das Durchschnittsalter in den Unterkünften liegt bei 32 Jahren. Die
       deutsche Staatsangehörigkeit haben rund 30 Prozent, die übrigen
       Bewohner:innen sind entweder Bürger:innen anderer Staaten oder
       staatenlos oder haben eine ungeklärte Staatsangehörigkeit.
       
       Aufgeschlüsselt nach Bundesländern zeigt sich, dass in Nordrhein-Westfalen
       und Baden-Württemberg die meisten Menschen in Notunterkünften untergebracht
       waren: gezählt wurden dort jeweils rund 36.000 Personen. In Berlin waren es
       rund 22.000. Am niedrigsten waren die Zahlen in Sachsen-Anhalt (365
       Personen), Mecklenburg-Vorpommern (405 Personen) und Bremen (790 Personen).
       
       ## „Ein Bild mit Lücken“
       
       Sozialminister Hubertus Heil (SPD) sagte am Donnerstag: „Wohnungslosigkeit
       hat viele Gesichter und ist nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.“
       Mit den neuen Zahlen schärfe man den „Blick des Sozialstaats auf das Thema
       Wohnungslosigkeit.“
       
       „Es ist gut, dass erstmals flächendeckend belastbare Zahlen vorliegen zu
       Menschen, die ohne Wohnung leben“, sagt Verena Göppert, stellvertretende
       Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Städtetages. Bisher liefere die
       Statistik aber „ein Bild mit Lücken“. Die müssten nun „durch geeignete
       Verfahren“ gefüllt werden.
       
       Auch die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft
       Wohnungslosenhilfe (BAGW), Werena Rosenke, spricht von einem „Teilbild“.
       Nicht nur seien Obdachlose außerhalb der Unterkünfte nicht mitgezählt
       worden, auch andere Fragen seien offen: Etwa die, ob tatsächlich alle
       Träger von Unterkünften auch Zahlen übermittelt hätten. Unklar sei auch,
       inwieweit Flüchtlinge in Sammelunterkünften für die Statistik mitgezählt
       worden seien. Ob anerkannte Flüchtlinge als Wohnungslose gelten,
       unterscheide sich etwa von Kommune zu Kommune. Die BAGW schätzte die
       Jahresgesamtzahl der Wohnungslosen in Deutschland 2020 auf 256.000
       Personen.
       
       Tatsächlich plant das Statistische Bundesamt weitere Untersuchungen, die
       die neuen Zahlen flankieren sollen. Im Herbst dieses Jahres will das
       Bundesministerium für Arbeit und Soziales den ersten Wohnungslosenbericht
       vorstellen. Ziel sei es, „ein umfassendes Bild über die Struktur von
       Wohnungslosigkeit hinsichtlich soziodemografischer Merkmale (Alter,
       Geschlecht, Nationalität) und Dauer der Wohnungslosigkeit“ zu erstellen.
       Auf dieser Basis soll zusammen mit dem [2][Bauministerium unter Klara
       Geywitz (SPD)] dann ein Nationaler Aktionsplan zur Bekämpfung des Problems
       umgesetzt werden, der wohl vor allem den Bau neuer Sozialwohnungen
       beinhalten wird.
       
       Werena Rosenke von der BAGW sagt dazu: „Das wichtigste Ziel muss es sein,
       langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.“ Außerdem brauche es etwa
       eine Quotenregelung für Sozialwohnung, die nur an zuvor Wohnungslose
       vergeben werden sowie eine deutliche Verbesserung der Gesundheitsversorgung
       für diese Menschen. Zentral sei auch, Präventionsprogramme zu stärken,
       damit weniger Menschen überhaupt in die Wohnungslosigkeit rutschen.
       
       14 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frederik Eikmanns
       
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