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       # taz.de -- Genuss in Frankreich: Schlemmertour durch das Burgund
       
       > Die ostfranzösische Stadt Dijon ist die burgundische Schlemmermetropole.
       > 2022 eröffnete hier die Cité Internationale de la Gastronomie et du Vin.
       
   IMG Bild: Dijon: Für Schlemmer ist hier irgendwie immer etwas los
       
       Das nach 10 Jahren und 250 Mio. Euro Investition fertiggestellte Projekt
       huldigt gleich zweifach dem [1][Unesco-Weltkulturerbe]: der französischen
       Küche und den Climats de Bourgogne, den Weinparzellen südlich von Beaune.
       Rund um gutes Essen und Trinken, auch Thema einer spannenden
       Dauerausstellung, entstand auf dem 6,5 ha großen Gelände ein Zentrum der
       französischen Küchenkultur. Es gehörte einst zu einem Krankenhaus, das
       bereits im 15. Jh. als Hospice de Dijon bekannt war.
       
       In die moderne Cité integriert ist die Kapelle Sainte-Croix de Jerusalem
       von 1459. Besucher können sich in der Ausstellung in die Geheimnisse von
       Kochkunst und Pâtisserie einweihen lassen. Zwischen den historischen
       Gebäuden laden die Pavillons des gastronomischen Dorfs unter einem Glasdach
       dazu ein, französische Starprodukte zu bewundern, von der Auster bis zu
       Käsesorten. Beeindruckend, aber umstritten, zumal die Realisierung so lange
       gedauert hat, dass ein vergleichbares Konzept in Lyon bereits pleite
       gegangen ist. In Dijon will man es besser machen und zum Besucherliebling
       gestalten. Die ersten drei Monate zeigen steigende Besucherzahlen.
       
       Für Schlemmer ist hier irgendwie immer etwas los. Erlebnisküche, darunter
       Duelle bekannter Köche, und neun Kinosäle sorgen für Unterhaltung. Die
       Librairie Gourmande bietet mit rund 10.000 kulinarischen Buchtiteln
       reichlich Futter. Highlight für Weinliebhaber ist die Cave de la Cité. In
       den wandhohen Regalen stehen um die 3.000 Flaschen. 1.000 Weine stammen aus
       dem Burgund und 2.000 aus Frankreich und anderen Ländern. Allein 250 Weine
       werden offen im Glas angeboten.
       
       ## Schaufenster für französische Gastronomie
       
       Ein Speisesaal unter einer Gewölbedecke, eine Terrasse vor den historischen
       Mauern der ehemaligen Krankenhauskapelle – der neue Arbeitsplatz des
       28-jährigen Chefkochs Kevin Julien stellt sich altehrwürdig dar.
       „Vinostronomique“, fasst er die Philosophie seiner Küchenkreationen
       zusammen – „Speisen und Weine bringen sich gegenseitig zur Geltung.“
       Elegant, aber in Bistroambiente, wohlgemerkt. Während seiner bisher
       zehnjährigen beruflichen Laufbahn sammelte der Nachwuchskoch vier Jahre
       lang Erfahrung bei Éric Pras, dem Küchenchef des Dreisternerestaurants
       Maison Lameloise in Chagny.
       
       Von einer solchen Chance können die Absolventen der jetzt auch in Dijons
       Cité vertretenen Elitekochschule Ferrandi Paris vorerst nur träumen. Die
       einjährige Ausbildung ist so teuer, dass sich größtenteils Schüler aus
       Asien und den USA anmelden. Eine hochkarätige Burgunderweinschule gibt es
       in der Cité auch noch. Die École de Vins de Bourgogne bietet Degustationen,
       Seminare und Ausbildungen an.
       
       Spitzengastronomie, astronomische Preise? In Dijon will man es besser
       machen und weiß: Die Cité wird nur punkten können, wenn die Preise auf dem
       Teppich bleiben. Schließlich hält direkt vor der Tür die cassisfarbene
       Straßenbahn. Zweifellos: Die Farbe erinnert an Félix Kir, bis 1968
       insgesamt 23 Jahre Bürgermeister von Dijon. Nach ihm ist der Kir benannt,
       ein Cocktail aus Crème de Cassis und Weißwein.
       
       Glücksbringer und Lebkuchen 
       
       Entdecker fahren bis zur Station Darcy und halten zwischen Park und
       Triumphbogen Ausschau nach dem Eulenzeichen auf dem Straßenpflaster: Die
       Pfeile weisen den Weg zu den Sehenswürdigkeiten der alten Hauptstadt der
       Herzöge des Burgunds. Den Parcours de la Chouette („Eulenweg“) inspirierte
       der Glücksbringer an Dijons Kathedrale, eine Eule. Hier lautet das
       Glücksrezept: Darüber streichen, Augen zu und sich etwas wünschen. Am
       besten weiterhin viel Genuss und Gesundheit! Der Stein ist schon ganz
       blank.
       
       Auf dem Weg zu Dijons Glücksbringer geht es an Traditionsgeschäften wie
       L´Héritier Guillot, Moutarde de Maille, Edmont Fallot und Mulot & Petitjean
       vorbei. In den Filialen dieser Gewürzbrotbäckerei (z. B. Place Bossuet 13)
       gibt es die Eule auch in Lebkuchenform. Dijons Lebkuchen schmeckte schon
       Burgunderherzog Philipp dem Guten zum Wein. Im Laden bekommt man auch das
       Rezept der Nonettes de Dijon aus Weizenmehl, Honig und Gewürzen. Sie munden
       traditionell als Reisegebäck mit Orangenmarmelade genauso wie mit Époisses.
       
       Nach diesem AOP-Käse, der mit Marc de Bourgogne, Brandwein aus Trester der
       Burgundertraube, affiniert wird, kann man in Dijons Markthalle Ausschau
       halten. Der Stil Gustave Eiffels, 1832 in Dijon geboren, inspirierte Dijon
       Ballard 1869 zu ihrer Konstruktion. Ein metallisches Gerüst und Säulen
       tragen das Dach. Darunter sind die Highlights des burgundischen
       Schlaraffenlands versammelt, vom kompletten Meeresfrüchte-Sortiment aus dem
       Atlantik über Bresse-Huhn und Charolais-Steaks bis zum Käse, Tapenaden- und
       Olivensortiment des Händlers Cherif A. Er zieht mit seinem Sortiment von
       Markt zu Markt, ist montags in Louhans, samstags in Beaune und Sonntags in
       Chagny.
       
       ## Stippvisite bei den lokalen Erzeugern
       
       Auf den Spuren des Bresse-Huhns ist das mittelalterliche Louhans eine gute
       Basis, mit 157 Arkaden, zwei Verteidigungstürmen und der Kirche
       Saint-Pierre. Von hier starten einige Wanderwege. Im Traditionsrestaurant
       Auberge de l´Europe wird Bresse-Huhn authentisch serviert. Die regionale
       Hühnerrasse in den französischen Nationalfarben – roter Kamm, weißes
       Gefieder, blaue Füße – kommt mit dem dreifarbigen Gütesiegel und dem Ring
       mit dem Züchternamen am linken Fuß auf den Tisch. Morcheln und Vin Jaune,
       ein Weißwein aus dem Jura, sind die Zutaten eines der klassischen Rezepte.
       
       Die Familie von Anthony Marmeys zählt zu den rund 130 Geflügelzüchtern der
       Bresse. Ihr Hofladen bei St-Usuge verkauft Bressehühner und Terrinen. Der
       45-Jährige kam vor neun Jahren aus Cannes, um seinem Onkel bei der Zucht zu
       helfen. „Das Bressehuhn hat eine geschützte Herkunftsbezeichnung, aber kein
       Bio-Label.“ Anthony hält zwei der Tiere hoch und erklärt: „Sie laufen sehr
       schnell und sind daher sehr muskulös. In den letzten Wochen ihres Lebens
       kommen sie in den Stall und werden gemästet.“
       
       Über ein ebenso emblematisches Qualitätsprodukt informiert das Maison du
       Charolais. Das Museum mit Restaurant und Shop bietet Fleisch-Degustationen
       an. „Augen zu, Nase zuhalten, das Stück Fleisch in den Mund schieben,
       langsam kauen, jetzt den Geruch wahrnehmen“, leitet Fréderic Paperin die
       Teilnehmer an. Beinahe scheint man die Wiesenkräuter zu schmecken wie das
       Rind. Wer die weißen Charolais in ihrer natürlichen Umgebung auf sich
       wirken lassen möchte, kann einem 6 km langen Wanderweg mit elf Infotafeln
       folgen.
       
       Aus dem Tal der Arconce von den saftigen Wiesen eines Hofs, den der
       Zahnarzt Adrien Pantonnier mit seinen Brüdern im Nebenerwerb führt, stammt
       das magere Charolais-Fleisch. Der 47-jährige Sternekoch Fréderic Doucet
       verwandelt es in seinem Restaurant in kreative Erlebnisgastronomie. In
       Charolles führt er neben einem Hotel und dem Sternerestaurant auch ein
       Bistro. Für Genießer ein Grund, in dem beschaulichen Ort am Fluss Arconce
       vorbeizuschauen. In stilvollem Rahmen serviert das Team aus zahlreichen
       jungen Mitarbeitern mehrgängige Menüs mit Überraschungseffekten. Zu rechnen
       ist mit Kombis wie Aal mit Burgundersauce oder Dijonsenf-Eis. Gemüse und
       Kräuter, darunter auch Luzerne, stammen aus dem eigenen Garten. Vom Rind
       wird nachhaltig alles verwendet, vom Mark für das Süppchen bis zu den
       Hörnern und Knochen, die vom lokalen Tischler als Tischdekoration
       aufgearbeitet werden.
       
       Im kleinen Clessé zwischen Tournus, Cluny und Mâcon wiederum geht es in
       erster Linie um Wein. Das Château de Besseuil, ein Weingut wie aus dem
       Bilderbuch, hat ein Restaurant mit Sommelier und eine Weinbar. Auch
       Familien finden in den Appartements Platz. Es gibt einen kleinen Pool, aber
       aus ökologischen Gründen keine Klimaanlage.
       
       24 Jul 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Petra Sparrer
       
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