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       # taz.de -- Kinotipp der Woche: DDR, experimentell
       
       > Die Brotfabrik zeigt Experimentalfilme des Untergrund-Künstlers
       > flanzendörfer. Im Dialog mit Arbeiten von Nike Nannt sind auch seine
       > Bilder zu sehen.
       
   IMG Bild: Die Künstlerin Nike Nannt übersetzte flanzendörfers Gedichte in Kreidezeichnungen
       
       Ein junger Mann treibt Ende der 1980er Jahre durch Ost-Berlin. Er blickt
       über Enten und Wasser hinweg ans andere Ufer, von einem Hochhaus hinunter
       auf den Verkehr der Hauptstadt der DDR. Sein Schatten steht lässig rauchend
       auf den Treppen bevor der schattenwerfende Filmmacher die Treppe
       herunterkommt und eins wird mit dem Schatten. Dann springt der junge Mann
       aus dem Fenster. Unten nimmt er sich selbst wieder in Empfang und driftet
       weiter durch die Stadt.
       
       Der Experimentalfilm „Eisenschnäbelige Krähe“ des DDR-Untergrundkünstlers
       flanzendörfer ist eine Rekonstruktion, sie basiert auf Aufnahmen, die bei
       einem Wohnungsumzug verloren gingen, und die flänzendörfer anschließend
       selbst nachstellte. Zu Bildern aus Prenzlauer Berg und Pankow läuft Musik
       der Zeit. Die Szenen fügen sich zu einer jener driftenden, vagen
       Handlungen, in der sich in den 1980er Jahren Filmemacher_innen in Ost- und
       Westdeutschland mit einer Mischung aus Befremden und dem Gefühl der
       Isolation der Gesellschaft um sie herum näherten.
       
       Die „Eisenschnäbelige Krähe“ wurde im Juli 1987 in einer Galerie in der
       Schönhauser Allee uraufgeführt, ein Jahr bevor flänzendörfer seinem Leben
       mit nur 25 Jahren ein Ende setzte. Seither war sie eher selten zu sehen. Am
       Sonntag zeigt das Kino in der Brotfabrik den Film im Rahmen des
       Kultursommerfestivals [1][„24 Stunden Brotfabrik“].
       
       Das Programm ist Ergebnis des Glücksfalls, dass das Kino in der Brotfabrik
       von Claus Löser geleitet wird, der sich wie kaum jemand anderes im
       Experimentalfilm der DDR auskennt. Neben dem knapp einstündigen
       „Eisenschnäbelige Krähe“ läuft erstmals auch der Kurzfilm „ORWO-Video“.
       Ergänzt wird das Programm durch ein Gespräch mit flänzendörfers
       Wegbegleiter Volker Barndt.
       
       ## flanzendörfer in Öl
       
       In der Galerie der Brotfabrik ist zudem die Ausstellung [2][„WRACKMENTE –
       flänzendörfer/nike nannt“] zu sehen, die Ölbilder, Collagen und
       Zeichnungen von flänzendörfer zeigt sowie Arbeiten der Dresdener
       Künstlerin Nike Nannt, die speziell in Auseinandersetzung mit dem
       dichterischen Werk des Unterground-Künstlers entstanden sind. Um 17 Uhr,
       eine Stunde vor Beginn des Filmprogramms, führt Nannt durch die
       Ausstellung.
       
       Das Kinoprogramm im Rahmen des Tag der offenen Tür beginnt um 14 Uhr mit
       einem Kurzfilmprogramm für Kinder. Um 21 Uhr beschließt eine
       Open-Air-Vorführung von Robert Wienes „Das Kabinett des Dr. Caligari“ von
       1920 den Abend. Wienes Stummfilm kreist um den unheimlichen Dr. Caligari
       (Werner Krauß), der Cesare (Conrad Veidt), einen Schlafwandler, unter seine
       Kontrolle gebracht hat.
       
       Als Caligari den Schlafwandler auf einem Jahrmarkt in einer deutschen
       Kleinstadt ausstellt, ermordet dieser einen Freund des jungen Franzis und
       entführt dann eine junge Frau (Lil Dagover). Wienes Film wurde nicht
       zuletzt durch die expressiven Bauten von Walter Reimann, Walter Röhrig und
       Hermann Warm zu einem Klassiker des Films der Weimarer Republik.
       
       12 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.brotfabrik-berlin.de/events/kultursommerfestival-24-stunden-brotfabrik-auf-dem-caligariplatz/?occurrence=2022-08-14
   DIR [2] https://www.brotfabrik-berlin.de/events/wrackmente-flanzendoerfer-nike-nannt/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Tietke
       
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