URI: 
       # taz.de -- Pfefferspray für Gewerkschafter
       
       > Der Tarifkonflikt um die Seehäfen nimmt an Schärfe zu. Eskalation bei
       > zentraler Demo in Hamburg. Gerichte verordnen Verhandlungen
       
       Von Kai von Appen
       
       Es ist wohl der längste Arbeitskampf in den Norddeutschen Seehäfen seit
       mehr als 40 Jahren. Zum dritten Mal legten zum Wochenende hin
       HafenarbeiterInnen die Seehäfen an der Nordsee lahm. Vor drei Wochen hatten
       sie für einige Stunden die Arbeit niedergelegt, dann für 24 Stunden, nun
       zuletzt für zwei ganze Tage. Der Tarifkonflikt für insgesamt 12.000
       Beschäftigte nimmt dabei an Schärfe zu: Im Vorfeld des jüngsten Ausstandes
       überzogen die Arbeitgeber – die im Zentralverband der deutschen
       Seehafenbetriebe (ZDS) organisierten Hafen- und Logistikunternehmen – die
       Arbeitsgerichte mit Anträgen: Mittels einstweiligen Verfügungen wollten sie
       der Gewerkschaft Ver.di den Warnstreik verbieten lassen – vergeblich. Auf
       der zentralen Demonstration in Hamburg kam es am Freitag zu Übergriffen
       durch die Polizei.
       
       Zu der Demo waren auch Beschäftigte aus Bremen, Bremerhaven, Emden, Brake
       und Wilhelmshaven an die Elbe gekommen. Insgesamt demonstrierten mehr als
       5.000 HafenarbeiterInnen durch die Innenstadt. Ihre Forderung: ein echter
       Inflationsausgleich sowie 1,20 Euro mehr Stundenlohn. Während der
       Abschlusskundgebung kam es hinter der Bühne zu Auseinandersetzungen mit der
       Polizei: Weil ein Teilnehmer einen Feuerwerkskörper gezündet hatte, war er
       von PolizistInnen aus den Menge geholt worden. Statt den Mann
       abzutransportieren, malträtierten sie ihn laut AugenzeugInnen vor Ort am
       Mannschaftswagen. „Das sah schon nach Folter aus“, sagte ein Anwesender zur
       taz. Mehrere Hafenarbeiter versuchten demnach, dem Drangsalierten zu helfen
       und attackierten ihrerseits die Polizei – wohl auch mit Wurfgeschossen.
       Drei Gewerkschaftsmitarbeiter gingen dazwischen und gerieten selbst ins
       Visier der BeamtInnen. So wurde der Ver.di-Hafensekretär Stephan Gastmeier
       derart mit Pfefferspray eingedeckt, dass er nach eigenen Angaben die
       Orientierung verlor.
       
       „Die Polizei hatte offenkundig die Intention, eine Eskalation
       herbeizuführen“, mutmaßten mehrere Anwesende gegenüber der taz. Es kam zu
       insgesamt fünf Verletzten auf beiden Seiten, die Kundgebung wurde aber
       planungsgemäß zu Ende geführt.
       
       ## Arbeitgeber vor Gericht wenig erfolgreich
       
       Im Verlauf des ersten Streiktages hatten sich am Donnerstag die
       Arbeitsgerichte in Bremen, Oldenburg, Wilhelmshaven und Hamburg mit der
       Rechtmäßigkeit des Streiks auseinandergesetzt. Die Hafenunternehmen
       forderten einen Stopp des Arbeitskampfes, weil sie in ihrer Existenz
       gefährdet seien. Während die Gerichte in Bremen und Niedersachsen die
       Anträge als unbegründet zurückwiesen, zwang das Hamburger Arbeitsgericht
       die Kontrahenten in einen Vergleich. Zwar zweifelte auch dieses Gericht
       nicht grundsätzlich die Rechtmäßigkeit des Streiks an, sah aber mögliche
       formale Fehler beim Zustandekommen der Streikaufrufe. Der Vergleich, in den
       die Ver.di-Anwälte einwilligten, ermöglichte einerseits den ausgerufenen
       Streik bis Samstagmorgen. Andererseits müssen die Tarifkontrahenten bis 26.
       August drei weitere Verhandlungsrunden hinter sich bringen – ohne weitere
       Streikaktionen.
       
       18 Jul 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Kai von Appen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA