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       # taz.de -- Drohungen mit Atomwaffen: Das atomare Trauma kehrt zurück
       
       > In Japan wurde der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gedacht.
       > Mit den Konflikten um die Ukraine und Taiwan haben sie eine neue
       > Aktualität.
       
   IMG Bild: Tauben in Nagasakis Friedenspark während der Zeremonie zum 77. Jahrestag des US-Atombombenangriffs
       
       Tokio taz | Die Drohungen von Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem
       Einsatz von Atomwaffen im Krieg gegen die Ukraine haben die
       Gedenkveranstaltungen zum Abwurf der US-Atombomben auf Hiroshima und
       Nagasaki aus ihrer Routine gerissen und den jährlichen Appellen zum
       Verzicht auf Atomwaffen eine neue Dringlichkeit verliehen.
       
       Die russischen Drohungen haben „der Welt gezeigt, dass der Einsatz von
       Atomwaffen keine unbegründete Angst, sondern eine greifbare und
       gegenwärtige Krise ist“, erklärte Nagasakis Bürgermeister Tomihisa Taue am
       Dienstag bei der Gedenkveranstaltung in seiner Stadt.
       
       Japans Premierminister Fumio Kishida bekräftigte jetzt: „Selbst inmitten
       einer ernsten Sicherheitslage müssen wir unsere Geschichte des
       Nichteinsatzes von Atomwaffen fortsetzen und Nagasaki weiterhin zum Ort des
       letzten Atombombenabwurfs machen.“
       
       Kurz nach dem Angriff auf die Ukraine hatte Wladimir Putin Ende Februar
       seine Atomstreitkräfte in höchste Alarmbereitschaft versetzt und damit
       weltweite Sorgen vor einem ersten Atomwaffeneinsatz seit 1945 ausgelöst.
       
       ## Guterres: „Spiel mit geladener Waffe“
       
       Das globale Krisenbewusstsein zeigte sich darin, dass António Guterres
       als erster UN-Generalsekretär seit zwölf Jahren an der Zeremonie in
       Hiroshima teilnahm. „Die Menschheit spielt mit einer geladenen Waffe: Vom
       Nahen Osten über die koreanische Halbinsel bis hin zur russischen Invasion
       in der Ukraine breiten sich Krisen mit ernsten nuklearen Untertönen schnell
       aus“, erklärte Guterres. „Wir müssen uns fragen, was wir von der Pilzwolke
       gelernt haben, die 1945 über dieser Stadt aufstieg.“
       
       Die Blitze der Atombomben über den beiden Städten töteten am 6. und 9.
       August 1945 mehr als 200.000 Menschen. Viele Überlebende, die der
       radioaktiven Strahlung der Explosionen ausgesetzt waren, litten bis zu
       ihrem Tod unter gesundheitlichen Beeinträchtigungen, manche bis heute.
       
       Russlands Botschafter in Japan, Mikhail Galuzin, hatte am letzten
       Donnerstag einen Kranz am Mahnmal in Hiroshima niedergelegt. „Ich möchte
       ein Gebet anbieten für die Opfer eines Kriegsverbrechens der USA“, sagte
       er.
       
       Der Diplomat kritisierte die Stadtregierung dafür, ihn wegen des
       Ukrainekrieges nicht zu den Gedenkfeiern eingeladen zu haben. Das
       ignoriere, „dass Russland ein Führer der globalen Anstrengungen für
       nukleare Abrüstung ist“, sagte Galuzin.
       
       ## Diplomatische Rekordbeteiligung bei Gedenkfeiern
       
       An der Zeremonie in Nagasaki nahmen Botschafter und Vertreter von 83
       Nationen und Regionen teil, nach Hiroshima kamen am Samstag sogar 101
       ausländische Repräsentanten.
       
       Die beiden Rekordzahlen spiegeln wahrscheinlich den „Wunsch nach Frieden
       wider, der durch die russische Aggression noch stärker geworden ist“, sagte
       ein Beamter von Nagasaki. Erstmals seit vier Jahren war beim Gedenken in
       Hiroshima auch der US-Botschafter in Japan anwesend.
       
       Premier Kishida vertritt einen Wahlkreis von Hiroshima und strebt aus
       persönlicher Überzeugung atomare Abrüstung an. Als erster japanischer
       Regierungschef nahm er am 1. August an der Überprüfungskonferenz des
       Nichtverbreitungsvertrags in New York teil und legte einen
       „Hiroshima-Aktionsplan“ vor. Der fordert von den Staaten mehr Transparenz
       ihrer atomaren Fähigkeiten.
       
       ## Nächster G7-Gipfel wird in Hiroshima sein
       
       Der nächste G7-Gipfel findet auch in Hiroshima statt. Doch hält Kishida an
       der bisherigen japanischen Politik fest, den UN-Vertrag zum Verbot von
       Atomwaffen nicht zu unterschreiben, weil Japan unter dem Atomschutzschirm
       der USA steht.
       
       Zuletzt haben auch fünf chinesische Raketenschüsse in Japans
       Wirtschaftsmeereszone im Rahmen von Pekings Drohmanövern gegen Taiwan der
       Regierung in Tokio gezeigt, dass Japan in einen potenziellen Taiwan-Krieg
       zwischen China und den USA hineingezogen würde.
       
       9 Aug 2022
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Martin Fritz
       
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