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       # taz.de -- Klima- und Sozialpaket USA: Mehr Schritte nach vorn als zurück
       
       > Die US-Demokraten haben ihr eigenes Klima- und Sozialgesetz verwässert,
       > um einen konservativen Parteigenossen zu überzeugen. Was ist übrig
       > geblieben?
       
   IMG Bild: Grüner Wind im Weißen Haus: Das beschlossene Klima- und Sozialpaket gilt als historisch
       
       Berlin taz | Eigentlich wollte US-Präsident Joe Biden sein großes Klima-
       und Sozialpaket „Build back better“ nennen, es sollte die Wirtschaft der
       USA also nach der Coronaflaute wieder aufbauen – aber eben besser als
       vorher, gerechter und vor allem grüner. Nach den parteiinternen
       Verhandlungen mit dem Senator Joe Manchin ist die Aufbruchstimmung aus dem
       Namen verschwunden. Das Projekt heißt jetzt trocken
       „Inflationsreduktionsgesetz.“ Finanziell und inhaltlich ist es gegenüber
       den ursprünglichen Plänen geschrumpft. Steckt in der nüchternen Hülle denn
       noch der nötige Klimaschutz?
       
       Das Klimaziel, das die USA der Welt versprochen haben, erreichen sie mit
       dem Paket nicht. Bis 2030 wollen sie ihre CO2-Emissionen halbieren, wenn
       man diese mit dem Niveau von 2005 vergleicht. Verschiedene Thinktanks und
       Institute haben durchgerechnet, was das Paket liefert, und kommen auf Werte
       um die 40 Prozent Reduktion. Bidens ursprüngliche Pläne hätten noch ein
       paar Prozentpunkte mehr gebracht. Aber: Gegenüber dem Status quo ist auch
       der verwässerte Kompromiss noch eine große Steigerung. Bislang war je nach
       Berechnung nur mit 25 bis 30 Prozent Reduktion der Emissionen zu rechnen.
       
       Viele Klima-Expert:innen jubeln. Das renommierte [1][World Resources
       Institute] ist zum Beispiel voll des Lobes. „Das Inflationsreduktionsgesetz
       ist ein Sieg für alle Amerikaner und zeigt der Welt, dass die Vereinigten
       Staaten noch Verbündete im globalen Kampf gegen den Klimawandel sind“,
       sagte Ani Dasgupta, Chef der privaten Ideenschmiede. „Dieses
       transformative Gesetz ist der Durchbruch für Investitionen, die Haushalten
       Geld sparen, Millionen von Jobs schaffen und unsere Energiesicherheit
       stärken werden.“
       
       Tatsächlich hält das Gesetz große Summen für Klima und Energie bereit: Fast
       370 Milliarden US-Dollar will der Staat in die Förderung entsprechender
       Technologien stecken. „Das Inflationsreduktionsgesetz beinhaltet dringend
       benötigte Investitionen in erneuerbare Energie und ist eine Anzahlung auf
       die tariflich bezahlten Jobs, die wir brauchen, um eine grüne Wirtschaft
       aufzubauen“, so US-Greenpeace-Chefin Ebony Twilley Martin.
       
       Sie kritisiert das Paket aber auch: „Das Inflationsreduktionsgesetz ist
       vollgepackt mit Geschenken an die Vorstandsetagen von Fossilkonzernen, die
       unseren Planeten zerstören.“
       
       Abgabe für Methanemmissionen 
       
       Durch das Gesetz soll es zum Beispiel künftig leichter werden,
       Genehmigungen für Gas- und Ölbohrungen zu erhalten. Dafür müssen fossile
       Unternehmen allerdings künftig eine Abgabe für Emissionen des hochwirksamen
       Treibhausgases Methan zahlen – damit sind die USA in diesem Bereich
       weltweit Vorreiter.
       
       „Es ist nicht ohne Grund, dass jetzt gefeiert wird“, sagte die
       Wirtschaftswissenschaftlerin Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft
       und Politik der taz. „Die 370 Milliarden US-Dollar über zehn Jahre sind für
       ein Land wie die USA eine Geldsumme, die mich zwar nicht überwältigt, aber
       die gut ist – sofern die Steueranreize so gestaltet werden, dass sie auch
       funktionieren, also hohe Investitionen nach sich ziehen.“
       
       Allerdings seien zum Beispiel auch Atomkraft und CCS, eine Technologie zur
       Abscheidung und Speicherung von CO2 aus fossilen Kraftwerken, nach dem
       Gesetz steuerbegünstigt. „Man muss sagen: Das ist ein Paket, das der
       fossilen Industrie nicht wehtut.“
       
       Als „großen Schritt nach vorn“ sieht der Umweltökonom Reimund Schwarze vom
       [2][Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung] in Leipzig das Gesetz. „Damit
       ist der bisherige Rollback-Modus von Trump beendet“, sagte er der taz, auch
       mit Blick auf die internationalen Klimaverhandlungen, die im November im
       ägyptischen Scharm El-Scheich stattfinden. „Das internationale Signal ist
       positiv: Die USA liefern.“
       
       8 Aug 2022
       
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