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       # taz.de -- Klimacamp in Hamburg: Zelten für die Zukunft
       
       > Das System Change Camp beginnt. Am Volkspark möchten sich klimapolitische
       > Gruppen vernetzen und gemeinsam Aktionen organisieren.
       
   IMG Bild: Wie auf einem Festival: Der „Wohnbereich“ des System Change Camps in Hamburg-Bahrenfeld
       
       Hamburg taz | Durch ein Megafon wird angekündigt: „Es gibt Essen!“ Schnell
       bildet sich eine lange Schlange vor den weißen Zelten der Camp-Küche. Hier
       können sich alle gegen Spende ein veganes Mittagessen abholen. Bierbänke
       und -tische stehen in der Sonne bereit, viele Aktivist*innen ziehen es
       aber vor, sich unter den großen Baum auf die Wiese in den Schatten zu
       setzen.
       
       Am blau-weißen Zirkuszelt am Eingang zum Camp können sich alle für
       verschiedene Schichten und Aufgaben eintragen. „Die Idee ist auf jeden
       Fall, dass sich die Leute bei allen anfallenden Aufgaben beteiligen“, sagt
       Toni Lux, Sprecherin des „System Change Camps“. Neben Schnippeln, Kochen
       oder Abwaschen gibt es auch Dienste zum Kloputzen, Mülleimerleeren oder für
       den Camp-Kiosk.
       
       Sieben Tage lang treffen sich Klimaaktivist*innen aus ganz
       Deutschland und darüber hinaus am Altonaer Volkspark, um [1][an
       Veranstaltungen teilzunehmen, sich zu vernetzen und Aktionen zu
       organisieren]. Auf dem Gelände sind immer wieder auch englische und
       spanische Wortfetzen zu hören.
       
       Insgesamt stehe die gegenseitige Vernetzung und der gemeinsame Austausch im
       Zentrum des Camps, sagt Lux: „Es geht ganz zentral darum, dass wir uns hier
       bilden, austauschen, gemeinsam hier leben und eine andere solidarische,
       soziale, ökologisch und ökonomisch gerechte Welt erdenken und zusammen
       praktisch leben.“
       
       Offen sind alle Angebote auch für interessierte Hamburger*innen. Der
       Austausch mit der lokalen Bevölkerung ist ein Ziel des System Change Camps.
       Durch die Verlagerung vom Stadtpark in den Altonaer Volkspark, der weniger
       zentral liegt, ist das allerdings erschwert. [2][Die Stadt hatte ein Camp
       im Stadtpark nicht genehmigt] (taz berichtete).
       
       ## Aktionen gegen Flüssiggas
       
       Mit Aktionen und Demonstrationen wollen die Aktivist*innen in die
       Hamburger Öffentlichkeit hineinwirken. Die am Camp beteiligte Gruppe
       „Extinction Rebellion“ färbte am Mittwochmorgen öffentliche Brunnen in
       deutschen Städten grün ein, auch in Hamburg. Mit der Beschriftung „LNG?
       Leider nicht Grün!“ auf dem Boden wollen sie auf die umweltschädlichen
       Folgen und die neokoloniale Ausbeutung hinweisen, die mit importiertem
       Flüssiggas verbunden seien. Auch eine Demonstration am Mittwochabend unter
       dem Motto „LNG stoppen, fossilen Kapitalismus sabotieren!“ ging vom System
       Change Camp aus.
       
       Hamburg eigne sich als Ort für die Proteste, da hier [3][durch den
       Hamburger Hafen ein koloniales Erbe] mit aktuellen ausbeuterischen
       Strukturen zusammenkomme, sagt Toni Lux. „Hier werden Waren umgeschlagen,
       die durch Ausbeutung gewonnen und produziert werden“, sagt sie.
       
       „Mensch und Natur werden ausgebeutet für Profite in den kapitalistischen
       Zentren wie Deutschland“, sagt Liv Roth vom Bündnis „… ums Ganze!“, welches
       ebenfalls am Camp beteiligt ist. „Es braucht eine radikale Klimabewegung,
       die sich Orte sucht, wo es dem Kapital wehtut.“ Die Gruppe ruft auf ihrer
       Homepage zur Unterbrechung der Lieferketten im Hamburger Hafen auf. Das
       Camp diene laut Roth auch dazu, „verschiedene Kämpfe zu verbinden“.
       
       Eine kleine Straße trennt den Bereich mit Küche, Workshop- und
       Gruppenzelten vom Zeltplatz, auf dem die Aktivist*innen übernachten.
       Dazwischen steht eine lange Reihe von Waschbecken, Duschen und Klos aus
       Holz. „Stop Food Speculation“ steht auf einem großen Banner an der Rückwand
       der Toiletten.
       
       Das Camp ist an die Trinkwasserversorgung angeschlossen und auch Abwasser
       kann abgeleitet werden. Mehrere große Solarzellen, die die
       Organisator*innen mitgebracht und aufgebaut haben, sorgen für die
       Stromversorgung.
       
       Über Monate hinweg haben verschiedene Gruppen das System Change Camp
       organisiert – basisdemokratisch und mit konsensualer Entscheidungsfindung.
       „Das ist auch ein wichtiger Teil von unserem Camp“, sagt Lux, „denn wir
       wollen an diesem kleinen Beispiel zeigen, wie eine Gesellschaft anders
       möglich wäre.“
       
       ## Camp soll inklusiv sein
       
       Die über 120 Workshops, Diskussionen und Vorträge finden in Zelten statt.
       Sie seien nach Regionen benannt, „in denen sich die neokoloniale Politik
       anhand von LNG manifestiert“, sagt Lux. Ein weißes Stangenzelt heißt nach
       dem texanischen Permian Basin, wo sich die indigene Bevölkerung gegen
       Fracking wehrt.
       
       Auch zwei große, rot-gelb gestreifte Zirkuszelte sind für Workshops
       vorgesehen. Ein Kollektiv übersetzt einige Veranstaltungen zwischen vier
       Sprachen. Das gesamte Camp soll möglichst inklusiv sein und insbesondere
       Gruppen aus dem globalen Süden einbeziehen.
       
       „Ich finde es schön, dass die Klimabewegung gerade mehr in die Richtung
       geht, auch außereuropäische Perspektiven ins Zentrum zu stellen“, sagt
       Lilly, die für das Klimacamp aus den Niederlanden angereist ist. Sie will
       das Camp vor allem nutzen, um sich zu vernetzen. „Wir kämpfen jetzt schon
       eine ganze Weile und es geht nicht so wirklich etwas voran. Vielleicht
       müssen wir neue Arten von Kämpfen entdecken und neu ins Gespräch kommen.
       Ich glaube, dafür ist das Camp da“, sagt sie.
       
       ## Kampfmethoden aus Chile
       
       Einige internationale Gruppen bieten eigene Workshops an. Vor dem Zelt der
       Gruppe „Abya Yala Anticolonial“, einem lateinamerikanischen Kollektiv,
       rennt eine Gruppe von Teilnehmendem im Kreis, sie werfen sich gegenseitig
       Bälle zu und versuchen, sich diese wieder abzunehmen. Spielerisch sollen
       hier Kampfmethoden der indigenen Mapuche aus Chile vermittelt werden.
       
       Polo Ramirez von Abya Yala Anticolonial sagt: „Unsere Länder werden durch
       den Kapitalismus ausgebeutet und deshalb wollen wir uns hier zeigen.“
       Bisher funktioniere die Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den Gruppen aus
       Deutschland auf dem System Change Camp sehr gut, sagt Ramirez: „Die
       Solidarität ist sehr stark.“
       
       11 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://systemchange.noblogs.org/
   DIR [2] /System-Change-Camp-in-Hamburg/!5868046
   DIR [3] /Hamburg-ehrt-bis-heute-Kolonialisten/!5691779
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Josephine von der Haar
       
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