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       # taz.de -- Repression in Belarus: Gewerkschaften verboten
       
       > Der oberste Gerichtshof hat die letzten unabhängigen Gewerkschaften
       > verboten. Sie werden für die Protestbewegung mitverantwortlich gemacht.
       
   IMG Bild: Proteste gegen das Lukaschenko Regiem im Herbst 2020
       
       BERLIN taz/dpa | Der oberste Gerichtshof in Belarus hat die letzten fünf
       verbliebenen unabhängigen Gewerkschaften verboten. Das vermeldet die
       Generalstaatsanwaltschaft über ihren offiziellen Telegramkanal. Diese
       Entscheidung kommt nicht überraschend, nachdem im April einige belarusische
       [1][Gewerkschafter festgenommen] wurden. Unter anderem ist der Präsident
       des ersten unabhängigen Gewerkschaftsverbandes „Kongress der Demokratischen
       Gewerkschaften Belarus“ ([2][BKDP]) Alexander Yaroshuk in Haft. Einige
       andere konnten das Land noch verlassen, zum Beispiel nach Litauen.
       
       Die unabhängigen Gewerkschaften zählen [3][nach eigenen Angaben] über
       12.000 Mitglieder 2022, im [4][Gewerkschaftsmonitor] der der SPD-nahen
       Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) von 2019 werden 9.000 gezählt. Sie sind für
       eine demokratische Öffnung des Landes und äußern sich gegen den russischen
       Angriffskrieg auf die Ukraine. 1990 wurden die ersten unabhängigen
       Arbeiterverbände als Gegenstück zum staatsnahen Gewerkschaftsbund (FPB)
       gegründet. Der FPB stammt noch aus der Sowjetzeit und zählte 2019 laut FES
       etwa vier Millionen Mitglieder.
       
       Die von der Regierung kontrollierte Justizbehörde begründet das Verbot der
       unabhängigen Verbände mit angeblich extremistischen Aktivitäten einiger
       Gewerkschaftsführer und -mitglieder. Nach den [5][Wahlen vom 9. August
       2020] hatte sich Alexander Lukaschenko erneut zum Präsidenten erklärt mit
       einer angeblichen Zustimmung von 80 Prozent der Stimmen. Die Opposition
       warf ihm massive Wahlfälschung vor. Auch die Organisation für Sicherheit
       und Zusammenarbeit in Europa [6][(OSZE)] schätzte die Wahl in einem Bericht
       im November 2020 als gefälscht ein.
       
       In der Folge protestierten Belarus:innen monatelang in mehreren Städten
       gegen das autokratische Regime Lukaschenkos. In der Hauptstadt Minsk kamen
       zeitweise 200.000 friedliche Demonstrierende zusammen. Sie zeigten sich in
       den Farben der weiß-rot-weißen Flagge des unabhängigen Belarus. Die Polizei
       schlug die Demonstrationen brutal nieder, einige Teilnehmende starben,
       Hunderte wurden verletzt und Tausende wurden inhaftiert.
       
       ## Beteiligung an Protesten gegen Lukaschenko
       
       Die unabhängigen Gewerkschaften hatten 2020 teilweise auch zu Protesten und
       [7][Streiks in Staatsbetrieben] aufgerufen, um die Macht Lukaschenkos zu
       schwächen. Nun gab die Justiz den Verbänden deswegen eine Mitschuld an der
       damaligen Eskalation der Proteste.
       
       In der Mitteilung des Obersten Gerichtshof werden die nun verbotenen
       Gewerkschaften aufgelistet: Die Freie Gewerkschaft Belarus, die Freie
       Gewerkschaft der Metallarbeiter, die Belarusische Unabhängige Gewerkschaft
       der Bergleute, Chemiker, Ölraffinerie-, Energie-, Transportarbeiter,
       Bauarbeiter und anderer Arbeiter, die Belarusische Gewerkschaft der
       Arbeiter der Radioelektronikindustrie und der Gewerkschaftsverband
       Belarusischer Kongress der Demokratischen Gewerkschaften müssen ihre Arbeit
       beenden.
       
       Weiter enthält die Nachricht den Vorwurf, die Gewerkschaften hätten „sich
       aktiv an destruktiven Aktivitäten und Massenveranstaltungen beteiligt, die
       gegen die öffentliche Ordnung verstießen und Informationsprodukte mit
       extremistischem Inhalt verbreiteten.“
       
       ## Vorwurf: Annahme von Hilfe aus dem Ausland
       
       Außerdem hätten sie für ihre staatsfeindlichen Handlungen Hilfe aus dem
       Ausland angenommen. Tatsächlich gab es [8][Petitionen] im Ausland, die
       festgenommenen Gewerkschaftern helfen sollten.
       
       Das Verbot der Gewerkschaften folgt jetzt auf die Schließung von
       Menschenrechts- und Nichtregierungsorganisationen in Belarus. Lukaschenko
       machte auch sie für die Massenproteste verantwortlich.
       
       Die NGO [9][Freedom House] aus Washington, die jedes Jahr Freiheit und
       Demokratie in der Welt misst, stuft Belarus als „nicht frei“ ein.
       
       19 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Unabhaengige-Gewerkschaften-in-Belarus/!5850262
   DIR [2] http://bastun.nu/about-bastun/belarusian-free-trade-union-movement-12115477
   DIR [3] https://bkdp.org/en/structure
   DIR [4] https://library.fes.de/pdf-files/id/gewerkschaftsmonitore/16046/2019-belarus.pdf
   DIR [5] /Schwerpunkt-Krisenherd-Belarus/!t5719665
   DIR [6] https://www.osce.org/odihr/469539
   DIR [7] /Streik-gegen-Lukaschenko-in-Belarus/!5702590
   DIR [8] https://www.labourstartcampaigns.net/show_campaign.cgi?c=4606
   DIR [9] https://freedomhouse.org/country/belarus/freedom-world/2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne-Frieda Müller
       
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       September 2020 die Ereignisse in Belarus. Es wird es wohl noch einige
       Folgen geben.