URI: 
       # taz.de -- Die Wahrheit: Unterliederbach meets Nollywood
       
       > So ist das Leben, so bleibt es interessant: In Frankfurt nahe Höchst ist
       > der Aufenthalt nicht nur für nigerianische Filmstudenten aufschlussreich.
       
       Seit vier Monaten wohnen zwei Filmstudenten aus Nigeria bei uns in
       Frankfurt-Höchst. Eigentlich ist es ja Frankfurt-Unterliederbach, wie die
       Nachbarn nicht müde werden, ihnen zu erzählen. Der Stolz darauf, nicht zu
       Höchst zu gehören, erinnert an die englische Weisheit, dass man es in den
       ersten zehn Minuten eines Gesprächs erfährt, falls jemand in Cambridge oder
       Oxford studiert hat.
       
       Das Durchschnittsalter der Deutschen beträgt statistisch 46 Jahre, in
       Unterliederbach jedoch ungefähr 50. Die Nachbarn unterhalten sich über
       Urlaubsreisen und geben sich Tipps, wenn „was Gutes“ auf Arte kommt.
       Sonntags sehen sie den „Tatort“ und während der Woche Talkshows. Auf den
       geruhsamen Straßen grüßen sie einen betagten Herrn besonders respektvoll.
       Alle mögen ihn. Sein Gang ist immer noch dynamisch. Als
       Bundesforschungsminister trug er als Einziger im Parlament damals eine
       Fliege. Sein Name fängt mit R an und hört mit Huber auf. Er ist inzwischen
       86 Jahre alt und sieht gern Dokumentarfilme.
       
       In Nigeria erfährt man in den ersten drei Minuten eines Gesprächs, falls
       jemand aus Lagos kommt. Das ist cool. Aber nicht so schön kühl wie in Jos,
       der drittgrößten Stadt, Hauptsitz der Nigerian Film Corporation. Dort
       arbeiten die zwei Studenten, wenn sie nicht gerade für ein Semester
       „Filmkultur“ an der Frankfurter Universität sind.
       
       ## Viel Holz in Nollywood
       
       In Nigeria werden mehr Filme als in Hollywood gedreht. Günstiger sind sie
       auch. Was die Menge angeht, kommt zuerst Indien, dann Nigeria mit
       geschätzten 2.200 Filmen pro Jahr und danach erst Hollywood mit schlappen
       rund 1.000. Die nigerianischen Studenten sprechen von „Nollywood“ und
       erklären in den ersten zwei Minuten des Gesprächs mit uns Ausländern:
       „Nollywood is many woods!“
       
       Viel Holz: Das Land hat 220 Millionen Einwohner, eine Hälfte ist
       muslimisch, eine christlich. Das Durchschnittsalter beträgt 18 Jahre. Es
       gibt viele Stämme, die größten sind Yoruba und Haussa. Für alle Gruppen
       produzieren sie Filme, die auch in anderen afrikanischen Ländern begeistert
       gesehen und über Netflix vertrieben werden. Eine Nollywood-Spezialität: Man
       weiß nie, wie ein Film ausgeht, ähnlich wie beim „Tatort“. Happy End oder
       Katastrophe, „you never know“. So ist das Leben, so bleibt es interessant.
       
       Zuletzt haben die Studenten allerdings ein Dokumentarstück über Felsen
       gemacht. Nigeria ist für Monolithen bekannt und Zuma Rock nahe der
       Hauptstadt Abuja ein Nationalheiligtum. Er wird mindestens so verehrt wie
       der Main, die Eintracht oder Goethe in Frankfurt. Wenn die Studenten zur
       Uni gehen, sagen sie: „We go to Goethe.“ So heißt sie schließlich korrekt.
       
       Der beliebteste Schriftsteller in Nigeria heißt Wole Soyinka,
       Literaturnobelpreisträger von 1986. Nun ist er 88 Jahre alt und hat wieder
       einen Roman veröffentlicht: „Die glücklichsten Menschen der Welt“. Wer das
       ist? Und warum? Das wird hier nicht verraten. So ist das Leben. So bleibt
       es interessant.
       
       9 Aug 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudia Römer
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Nigeria
   DIR Filmbranche
   DIR Frankfurt am Main
   DIR Hall of Fame
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Kolumne Die Wahrheit
   DIR Familie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Die Wahrheit: Auf ein Neues in der Häschenschule
       
       Geschafft! Fünf Minuten Fame für jeden Gast – und nicht nur für die
       üblichen Tischzampanos und -zampanas. Wie das geht, lesen Sie hier…
       
   DIR Die Wahrheit: Finde das Fundbüro in dir
       
       Bevor sich dieser Text in vorweihnachtlichen Weihrauch auflöst: Was
       passiert, verliert man als Nicht-EU-Mensch in Hessen seinen Pass, lesen Sie
       hier.
       
   DIR Die Wahrheit: ¡Buenos días, quiero Doppelwumms!
       
       Die Spanien-Woche der Wahrheit: Nach drei Wochen Sprachkurs im bezaubernden
       Salamanca ist man körperlich ein Wrack ansonsten aber, hola, fidel …
       
   DIR Die Wahrheit: Film ab in Hongkong
       
       Fast wäre man berühmt geworden, damals in der einstigen britischen
       Kronkolonie, aber nur fast – die Schlüsselszene, in der man mitspielte, ist
       perdu.
       
   DIR Die Wahrheit: Zum Glück nicht Davos
       
       Das Leben ist leider keine RomCom, sondern manchmal eine von faulig
       stinkender zäher Masse durchdrungene Horrorkomödie.
       
   DIR Die Wahrheit: Der Zufluss der Forderungen
       
       Einer Familie droht die Räumung ihrer Wohnung. Weil niemand das zur
       Einschüchterung von Bittstellern dienende Behördendeutsch versteht.