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       # taz.de -- Krisenstimmung in Südafrika: Ramaphosa ringt um Kontrolle
       
       > Der Landesverband des regierenden ANC entzieht Südafrikas Staatschef den
       > Rückhalt. Zunehmende Gewalt verdüstert die Zukunftsperspektiven.
       
   IMG Bild: „Cyril Ramaphosa muss weg“: Demonstration vor der ANC-Parteizentrale in Johannesburg, 15. Juli
       
       Durban taz | Dass Präsident Cyril Ramaphosa ausgebuht wird, ist in
       Südafrika mittlerweile normal. Dass seine eigenen Parteigenossen es tun,
       zeigt, dass er die Kontrolle verliert – nicht nur über seine Partei, den
       regierenden ANC (African National Congress), sondern scheinbar auch über
       das Land.
       
       Am vergangenen Wochenende hielt der ANC seinen Landesparteitag in der
       Provinz [1][KwaZulu/Natal (KZN)] ab, wo [2][der größte ANC-Landesverband]
       zuhause ist. Für Ramaphosa ist KZN ein schwieriges Terrain – es ist die
       Heimat seines Vorgängers Jacob Zuma, der von 2009 bis zu seinem Sturz durch
       Ramaphosa als ANC-Parteichef 2017 und als Staatspräsident 2018 an der Macht
       war. Der ANC der Provinz unterstützte bei der Nachfolgewahl nicht
       Ramaphosa, sondern Jacob Zumas Ehefrau Nkosazana Dlamini-Zuma, die aber
       verlor. 2021 war KZN dann das Zentrum der blutigen Unruhen mit über 330
       Toten, die Südafrika erschütterten, als Zuma wegen Missachtung des Gerichts
       im Rahmen der Korruptionsverfahren gegen ihn zu 15 Monaten Haft verurteilt
       wurde.
       
       Auf diesem Landesparteitag vertiefte sich die Spaltung. Delegierte sangen
       Pro-Zuma-Lieder und wählten den Zuma-Loyalisten Siboniso Duma zum neuen
       Landesparteichef, gegen den von Ramaphosa favorisierten
       Provinzpremierminister Sihle Zikalala. Duma, dessen Faktion in Südafrika
       als „Taliban“ bekannt ist, wird zwar Zikalala als Provinzpremier im Amt
       lassen, aber sein Sieg ist eine Niederlage für Südafrikas Präsidenten.
       
       Mit der Wahl Dumas war klar, dass die ANC-Delegierten Ramaphosa einen
       feindseligen Empfang bereiten würden, wenn er zur geplanten Abschlussrede
       des Parteitages käme. Der Staatspräsident sagte zunächst ab und verwies auf
       „andere Verpflichtungen“, aber nach Druck, angeblich aus dem eigenen
       Umfeld, kam er dann doch und wurde ausgebuht.
       
       [3][Buhrufe für Ramaphosa] gab es schon öfter, etwa, als der Präsident im
       vergangenen Oktober den ANC-Kommunahlwahlkampf in Soweto lancierte und
       auch, als er dort seine Stimme abgab; ebenso am 1. Mai dieses Jahres, als
       ihn Streikende bei der nationalen Maifeiertagsversammlung in Rustenburg
       niederschrieen und er seine Rede abbrach.
       
       Jetzt beim ANC-Landesparteitag in Durban hielt er seine Rede, nachdem die
       Buhrufe endeten, und gratulierte den Siegern der KZN-Führungswahl. „Ich
       verspreche, mit ihnen zusammenzuarbeiten, auf der Grundlage von Vertrauen,
       Kooperation und dem Interesse des ANC in KZN“, sagte Ramaphosa. „Der ANC
       ist, was uns vereint.“
       
       Doch der ANC selbst ist nicht vereint. Im Dezember muss sich Ramaphosa auf
       einem Wahlparteitag um die Kandidatur für eine zweite Amtszeit als
       Präsident Südafrikas bei den nächsten Wahlen 2024 bewerben. Da wird er
       erneut gegen Zumas Ehefrau Nkosazana Dlamini-Zuma antreten müssen, die
       aktuell als Ministerin für Kooperative Regierungsführung und Traditionelle
       Angelegenheiten in seinem Kabinett dient. Ohne die Unterstützung der
       mächtigen Landesverbände wie KZN könnte Ramaphosa Probleme bekommen.
       
       Südafrikas Öffentlichkeit interessiert sich derweil mehr für die zunehmende
       Gewalt auf der Straße. Tödliche Streitereien oder Raubüberfälle sind die
       Menschen gewohnt, aber neuerdings kommt es zu Massakern, die eher
       Terroranschlägen gleichen.
       
       Der schlimmste ereignete sich am 9. Juli in Soweto, als Männer mit
       AK-47-Sturmgewehren eine Bar im Stadtteil Orlando stürmten und 16 Menschen
       töteten, bevor sie flohen. Am gleichen Tag gab es ein ähnliches, kleineres
       Massaker in der KZN-Hauptstadt Pietermaritzburg. Am 22. Juli starben zwei
       Menschen bei einem Sturmgewehrangriff auf eine Kneipe in Garankuwa nahe der
       Hauptstadt Pretoria (Tshwane).
       
       Der sozio-ökonomische Analyst Sifiso Mkhize vermutet einen Bandenkrieg
       zwischen Barbesitzern als Ursache dieser Kette von Massakern. „Wie in den
       Kriegen im Drogenhandel und bei Sammeltaxis wollen auch hier manche keinen
       Wettbewerb zulassen“, sagt er. „Sie opfern unschuldige Menschenleben, um
       aufzusteigen.“
       
       Aber auch außerhalb von Bars wird das Leben in Südafrika gefährlicher.
       Vergangene Woche stürmten 15 Männer mit AK-47-Gewehren das Einkaufszentrum
       Lakeside Mall in Benoni östlich von Johannesburg und eröffneten wahllos das
       Feuer. Niemand starb, aber viele Läden wurden geplündert.
       
       Expräsident Thabo Mbeki, der 1999 auf Nelson Mandela folgte und neun Jahre
       lang regierte, hat gewarnt, dass Südafrika ein „Arabischer Frühling“ droht,
       wie er 2011 durch Nordafrika fegte. Hohe und steigende Arbeitslosigkeit und
       Armut, Gesetz- und Straflosigkeit und die Wahrnehmung, dass Korruption bis
       zur höchsten Ebene grassiert, bedeuteten, dass Südafrika reif für einen
       Volksaufstand sei, sagte Mbeki bei [4][seiner Trauerrede] für die
       verstorbene ANC-Vizegeneralsekretärin Yasmin „Jessie“ Duarte am 21. Juli.
       „Eines Tages wird es explodieren.“
       
       27 Jul 2022
       
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   DIR Njabulo Buthelezi
       
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